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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

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Dritte Vorlesung.
f(a, b, c, ..)] dann nie unterscheiden kann, ob a, b, c, .. eine Gruppe, ein
System von mehreren Symbolen, oder aber ein einziges Symbol -- das Pro-
dukt der letztern -- vorstelle. Von diesem System der Schreibung kommt
Peirce auch selbst wieder in seinen späteren Aufsätzen -- und wie es
scheint, definitiv -- zurück. Im schriftlichen Arbeiten mag aber das Zei-
chen +, sich zuweilen empfehlen.

Neue Zeichen und Namen zu erfinden ist ja in der That nicht schwer,
und was die Namen betrifft, so hat gerade die Philosophie hierin die Welt
schon mit grossartigen Leistungen beglückt.

Wollten wir vor der bei der Arithmetik zu machenden Namenanleihe
zurückschrecken, so würden auch wir genötigt sein, ein ganzes Heer von
neuen Namen zu erfinden. Es würde bei weitem nicht genügen, neben
eigenen Zeichen zur Vertretung unsrer (von Boole schon eingeführten) 0
und 1, etwa blos für "Multiplikation, Faktor, Produkt" und "Addition,
Summand, Summe" neue Namen zu schaffen. Als solche wurden -- neben-
bei gesagt -- bereits "Composition, Componenten, Compositum ("compound")"
und "Aggregation, Aggreganten, Aggregat"*) von Augustus de Mor-
gan
2,3 verwendet. -- Es würde überdies die Folge sein, dass wir das
Summenzeichen S, das Produktenzeichen P durch andere Zeichen ersetzen
müssten, dass wir zeitweilig neue Namen einzuführen hätten auch eventuell für
"Potenz", für "Division, Quotient, Dividend und Divisor", für "Subtraktion,
Differenz, Minuend und Subtrahend", für "Abziehen" und "Vermindern",
für "mal, plus, durch und minus", und ausserdem noch für eine Menge
anderer Kunstausdrücke. Ich erinnere an: "Monom, Binom, Trinom, Poly-
nom", an "Koeffizient", an "Ausmultipliziren" (nach der Multiplikationsregel
für Polynome) und "Ausscheiden" (eines gemeinsamen Faktors), an die
Benennungen "Funktion" und "Argument", an "linear" und "homogen" (in
ihrer Anwendung auf den Funktionsbegriff), u. s. w.

Ein Blick auf den weiterhin dichter werdenden Formelinhalt dieses
Buches wird schon erkennen lassen, wie viel umständlicher und schwer-
fälliger derselbe sich darstellen müsste, wollten wir nur überall da, wo ein
Malzeichen steht oder gesetzt zu denken, zu unterstellen ist, ein ausdrück-
liches Knüpfungszeichen anbringen!

Erstrebenswerter als solche Neuerungen scheint es doch zu sein, mit
einer schon vorhandenen Nomenklatur, die sich auch unsern eigenartigen
Zwecken vorzüglich anpasst, haushälterisch auszukommen. Weigerten wir
uns dessen, so würde aber die schlimmste Wirkung die sein, dass wir ge-
nötigt wären, eine Menge aus der Arithmetik der vier Spezies allbekanuter
Sätze in dem fremdartigen Gewand, das sie alsdann notwendig zeigen
müssten, vollständig neu zu lernen. Bei dem Plan, den wir hier lieber
befolgen, haben wir dagegen den Vorteil, nicht nur, dass die zahlreichen
Analogieen und die minder zahlreichen Gegensätze zwischen dem identischen
und dem arithmetischen Kalkul auf das klarste zutage treten, sondern dass
wir auch einen ansehnlichen Teil unsrer Übung aus der allgemeinen Arith-
metik (freilich nur von der Tertia eines Gymnasiums her) hier ohne weiteres

* Indess der letztere Name ist ja auch in der Arithmetik bereits vergeben!

