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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

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§ 18. Studien.

"Was "nicht a" oder b ist", d. h. a1 + b = a1 b1 + a b + a b1,
oder aber als:
"Was nicht "a oder b" ist, d. h. (a + b)1 = a1 b1.

Im Interesse der Deutlichkeit empfiehlt sich hiernach die Maxime:
bei konjunktiver Häufung von Attributen oder Prädikaten die bejahten
den verneinten womöglich vorangehen zu lassen.

Man wird hier wiederum bestätigt finden, dass die Mehrsinnigkeit
und die damit gegebene Möglichkeit von Missverständnissen, ja, ge-
legentlich die Verleitung zu solchen, daher rührt, dass die Wortsprache
des Instituts der Klammern entbehrt. Hiefür noch ein Beispiel:
"Was a und b oder c ist"
kann verstanden werden als:
"Was "a und b" oder c ist",
d. i. als
a b + c = (a b) + c
oder auch in dem wesentlich davon verschiedenen Sinne:
"Was a und "b oder c" ist",
d. i. als
a (b + c).

Letzterer Ausdruck wird nun vollständig bekanntlich gelesen als:
"a (mal) Klammer b plus c geschlossen", und so könnte man -- scheint
es -- auch im Texte Doppelsinnigkeiten vermeiden, wenn man daselbst
die Worte ... "Klammer" ... "Geschlossen" ... an geeigneter Stelle
einfügte. Mindestens würden aber hiefür die ... Anführungszeichen "
und ... Schlusszeichen " ... den Vorzug verdienen, da wie schon ein-
mal erwähnt, im Worttext die Einklammerung schon anderweitig be-
schlagnahmt ist.

In Druck und Schrift dürfte der Gebrauch dieser Zeichen, zu
denen wir auch gelegentlich greifen, in der That der beste Behelf sein
wo immer es auf genaueste Unterscheidung ankommt und Missverständ-
nisse sich nicht durch den Stil, Wahl geeigneter Redewendungen schon
völlig ausschliessen lassen.

Zu so verzweifeltem Auskunftsmittel, jene Zeichen, wie angegeben,
ausdrücklich zu lesen, greift die Sprache jedoch im gesprochenen Texte
nicht; vielmehr verhält sie sich diesen Zeichen gegenüber gerade wie bei
den Interpunktionszeichen und bestrebt sich ihrem Mangel abzuhelfen und
dasjenige was die Zeichen uns auszudrücken bestimmt sind, darzustellen
durch den Tonfall und Rhythmus der Rede, Anbringung geeigneter Pausen
und nachdrückliche Betonung einzelner Redeteile, Emphase. Auch beim
Lesen von Formeln werden ja die Klammern nicht immer gesprochen,
sondern zumeist in ähnlicher Weise angedeutet -- woraus allerdings, beim
Diktiren z. B., bekannte Schwierigkeiten entspringen.

§ 18. Studien.

„Was »nicht a« oder b ist“, d. h. a1 + b = a1 b1 + a b + a b1,
oder aber als:
„Was nicht »a oder b« ist, d. h. (a + b)1 = a1 b1.

Im Interesse der Deutlichkeit empfiehlt sich hiernach die Maxime:
bei konjunktiver Häufung von Attributen oder Prädikaten die bejahten
den verneinten womöglich vorangehen zu lassen.

Man wird hier wiederum bestätigt finden, dass die Mehrsinnigkeit
und die damit gegebene Möglichkeit von Missverständnissen, ja, ge-
legentlich die Verleitung zu solchen, daher rührt, dass die Wortsprache
des Instituts der Klammern entbehrt. Hiefür noch ein Beispiel:
„Was a und b oder c ist“
kann verstanden werden als:
„Was »a und b« oder c ist“,
d. i. als
a b + c = (a b) + c
oder auch in dem wesentlich davon verschiedenen Sinne:
„Was a und »b oder c« ist“,
d. i. als
a (b + c).

Letzterer Ausdruck wird nun vollständig bekanntlich gelesen als:
a (mal) Klammer b plus c geschlossen“, und so könnte man — scheint
es — auch im Texte Doppelsinnigkeiten vermeiden, wenn man daselbst
die Worte … „Klammer“ … „Geschlossen“ … an geeigneter Stelle
einfügte. Mindestens würden aber hiefür die … Anführungszeichen »
und … Schlusszeichen « … den Vorzug verdienen, da wie schon ein-
mal erwähnt, im Worttext die Einklammerung schon anderweitig be-
schlagnahmt ist.

