Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

Siebente Vorlesung.
lässt unsre Schreibweise wegen der Ähnlichkeit des Negationsstrichs mit
dem Suffixum 1 es fortan weniger ratsam erscheinen, ein erstes, zweites,
drittes etc. (in einer Untersuchung auftretendes) a etwa mit a1, a2, a3, ...
hier zu benennen. Hiefür kann man jedoch, da Potenzen ohnehin aus-
geschlossen sind (Th. 14), nun mit a1, a2, a3, ... sich sehr gut behelfen.

In Bezug auf die Streitfrage zwischen Horizontal- und Vertikalstrich
bei zu verneinenden Beziehungszeichen könnte übrigens Herrn Charles
S. Peirce
die Autorität seines Vaters Benjamin Peirce1 gegenübergestellt
werden, mit dessen Bezeichnungsvorschlägen in seiner "Linear associative
Algebra" wir teilweise zusammentreffen.

De Morgan, Jevons und Andere nehmen für Begriffe resp. Klassen
und deren Negation die korrespondirenden Buchstaben aus dem grossen
und kleinen Alphabete, bezeichnen die Negation von A mit a, sowie um-
gekehrt -- was nach Th. 31) zulässig. Dies ist nur durchführbar, insoweit
blos "einfache" Symbole in Betracht kommen (vergl. Anhang 2), verbietet
sich indess, wenn das Negiren auch für zusammengesetzte Ausdrücke soll
angedeutet werden können. Denn die Negation von A + B würde durch-
aus nicht etwa a + b sein, u. s. w. -- vergl. die Theoreme 36). Der Vor-
schlag erscheint uns hier als gänzlich unannehmbar.

Mit Worten nennen wir die Negation von a auch "Nicht-a" oder
"Non-a".

Indessen "non-a", "non (a + b)" etc. für unser a1, (a + b)1 in Formeln
anzusetzen würde schwülstig ("cumbrous") werden.

Definition (6), der Negation.

"Negation" eines Gebietes a nennen wir ein solches Gebiet a1, welches
zu ihm in der Beziehung steht, dass zugleich:

a a1 0 und 1 a + a1
ist.

Da nach Th. 5) ohnehin 0 a a1 und a + a1 1 sein wird, so
gelten dann kraft Def. (1) auch die beiden Sätze:
30) Theoreme. Allgemein ist:

30x)a a1 = 0.30+)a + a1 = 1.

Diese Gleichungen hätten ebensogut zur Definition der Negation a1
von a verwendet werden können, muten jedoch dieser Negation schein-
bar etwas mehr zu, als nur die obigen in ihnen mitenthaltenen beiden
Subsumtionen zu erfüllen.

Nach § 7, S. 214, können wir nun auch sagen: Negation eines
Gebietes nennen wir ein solches Gebiet, welches zu demselben zugleich dis-
junkt und supplementär ist.

Zusatz 1 zu Def. (6). Zu einem Gebiete a kann es nicht mehr
als eine
Negation geben.

Siebente Vorlesung.
lässt unsre Schreibweise wegen der Ähnlichkeit des Negationsstrichs mit
dem Suffixum 1 es fortan weniger ratsam erscheinen, ein erstes, zweites,
drittes etc. (in einer Untersuchung auftretendes) a etwa mit a1, a2, a3, …
hier zu benennen. Hiefür kann man jedoch, da Potenzen ohnehin aus-
geschlossen sind (Th. 14), nun mit a1, a2, a3, … sich sehr gut behelfen.

In Bezug auf die Streitfrage zwischen Horizontal- und Vertikalstrich
bei zu verneinenden Beziehungszeichen könnte übrigens Herrn Charles
S. Peirce
die Autorität seines Vaters Benjamin Peirce1 gegenübergestellt
werden, mit dessen Bezeichnungsvorschlägen in seiner „Linear associative
Algebra“ wir teilweise zusammentreffen.

De Morgan, Jevons und Andere nehmen für Begriffe resp. Klassen
und deren Negation die korrespondirenden Buchstaben aus dem grossen
und kleinen Alphabete, bezeichnen die Negation von A mit a, sowie um-
gekehrt — was nach Th. 31) zulässig. Dies ist nur durchführbar, insoweit
blos „einfache“ Symbole in Betracht kommen (vergl. Anhang 2), verbietet
sich indess, wenn das Negiren auch für zusammengesetzte Ausdrücke soll
angedeutet werden können. Denn die Negation von A + B würde durch-
aus nicht etwa a + b sein, u. s. w. — vergl. die Theoreme 36). Der Vor-
schlag erscheint uns hier als gänzlich unannehmbar.

Mit Worten nennen wir die Negation von a auch „Nicht-a“ oder
Non-a“.

Indessen „non-a“, „non (a + b)“ etc. für unser a1, (a + b)1 in Formeln
anzusetzen würde schwülstig („cumbrous“) werden.

Definition (6), der Negation.

Negationeines Gebietes a nennen wir ein solches Gebiet a1, welches
zu ihm in der Beziehung steht, dass zugleich:

a a1 ⋹ 0 und 1 ⋹ a + a1
ist.

