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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

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§ 5. Identische Multiplikation und Addition.
zu verwerten in der Lage sind und diesen Vorteil blos erkaufen müssen
durch rege Aufmerksamkeit auf die Punkte, wo jene Analogieen aufhören.

Eine gewisse Leichtigkeit, nicht blos Bezeichnungsweisen zu wechseln,
sondern mehr noch, solche umzudeuten, sie vom Einen auf's Andere zu
übertragen, ist auch anderwärts förderlich oder unentbehrlich gewesen, und
nirgends in der Mathematik darf man an der Bezeichnung kleben. Es ge-
nügt zu erinnern, an die Streckenrechnung, z. B., überhaupt an die zahl-
reichen "symbolischen" Rechnungsmethoden, welche Analysis und Geometrie
bereits aufweisen. --

Die identische Addition hat mit der arithmetischen, ihrem Wesen
nach, noch einige Verwandtschaft, die identische Multiplikation aber
mit der arithmetischen gar keine [vergl. § 9, o)].

Gleichwol rechtfertigt sich die übereinstimmende Bezeichnung von
beiderlei Operationen durch die durchgängige Übereinstimmung ihrer for-
malen Eigenschaften:
alle Gesetze, welche von der Addition und Mul-
tiplikation in der allgemeinen Arithmetik als allgemeine Formeln
gelten (also ohne Rücksicht auf die Natur der zu verknüpfenden Zahlen,
im ganzen Zahlengebiete) -- sei es in Bezug auf jene Operationen für
sich, sei es auch für ihre Verbindungen miteinander -- alle diese
Gesetze werden sich auch für die identischen Operationen als allgemein
gültig erweisen, und -- dazu noch einige mehr!

Nur wo die "umgekehrten" oder inversen Operationen von jenen
beiden, also die Subtraktion und Division mit in Betracht kommen,
hört die formale Übereinstimmung zwischen den arithmetischen und
den identischen "vier Spezies" zumeist auf.

Wir werden uns mit der identischen Subtraktion und Division
erst spät -- in der 12. Vorlesung -- beschäftigen, und zwar, um sie
dort für immer abzuthun, nämlich zu erkennen, dass diese Operationen
im identischen Kalkul definitiv entbehrt werden können, indem sie
ausreichend und am zweckmässigsten zu vertreten sind durch eine ein-
fachere dritte Operation, die Negation, welche als ein gemeinsamer
Spezialfall jener beiden erscheint.

Auch im identischen Kalkul mögen wir Addition und Multipli-
kation zu zwei verschiedenen (Operations-)Stufen rechnen. Während
aber in der Arithmetik die Addition als die ursprünglichere oder erste
Stufe vorangeschickt werden muss, um das Verständniss der Multipli-
kation als der zweiten Stufe vorzubereiten und zu erschliessen, steht
im identischen Kalkul die Reihenfolge der beiden Operationen in unserm
Belieben. Beide sind hier unabhängig von einander einzuführen; sie
sind gewissermassen ebenbürtig oder von gleichem Range. Schon um
dies zum Bewusstsein zu bringen, werde ich der Multiplikation hier

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§ 5. Identische Multiplikation und Addition.
zu verwerten in der Lage sind und diesen Vorteil blos erkaufen müssen
durch rege Aufmerksamkeit auf die Punkte, wo jene Analogieen aufhören.

Eine gewisse Leichtigkeit, nicht blos Bezeichnungsweisen zu wechseln,
sondern mehr noch, solche umzudeuten, sie vom Einen auf's Andere zu
übertragen, ist auch anderwärts förderlich oder unentbehrlich gewesen, und
nirgends in der Mathematik darf man an der Bezeichnung kleben. Es ge-
nügt zu erinnern, an die Streckenrechnung, z. B., überhaupt an die zahl-
reichen „symbolischen“ Rechnungsmethoden, welche Analysis und Geometrie
bereits aufweisen. —

Die identische Addition hat mit der arithmetischen, ihrem Wesen
nach, noch einige Verwandtschaft, die identische Multiplikation aber
mit der arithmetischen gar keine [vergl. § 9, ω)].

Gleichwol rechtfertigt sich die übereinstimmende Bezeichnung von
beiderlei Operationen durch die durchgängige Übereinstimmung ihrer for-
malen Eigenschaften:
alle Gesetze, welche von der Addition und Mul-
tiplikation in der allgemeinen Arithmetik als allgemeine Formeln
gelten (also ohne Rücksicht auf die Natur der zu verknüpfenden Zahlen,
im ganzen Zahlengebiete) — sei es in Bezug auf jene Operationen für
sich, sei es auch für ihre Verbindungen miteinander — alle diese
Gesetze werden sich auch für die identischen Operationen als allgemein
gültig erweisen, und — dazu noch einige mehr!