In Druck und Schrift dürfte der Gebrauch dieser Zeichen, zu
denen wir auch gelegentlich greifen, in der That der beste Behelf sein
wo immer es auf genaueste Unterscheidung ankommt und Missverständ-
nisse sich nicht durch den Stil, Wahl geeigneter Redewendungen schon
völlig ausschliessen lassen.

Zu so verzweifeltem Auskunftsmittel, jene Zeichen, wie angegeben,
ausdrücklich zu lesen, greift die Sprache jedoch im gesprochenen Texte
nicht; vielmehr verhält sie sich diesen Zeichen gegenüber gerade wie bei
den Interpunktionszeichen und bestrebt sich ihrem Mangel abzuhelfen und
dasjenige was die Zeichen uns auszudrücken bestimmt sind, darzustellen
durch den Tonfall und Rhythmus der Rede, Anbringung geeigneter Pausen
und nachdrückliche Betonung einzelner Redeteile, Emphase. Auch beim
Lesen von Formeln werden ja die Klammern nicht immer gesprochen,
sondern zumeist in ähnlicher Weise angedeutet — woraus allerdings, beim
Diktiren z. B., bekannte Schwierigkeiten entspringen.

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[373/0393] § 18. Studien. „Was »nicht a« oder b ist“, d. h. a1 + b = a1 b1 + a b + a b1, oder aber als: „Was nicht »a oder b« ist, d. h. (a + b)1 = a1 b1. Im Interesse der Deutlichkeit empfiehlt sich hiernach die Maxime: bei konjunktiver Häufung von Attributen oder Prädikaten die bejahten den verneinten womöglich vorangehen zu lassen. Man wird hier wiederum bestätigt finden, dass die Mehrsinnigkeit und die damit gegebene Möglichkeit von Missverständnissen, ja, ge- legentlich die Verleitung zu solchen, daher rührt, dass die Wortsprache des Instituts der Klammern entbehrt. Hiefür noch ein Beispiel: „Was a und b oder c ist“ kann verstanden werden als: „Was »a und b« oder c ist“, d. i. als a b + c = (a b) + c oder auch in dem wesentlich davon verschiedenen Sinne: „Was a und »b oder c« ist“, d. i. als a (b + c). Letzterer Ausdruck wird nun vollständig bekanntlich gelesen als: „a (mal) Klammer b plus c geschlossen“, und so könnte man — scheint es — auch im Texte Doppelsinnigkeiten vermeiden, wenn man daselbst die Worte … „Klammer“ … „Geschlossen“ … an geeigneter Stelle einfügte. Mindestens würden aber hiefür die … Anführungszeichen » und … Schlusszeichen « … den Vorzug verdienen, da wie schon ein- mal erwähnt, im Worttext die Einklammerung schon anderweitig be- schlagnahmt ist. In Druck und Schrift dürfte der Gebrauch dieser Zeichen, zu denen wir auch gelegentlich greifen, in der That der beste Behelf sein wo immer es auf genaueste Unterscheidung ankommt und Missverständ- nisse sich nicht durch den Stil, Wahl geeigneter Redewendungen schon völlig ausschliessen lassen. Zu so verzweifeltem Auskunftsmittel, jene Zeichen, wie angegeben, ausdrücklich zu lesen, greift die Sprache jedoch im gesprochenen Texte nicht; vielmehr verhält sie sich diesen Zeichen gegenüber gerade wie bei den Interpunktionszeichen und bestrebt sich ihrem Mangel abzuhelfen und dasjenige was die Zeichen uns auszudrücken bestimmt sind, darzustellen durch den Tonfall und Rhythmus der Rede, Anbringung geeigneter Pausen und nachdrückliche Betonung einzelner Redeteile, Emphase. Auch beim Lesen von Formeln werden ja die Klammern nicht immer gesprochen, sondern zumeist in ähnlicher Weise angedeutet — woraus allerdings, beim Diktiren z. B., bekannte Schwierigkeiten entspringen.

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/393>, abgerufen am 25.11.2024.