Da nach Th. 5) ohnehin 0 ⋹ a a1 und a + a1 ⋹ 1 sein wird, so
gelten dann kraft Def. (1) auch die beiden Sätze:
30) Theoreme. Allgemein ist:

30×)a a1 = 0.30+)a + a1 = 1.

Diese Gleichungen hätten ebensogut zur Definition der Negation a1
von a verwendet werden können, muten jedoch dieser Negation schein-
bar etwas mehr zu, als nur die obigen in ihnen mitenthaltenen beiden
Subsumtionen zu erfüllen.

Nach § 7, S. 214, können wir nun auch sagen: Negation eines
Gebietes nennen wir ein solches Gebiet, welches zu demselben zugleich dis-
junkt und supplementär ist.

Zusatz 1 zu Def. (6). Zu einem Gebiete a kann es nicht mehr
als eine
Negation geben.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0322" n="302"/><fw place="top" type="header">Siebente Vorlesung.</fw><lb/>
lässt <hi rendition="#i">unsre</hi> Schreibweise wegen der Ähnlichkeit des Negationsstrichs mit<lb/>
dem Suffixum 1 es fortan weniger ratsam erscheinen, ein erstes, zweites,<lb/>
drittes etc. (in einer Untersuchung auftretendes) <hi rendition="#i">a</hi> etwa mit <hi rendition="#i">a</hi><hi rendition="#sub">1</hi>, <hi rendition="#i">a</hi><hi rendition="#sub">2</hi>, <hi rendition="#i">a</hi><hi rendition="#sub">3</hi>, &#x2026;<lb/>
hier zu benennen. Hiefür kann man jedoch, da Potenzen ohnehin aus-<lb/>
geschlossen sind (Th. 14), nun mit <hi rendition="#i">a</hi><hi rendition="#sup">1</hi>, <hi rendition="#i">a</hi><hi rendition="#sup">2</hi>, <hi rendition="#i">a</hi><hi rendition="#sup">3</hi>, &#x2026; sich sehr gut behelfen.</p><lb/>
          <p>In Bezug auf die Streitfrage zwischen Horizontal- und Vertikalstrich<lb/>
bei zu verneinenden Beziehungszeichen könnte übrigens Herrn <hi rendition="#g">Charles<lb/>
S. Peirce</hi> die Autorität seines Vaters <hi rendition="#g">Benjamin Peirce</hi><hi rendition="#sup">1</hi> gegenübergestellt<lb/>
werden, mit dessen Bezeichnungsvorschlägen in seiner &#x201E;Linear associative<lb/>
Algebra&#x201C; wir teilweise zusammentreffen.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">De Morgan</hi>, <hi rendition="#g">Jevons</hi> und Andere nehmen für Begriffe resp. Klassen<lb/>
und deren Negation die korrespondirenden Buchstaben aus dem grossen<lb/>
und kleinen Alphabete, bezeichnen die Negation von <hi rendition="#i">A</hi> mit <hi rendition="#i">a</hi>, sowie um-<lb/>
gekehrt &#x2014; was nach Th. 31) zulässig. Dies ist nur durchführbar, insoweit<lb/>
blos &#x201E;einfache&#x201C; Symbole in Betracht kommen (vergl. Anhang 2), verbietet<lb/>
sich indess, wenn das Negiren auch für zusammengesetzte Ausdrücke soll<lb/>
angedeutet werden können. Denn die Negation von <hi rendition="#i">A</hi> + <hi rendition="#i">B</hi> würde durch-<lb/>
aus nicht etwa <hi rendition="#i">a</hi> + <hi rendition="#i">b</hi> sein, u. s. w. &#x2014; vergl. die Theoreme 36). Der Vor-<lb/>
schlag erscheint uns <hi rendition="#i">hier</hi> als gänzlich unannehmbar.</p><lb/>
          <p>Mit Worten nennen wir die Negation von <hi rendition="#i">a</hi> auch &#x201E;<hi rendition="#i">Nicht-a</hi>&#x201C; oder<lb/>
&#x201E;<hi rendition="#i">Non-a</hi>&#x201C;.</p><lb/>
          <p>Indessen &#x201E;non-<hi rendition="#i">a</hi>&#x201C;, &#x201E;non (<hi rendition="#i">a</hi> + <hi rendition="#i">b</hi>)&#x201C; etc. für unser <hi rendition="#i">a</hi><hi rendition="#sub">1</hi>, (<hi rendition="#i">a</hi> + <hi rendition="#i">b</hi>)<hi rendition="#sub">1</hi> in Formeln<lb/>
anzusetzen würde schwülstig (&#x201E;cumbrous&#x201C;) werden.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Definition</hi> (6), der Negation.</p><lb/>
          <p>&#x201E;<hi rendition="#i">Negation</hi>&#x201C; <hi rendition="#i">eines Gebietes a nennen wir ein solches Gebiet a</hi><hi rendition="#sub">1</hi>, <hi rendition="#i">welches<lb/>
zu ihm in der Beziehung steht, dass zugleich:</hi><lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#i">a a</hi><hi rendition="#sub">1</hi> &#x22F9; 0 <hi rendition="#i">und</hi> 1 &#x22F9; <hi rendition="#i">a</hi> + <hi rendition="#i">a</hi><hi rendition="#sub">1</hi></hi><lb/><hi rendition="#i">ist.</hi></p><lb/>
