Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

§ 4. Erste Grundlagen: Prinzip II.
fortan zu verwerfende Hypothese erkannt wird (vergl. Wundt
ibidem).

Wesentlich sind es übrigens andere Formen des Syllogismus (als der
bisher besprochene einfache Subsumtionsschluss II), welche in dieser Hin-
sicht in Betracht kommen, weshalb die weitere Ausführung der angeregten
Bemerkung auf die 20. Vorlesung zu versparen wäre.

Es gibt auch scheinbare Ausnahmen zu dem Prinzip II. Ohne die
Vollständigkeit der Aufzählung garantiren zu wollen, bemerke ich
deren von dreierlei Art. Als mehr nur auf ein Spiel mit Worten
hinauslaufend will ich dieselben im Nebentexte behandeln.

Zur Verdeutlichung der ersten Art von solchen Ausnahmen diene das
Beispiel (aus Jevons6):

"Hans ist kein Narr. Kein Narr eignet sich zur Bekleidung hoher
Staatsämter. Ergo: Hans eignet sich zur Bekleidung hoher Staatsämter."

Was hier als Mittelbegriff erscheint hat den verbalen Ausdruck "kein
Narr". Wir haben aber schon in § 2 hervorgehoben, dass "kein-a" über-
haupt nicht eine Klasse ist. Das wahre Subjekt des scheinbaren Ober-
satzes bildet die Klasse: "Jeder Narr", sein Prädikat: "ist ungeeignet zur
Bekleidung hoher Staatsämter". Was ferner als Untersatz erscheint, würde
für die Zwecke der Logik korrekter darzustellen sein, sei es in Gestalt
von: Hans "ist nicht" ein Narr, als die Verneinung des Satzes: Hans ist
ein Narr, sei es als negativ prädizirendes Urteil in Gestalt von: Hans ist
(ein) Nicht-Narr (d. h. bei gesundem Verstande). Welche von diesen beiden
Auffassungen maassgebend sein solle für das verneinende Urteil, bildet eine
bekannte Streitfrage unter den Philosophen, zu der wir erst in § 15
Stellung nehmen werden. Jedenfalls aber wird der Schluss nach Schema II
hiemit hinfällig; derselbe fällt auch nicht etwa unter das Schema irgend
eines andern gültigen Syllogismus. Bei der zweiten Auffassung sieht man
augenblicklich, dass gar kein Mittelglied vorhanden. Hier ist die Klasse
"Narr" Subjekt des einen, die Klasse "Nicht-Narr" Prädikat des andern
Satzes und statt dreien gehen also vier Glieder in die Prämissen ein (so-
genannnte "quaternio terminorum").

Auch eben hierauf, auf die "fallacia falsi medii", den ,Trugschluss"
(das "Sophisma") oder "Fehlschluss" (die "Paralogie", den ,Paralogismus)
des falschen Mittelgliedes -- Trugschluss oder Fehlschluss, je nach der
Absichtlichkeit oder Unabsichtlichkeit des unrichtigen Verfahrens -- läuft
auch die zweite der gedachten scheinbaren Ausnahmen hinaus.

Z. B. Aus dem Untersatz: "Rappen sind Pferde" und dem Obersatz:
"Pferde sind auf dem Rennplatze", folgt nicht mit Denknotwendigkeit der
Schluss: "Rappen sind auf dem Rennplatze".

Denn während der Untersatz dasselbe besagt, wie "Alle Rappen sind
Pferde", m. a. W. die (ganze) Klasse der Rappen ist enthalten in der Klasse
der Pferde, während also der Untersatz ein wirklich "universales" Urteil
ist, trifft solches bei dem vermeintlichen Obersatze nicht zu. Vielmehr
ist der Sinn dieses in der That unvollständigen Ausspruches eigentlich nur
der: "Gewisse (oder Einige) Pferde sind auf dem Rennplatze", und dieser

12*

§ 4. Erste Grundlagen: Prinzip II.
fortan zu verwerfende Hypothese erkannt wird (vergl. Wundt
ibidem).