Nur wo die „umgekehrten“ oder inversen Operationen von jenen
beiden, also die Subtraktion und Division mit in Betracht kommen,
hört die formale Übereinstimmung zwischen den arithmetischen und
den identischen „vier Spezies“ zumeist auf.

Wir werden uns mit der identischen Subtraktion und Division
erst spät — in der 12. Vorlesung — beschäftigen, und zwar, um sie
dort für immer abzuthun, nämlich zu erkennen, dass diese Operationen
im identischen Kalkul definitiv entbehrt werden können, indem sie
ausreichend und am zweckmässigsten zu vertreten sind durch eine ein-
fachere dritte Operation, die Negation, welche als ein gemeinsamer
Spezialfall jener beiden erscheint.

Auch im identischen Kalkul mögen wir Addition und Multipli-
kation zu zwei verschiedenen (Operations-)Stufen rechnen. Während
aber in der Arithmetik die Addition als die ursprünglichere oder erste
Stufe vorangeschickt werden muss, um das Verständniss der Multipli-
kation als der zweiten Stufe vorzubereiten und zu erschliessen, steht
im identischen Kalkul die Reihenfolge der beiden Operationen in unserm
Belieben. Beide sind hier unabhängig von einander einzuführen; sie
sind gewissermassen ebenbürtig oder von gleichem Range. Schon um
dies zum Bewusstsein zu bringen, werde ich der Multiplikation hier

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[195/0215] § 5. Identische Multiplikation und Addition. zu verwerten in der Lage sind und diesen Vorteil blos erkaufen müssen durch rege Aufmerksamkeit auf die Punkte, wo jene Analogieen aufhören. Eine gewisse Leichtigkeit, nicht blos Bezeichnungsweisen zu wechseln, sondern mehr noch, solche umzudeuten, sie vom Einen auf's Andere zu übertragen, ist auch anderwärts förderlich oder unentbehrlich gewesen, und nirgends in der Mathematik darf man an der Bezeichnung kleben. Es ge- nügt zu erinnern, an die Streckenrechnung, z. B., überhaupt an die zahl- reichen „symbolischen“ Rechnungsmethoden, welche Analysis und Geometrie bereits aufweisen. — Die identische Addition hat mit der arithmetischen, ihrem Wesen nach, noch einige Verwandtschaft, die identische Multiplikation aber mit der arithmetischen gar keine [vergl. § 9, ω)]. Gleichwol rechtfertigt sich die übereinstimmende Bezeichnung von beiderlei Operationen durch die durchgängige Übereinstimmung ihrer for- malen Eigenschaften: alle Gesetze, welche von der Addition und Mul- tiplikation in der allgemeinen Arithmetik als allgemeine Formeln gelten (also ohne Rücksicht auf die Natur der zu verknüpfenden Zahlen, im ganzen Zahlengebiete) — sei es in Bezug auf jene Operationen für sich, sei es auch für ihre Verbindungen miteinander — alle diese Gesetze werden sich auch für die identischen Operationen als allgemein gültig erweisen, und — dazu noch einige mehr! Nur wo die „umgekehrten“ oder inversen Operationen von jenen beiden, also die Subtraktion und Division mit in Betracht kommen, hört die formale Übereinstimmung zwischen den arithmetischen und den identischen „vier Spezies“ zumeist auf. Wir werden uns mit der identischen Subtraktion und Division erst spät — in der 12. Vorlesung — beschäftigen, und zwar, um sie dort für immer abzuthun, nämlich zu erkennen, dass diese Operationen im identischen Kalkul definitiv entbehrt werden können, indem sie ausreichend und am zweckmässigsten zu vertreten sind durch eine ein- fachere dritte Operation, die Negation, welche als ein gemeinsamer Spezialfall jener beiden erscheint. Auch im identischen Kalkul mögen wir Addition und Multipli- kation zu zwei verschiedenen (Operations-)Stufen rechnen. Während aber in der Arithmetik die Addition als die ursprünglichere oder erste Stufe vorangeschickt werden muss, um das Verständniss der Multipli- kation als der zweiten Stufe vorzubereiten und zu erschliessen, steht im identischen Kalkul die Reihenfolge der beiden Operationen in unserm Belieben. Beide sind hier unabhängig von einander einzuführen; sie sind gewissermassen ebenbürtig oder von gleichem Range. Schon um dies zum Bewusstsein zu bringen, werde ich der Multiplikation hier 13*

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/215>, abgerufen am 23.11.2024.