Dritte Vorlesung.
f(a, b, c, ‥)] dann nie unterscheiden kann, ob a, b, c, ‥ eine Gruppe, ein
System von mehreren Symbolen, oder aber ein einziges Symbol — das Pro-
dukt der letztern — vorstelle. Von diesem System der Schreibung kommt
Peirce auch selbst wieder in seinen späteren Aufsätzen — und wie es
scheint, definitiv — zurück. Im schriftlichen Arbeiten mag aber das Zei-
chen +, sich zuweilen empfehlen.

Neue Zeichen und Namen zu erfinden ist ja in der That nicht schwer,
und was die Namen betrifft, so hat gerade die Philosophie hierin die Welt
schon mit grossartigen Leistungen beglückt.

Wollten wir vor der bei der Arithmetik zu machenden Namenanleihe
zurückschrecken, so würden auch wir genötigt sein, ein ganzes Heer von
neuen Namen zu erfinden. Es würde bei weitem nicht genügen, neben
eigenen Zeichen zur Vertretung unsrer (von Boole schon eingeführten) 0
und 1, etwa blos für „Multiplikation, Faktor, Produkt“ und „Addition,
Summand, Summe“ neue Namen zu schaffen. Als solche wurden — neben-
bei gesagt — bereits „Composition, Componenten, Compositum („compound“)“
und „Aggregation, Aggreganten, Aggregat“*) von Augustus de Mor-
gan
2,3 verwendet. — Es würde überdies die Folge sein, dass wir das
Summenzeichen Σ, das Produktenzeichen Π durch andere Zeichen ersetzen
müssten, dass wir zeitweilig neue Namen einzuführen hätten auch eventuell für
„Potenz“, für „Division, Quotient, Dividend und Divisor“, für „Subtraktion,
Differenz, Minuend und Subtrahend“, für „Abziehen“ und „Vermindern“,
für „mal, plus, durch und minus“, und ausserdem noch für eine Menge
anderer Kunstausdrücke. Ich erinnere an: „Monom, Binom, Trinom, Poly-
nom“, an „Koeffizient“, an „Ausmultipliziren“ (nach der Multiplikationsregel
für Polynome) und „Ausscheiden“ (eines gemeinsamen Faktors), an die
Benennungen „Funktion“ und „Argument“, an „linear“ und „homogen“ (in
ihrer Anwendung auf den Funktionsbegriff), u. s. w.

Ein Blick auf den weiterhin dichter werdenden Formelinhalt dieses
Buches wird schon erkennen lassen, wie viel umständlicher und schwer-
fälliger derselbe sich darstellen müsste, wollten wir nur überall da, wo ein
Malzeichen steht oder gesetzt zu denken, zu unterstellen ist, ein ausdrück-
liches Knüpfungszeichen anbringen!

Erstrebenswerter als solche Neuerungen scheint es doch zu sein, mit
einer schon vorhandenen Nomenklatur, die sich auch unsern eigenartigen
Zwecken vorzüglich anpasst, haushälterisch auszukommen. Weigerten wir
uns dessen, so würde aber die schlimmste Wirkung die sein, dass wir ge-
nötigt wären, eine Menge aus der Arithmetik der vier Spezies allbekanuter
Sätze in dem fremdartigen Gewand, das sie alsdann notwendig zeigen
müssten, vollständig neu zu lernen. Bei dem Plan, den wir hier lieber
befolgen, haben wir dagegen den Vorteil, nicht nur, dass die zahlreichen
Analogieen und die minder zahlreichen Gegensätze zwischen dem identischen
und dem arithmetischen Kalkul auf das klarste zutage treten, sondern dass
wir auch einen ansehnlichen Teil unsrer Übung aus der allgemeinen Arith-
metik (freilich nur von der Tertia eines Gymnasiums her) hier ohne weiteres