Wesentlich sind es übrigens andere Formen des Syllogismus (als der
bisher besprochene einfache Subsumtionsschluss II), welche in dieser Hin-
sicht in Betracht kommen, weshalb die weitere Ausführung der angeregten
Bemerkung auf die 20. Vorlesung zu versparen wäre.

Es gibt auch scheinbare Ausnahmen zu dem Prinzip II. Ohne die
Vollständigkeit der Aufzählung garantiren zu wollen, bemerke ich
deren von dreierlei Art. Als mehr nur auf ein Spiel mit Worten
hinauslaufend will ich dieselben im Nebentexte behandeln.

Zur Verdeutlichung der ersten Art von solchen Ausnahmen diene das
Beispiel (aus Jevons6):

„Hans ist kein Narr. Kein Narr eignet sich zur Bekleidung hoher
Staatsämter. Ergo: Hans eignet sich zur Bekleidung hoher Staatsämter.“

Was hier als Mittelbegriff erscheint hat den verbalen Ausdruck „kein
Narr“. Wir haben aber schon in § 2 hervorgehoben, dass „kein-a“ über-
haupt nicht eine Klasse ist. Das wahre Subjekt des scheinbaren Ober-
satzes bildet die Klasse: „Jeder Narr“, sein Prädikat: „ist ungeeignet zur
Bekleidung hoher Staatsämter“. Was ferner als Untersatz erscheint, würde
für die Zwecke der Logik korrekter darzustellen sein, sei es in Gestalt
von: Hans »ist nicht« ein Narr, als die Verneinung des Satzes: Hans ist
ein Narr, sei es als negativ prädizirendes Urteil in Gestalt von: Hans ist
(ein) Nicht-Narr (d. h. bei gesundem Verstande). Welche von diesen beiden
Auffassungen maassgebend sein solle für das verneinende Urteil, bildet eine
bekannte Streitfrage unter den Philosophen, zu der wir erst in § 15
Stellung nehmen werden. Jedenfalls aber wird der Schluss nach Schema II
hiemit hinfällig; derselbe fällt auch nicht etwa unter das Schema irgend
eines andern gültigen Syllogismus. Bei der zweiten Auffassung sieht man
augenblicklich, dass gar kein Mittelglied vorhanden. Hier ist die Klasse
„Narr“ Subjekt des einen, die Klasse „Nicht-Narr“ Prädikat des andern
Satzes und statt dreien gehen also vier Glieder in die Prämissen ein (so-
genannnte „quaternio terminorum“).

Auch eben hierauf, auf die „fallacia falsi medii“, den ‚Trugschluss
(das „Sophisma“) oder „Fehlschluss“ (die „Paralogie“, den ‚Paralogismus)
des falschen Mittelgliedes — Trugschluss oder Fehlschluss, je nach der
Absichtlichkeit oder Unabsichtlichkeit des unrichtigen Verfahrens — läuft
auch die zweite der gedachten scheinbaren Ausnahmen hinaus.

Z. B. Aus dem Untersatz: „Rappen sind Pferde“ und dem Obersatz:
„Pferde sind auf dem Rennplatze“, folgt nicht mit Denknotwendigkeit der
Schluss: „Rappen sind auf dem Rennplatze“.

Denn während der Untersatz dasselbe besagt, wie „Alle Rappen sind
Pferde“, m. a. W. die (ganze) Klasse der Rappen ist enthalten in der Klasse
der Pferde, während also der Untersatz ein wirklich „universales“ Urteil
ist, trifft solches bei dem vermeintlichen Obersatze nicht zu. Vielmehr
ist der Sinn dieses in der That unvollständigen Ausspruches eigentlich nur
der: „Gewisse (oder Einige) Pferde sind auf dem Rennplatze“, und dieser