          <p>Da nach Th. 5) ohnehin 0 &#x22F9; <hi rendition="#i">a a</hi><hi rendition="#sub">1</hi> und <hi rendition="#i">a</hi> + <hi rendition="#i">a</hi><hi rendition="#sub">1</hi> &#x22F9; 1 sein wird, so<lb/>
gelten dann kraft Def. (1) auch die beiden Sätze:<lb/>
30) <hi rendition="#g">Theoreme</hi>. <hi rendition="#i">Allgemein ist:</hi><lb/><table><row><cell>30<hi rendition="#sub">×</hi>)</cell><cell><hi rendition="#i">a a</hi><hi rendition="#sub">1</hi> = 0.</cell><cell>30<hi rendition="#sub">+</hi>)</cell><cell><hi rendition="#i">a</hi> + <hi rendition="#i">a</hi><hi rendition="#sub">1</hi> = 1.</cell></row><lb/></table></p>
          <p>Diese Gleichungen hätten ebensogut zur Definition der Negation <hi rendition="#i">a</hi><hi rendition="#sub">1</hi><lb/>
von <hi rendition="#i">a</hi> verwendet werden können, muten jedoch dieser Negation schein-<lb/>
bar etwas mehr zu, als nur die obigen in ihnen mitenthaltenen beiden<lb/>
Subsumtionen zu erfüllen.</p><lb/>
          <p>Nach § 7, S. 214, können wir nun auch sagen: <hi rendition="#i">Negation eines<lb/>
Gebietes nennen wir ein solches Gebiet, welches zu demselben zugleich dis-<lb/>
junkt und supplementär ist.</hi></p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Zusatz</hi> 1 zu Def. (6). Zu einem Gebiete <hi rendition="#i">a</hi> kann es <hi rendition="#i">nicht mehr<lb/>
als eine</hi> Negation geben.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[302/0322] Siebente Vorlesung. lässt unsre Schreibweise wegen der Ähnlichkeit des Negationsstrichs mit dem Suffixum 1 es fortan weniger ratsam erscheinen, ein erstes, zweites, drittes etc. (in einer Untersuchung auftretendes) a etwa mit a1, a2, a3, … hier zu benennen. Hiefür kann man jedoch, da Potenzen ohnehin aus- geschlossen sind (Th. 14), nun mit a1, a2, a3, … sich sehr gut behelfen. In Bezug auf die Streitfrage zwischen Horizontal- und Vertikalstrich bei zu verneinenden Beziehungszeichen könnte übrigens Herrn Charles S. Peirce die Autorität seines Vaters Benjamin Peirce1 gegenübergestellt werden, mit dessen Bezeichnungsvorschlägen in seiner „Linear associative Algebra“ wir teilweise zusammentreffen. De Morgan, Jevons und Andere nehmen für Begriffe resp. Klassen und deren Negation die korrespondirenden Buchstaben aus dem grossen und kleinen Alphabete, bezeichnen die Negation von A mit a, sowie um- gekehrt — was nach Th. 31) zulässig. Dies ist nur durchführbar, insoweit blos „einfache“ Symbole in Betracht kommen (vergl. Anhang 2), verbietet sich indess, wenn das Negiren auch für zusammengesetzte Ausdrücke soll angedeutet werden können. Denn die Negation von A + B würde durch- aus nicht etwa a + b sein, u. s. w. — vergl. die Theoreme 36). Der Vor- schlag erscheint uns hier als gänzlich unannehmbar. Mit Worten nennen wir die Negation von a auch „Nicht-a“ oder „Non-a“. Indessen „non-a“, „non (a + b)“ etc. für unser a1, (a + b)1 in Formeln anzusetzen würde schwülstig („cumbrous“) werden. Definition (6), der Negation. „Negation“ eines Gebietes a nennen wir ein solches Gebiet a1, welches zu ihm in der Beziehung steht, dass zugleich: a a1 ⋹ 0 und 1 ⋹ a + a1 ist. Da nach Th. 5) ohnehin 0 ⋹ a a1 und a + a1 ⋹ 1 sein wird, so gelten dann kraft Def. (1) auch die beiden Sätze: 30) Theoreme. Allgemein ist: 30×) a a1 = 0. 30+) a + a1 = 1. Diese Gleichungen hätten ebensogut zur Definition der Negation a1 von a verwendet werden können, muten jedoch dieser Negation schein- bar etwas mehr zu, als nur die obigen in ihnen mitenthaltenen beiden Subsumtionen zu erfüllen. Nach § 7, S. 214, können wir nun auch sagen: Negation eines Gebietes nennen wir ein solches Gebiet, welches zu demselben zugleich dis- junkt und supplementär ist. Zusatz 1 zu Def. (6). Zu einem Gebiete a kann es nicht mehr als eine Negation geben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/322
Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/322>, abgerufen am 09.05.2024.