* Indess der letztere Name ist ja auch in der Arithmetik bereits vergeben!
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[194/0214] Dritte Vorlesung. f(a, b, c, ‥)] dann nie unterscheiden kann, ob a, b, c, ‥ eine Gruppe, ein System von mehreren Symbolen, oder aber ein einziges Symbol — das Pro- dukt der letztern — vorstelle. Von diesem System der Schreibung kommt Peirce auch selbst wieder in seinen späteren Aufsätzen — und wie es scheint, definitiv — zurück. Im schriftlichen Arbeiten mag aber das Zei- chen +, sich zuweilen empfehlen. Neue Zeichen und Namen zu erfinden ist ja in der That nicht schwer, und was die Namen betrifft, so hat gerade die Philosophie hierin die Welt schon mit grossartigen Leistungen beglückt. Wollten wir vor der bei der Arithmetik zu machenden Namenanleihe zurückschrecken, so würden auch wir genötigt sein, ein ganzes Heer von neuen Namen zu erfinden. Es würde bei weitem nicht genügen, neben eigenen Zeichen zur Vertretung unsrer (von Boole schon eingeführten) 0 und 1, etwa blos für „Multiplikation, Faktor, Produkt“ und „Addition, Summand, Summe“ neue Namen zu schaffen. Als solche wurden — neben- bei gesagt — bereits „Composition, Componenten, Compositum („compound“)“ und „Aggregation, Aggreganten, Aggregat“ *) von Augustus de Mor- gan2,3 verwendet. — Es würde überdies die Folge sein, dass wir das Summenzeichen Σ, das Produktenzeichen Π durch andere Zeichen ersetzen müssten, dass wir zeitweilig neue Namen einzuführen hätten auch eventuell für „Potenz“, für „Division, Quotient, Dividend und Divisor“, für „Subtraktion, Differenz, Minuend und Subtrahend“, für „Abziehen“ und „Vermindern“, für „mal, plus, durch und minus“, und ausserdem noch für eine Menge anderer Kunstausdrücke. Ich erinnere an: „Monom, Binom, Trinom, Poly- nom“, an „Koeffizient“, an „Ausmultipliziren“ (nach der Multiplikationsregel für Polynome) und „Ausscheiden“ (eines gemeinsamen Faktors), an die Benennungen „Funktion“ und „Argument“, an „linear“ und „homogen“ (in ihrer Anwendung auf den Funktionsbegriff), u. s. w. Ein Blick auf den weiterhin dichter werdenden Formelinhalt dieses Buches wird schon erkennen lassen, wie viel umständlicher und schwer- fälliger derselbe sich darstellen müsste, wollten wir nur überall da, wo ein Malzeichen steht oder gesetzt zu denken, zu unterstellen ist, ein ausdrück- liches Knüpfungszeichen anbringen! Erstrebenswerter als solche Neuerungen scheint es doch zu sein, mit einer schon vorhandenen Nomenklatur, die sich auch unsern eigenartigen Zwecken vorzüglich anpasst, haushälterisch auszukommen. Weigerten wir uns dessen, so würde aber die schlimmste Wirkung die sein, dass wir ge- nötigt wären, eine Menge aus der Arithmetik der vier Spezies allbekanuter Sätze in dem fremdartigen Gewand, das sie alsdann notwendig zeigen müssten, vollständig neu zu lernen. Bei dem Plan, den wir hier lieber befolgen, haben wir dagegen den Vorteil, nicht nur, dass die zahlreichen Analogieen und die minder zahlreichen Gegensätze zwischen dem identischen und dem arithmetischen Kalkul auf das klarste zutage treten, sondern dass wir auch einen ansehnlichen Teil unsrer Übung aus der allgemeinen Arith- metik (freilich nur von der Tertia eines Gymnasiums her) hier ohne weiteres * Indess der letztere Name ist ja auch in der Arithmetik bereits vergeben!

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/214>, abgerufen am 27.04.2024.