12*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0199" n="179"/><fw place="top" type="header">§ 4. Erste Grundlagen: Prinzip II.</fw><lb/>
fortan zu verwerfende Hypothese erkannt wird (vergl. <hi rendition="#g">Wundt</hi><lb/>
ibidem).</p><lb/>
          <p>Wesentlich sind es übrigens <hi rendition="#i">andere</hi> Formen des Syllogismus (als der<lb/>
bisher besprochene einfache Subsumtionsschluss II), welche in dieser Hin-<lb/>
sicht in Betracht kommen, weshalb die weitere Ausführung der angeregten<lb/>
Bemerkung auf die 20. Vorlesung zu versparen wäre.</p><lb/>
          <p>Es gibt auch <hi rendition="#i">scheinbare</hi> Ausnahmen zu dem Prinzip II. Ohne die<lb/>
Vollständigkeit der Aufzählung garantiren zu wollen, bemerke ich<lb/>
deren von dreierlei Art. Als mehr nur auf ein Spiel mit Worten<lb/>
hinauslaufend will ich dieselben im Nebentexte behandeln.</p><lb/>
          <p>Zur Verdeutlichung der <hi rendition="#i">ersten</hi> Art von solchen Ausnahmen diene das<lb/>
Beispiel (aus <hi rendition="#g">Jevons</hi><hi rendition="#sup">6</hi>):</p><lb/>
          <p>&#x201E;Hans ist <hi rendition="#i">kein Narr</hi>. <hi rendition="#i">Kein Narr</hi> eignet sich zur Bekleidung hoher<lb/>
Staatsämter. Ergo: Hans eignet sich zur Bekleidung hoher Staatsämter.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Was hier als Mittelbegriff erscheint hat den verbalen Ausdruck &#x201E;kein<lb/>
Narr&#x201C;. Wir haben aber schon in § 2 hervorgehoben, dass &#x201E;kein-<hi rendition="#i">a</hi>&#x201C; über-<lb/>
haupt nicht eine Klasse ist. Das wahre Subjekt des scheinbaren Ober-<lb/>
satzes bildet die Klasse: &#x201E;Jeder Narr&#x201C;, sein Prädikat: &#x201E;ist ungeeignet zur<lb/>
Bekleidung hoher Staatsämter&#x201C;. Was ferner als Untersatz erscheint, würde<lb/>
für die Zwecke der Logik korrekter darzustellen sein, sei es in Gestalt<lb/>
von: Hans »ist nicht« ein Narr, als die Verneinung des Satzes: Hans ist<lb/>
ein Narr, sei es als negativ prädizirendes Urteil in Gestalt von: Hans ist<lb/>
(ein) Nicht-Narr (d. h. bei gesundem Verstande). Welche von diesen beiden<lb/>
Auffassungen maassgebend sein solle für das verneinende Urteil, bildet eine<lb/>
bekannte Streitfrage unter den Philosophen, zu der wir erst in § 15<lb/>
Stellung nehmen werden. Jedenfalls aber wird der Schluss nach Schema II<lb/>
hiemit hinfällig; derselbe fällt auch nicht etwa unter das Schema irgend<lb/>
eines andern gültigen Syllogismus. Bei der zweiten Auffassung sieht man<lb/>
augenblicklich, dass gar kein Mittelglied vorhanden. Hier ist die Klasse<lb/>
&#x201E;Narr&#x201C; Subjekt des einen, die Klasse &#x201E;Nicht-Narr&#x201C; Prädikat des andern<lb/>
Satzes und statt dreien gehen also vier Glieder in die Prämissen ein (so-<lb/>
genannnte &#x201E;quaternio terminorum&#x201C;).</p><lb/>
          <p>Auch eben hierauf, auf die &#x201E;<hi rendition="#i">fallacia</hi> falsi medii&#x201C;, den &#x201A;<hi rendition="#i">Trugschluss</hi>&#x201C;<lb/>
(das &#x201E;<hi rendition="#i">Sophisma</hi>&#x201C;) oder &#x201E;<hi rendition="#i">Fehlschluss</hi>&#x201C; (die &#x201E;<hi rendition="#i">Paralogie</hi>&#x201C;, den &#x201A;Paralogismus)<lb/>
des falschen Mittelgliedes &#x2014; Trugschluss oder Fehlschluss, je nach der<lb/>
Absichtlichkeit oder Unabsichtlichkeit des unrichtigen Verfahrens &#x2014; läuft<lb/>
auch die <hi rendition="#i">zweite</hi> der gedachten scheinbaren Ausnahmen hinaus.</p><lb/>
          <p>Z. B. Aus dem Untersatz: &#x201E;Rappen sind Pferde&#x201C; und dem Obersatz:<lb/>
&#x201E;Pferde sind auf dem Rennplatze&#x201C;, folgt <hi rendition="#i">nicht</hi> mit Denknotwendigkeit der<lb/>
Schluss: &#x201E;Rappen sind auf dem Rennplatze&#x201C;.</p><lb/>
          <p>Denn während der Untersatz dasselbe besagt, wie &#x201E;Alle Rappen sind<lb/>
Pferde&#x201C;, m. a. W. die (ganze) Klasse der Rappen ist enthalten in der Klasse<lb/>
der Pferde, während also der Untersatz ein wirklich &#x201E;universales&#x201C; Urteil<lb/>
ist, trifft solches bei dem vermeintlichen Obersatze nicht zu. Vielmehr<lb/>
ist der Sinn dieses in der That unvollständigen Ausspruches eigentlich nur<lb/>
der: &#x201E;<hi rendition="#i">Gewisse</hi> (oder Einige) Pferde sind auf dem Rennplatze&#x201C;, und dieser<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">12*</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[179/0199] § 4. Erste Grundlagen: Prinzip II. fortan zu verwerfende Hypothese erkannt wird (vergl. Wundt ibidem). Wesentlich sind es übrigens andere Formen des Syllogismus (als der bisher besprochene einfache Subsumtionsschluss II), welche in dieser Hin- sicht in Betracht kommen, weshalb die weitere Ausführung der angeregten Bemerkung auf die 20. Vorlesung zu versparen wäre. Es gibt auch scheinbare Ausnahmen zu dem Prinzip II. Ohne die Vollständigkeit der Aufzählung garantiren zu wollen, bemerke ich deren von dreierlei Art. Als mehr nur auf ein Spiel mit Worten hinauslaufend will ich dieselben im Nebentexte behandeln. Zur Verdeutlichung der ersten Art von solchen Ausnahmen diene das Beispiel (aus Jevons6): „Hans ist kein Narr. Kein Narr eignet sich zur Bekleidung hoher Staatsämter. Ergo: Hans eignet sich zur Bekleidung hoher Staatsämter.“ Was hier als Mittelbegriff erscheint hat den verbalen Ausdruck „kein Narr“. Wir haben aber schon in § 2 hervorgehoben, dass „kein-a“ über- haupt nicht eine Klasse ist. Das wahre Subjekt des scheinbaren Ober- satzes bildet die Klasse: „Jeder Narr“, sein Prädikat: „ist ungeeignet zur Bekleidung hoher Staatsämter“. Was ferner als Untersatz erscheint, würde für die Zwecke der Logik korrekter darzustellen sein, sei es in Gestalt von: Hans »ist nicht« ein Narr, als die Verneinung des Satzes: Hans ist ein Narr, sei es als negativ prädizirendes Urteil in Gestalt von: Hans ist (ein) Nicht-Narr (d. h. bei gesundem Verstande). Welche von diesen beiden Auffassungen maassgebend sein solle für das verneinende Urteil, bildet eine bekannte Streitfrage unter den Philosophen, zu der wir erst in § 15 Stellung nehmen werden. Jedenfalls aber wird der Schluss nach Schema II hiemit hinfällig; derselbe fällt auch nicht etwa unter das Schema irgend eines andern gültigen Syllogismus. Bei der zweiten Auffassung sieht man augenblicklich, dass gar kein Mittelglied vorhanden. Hier ist die Klasse „Narr“ Subjekt des einen, die Klasse „Nicht-Narr“ Prädikat des andern Satzes und statt dreien gehen also vier Glieder in die Prämissen ein (so- genannnte „quaternio terminorum“). Auch eben hierauf, auf die „fallacia falsi medii“, den ‚Trugschluss“ (das „Sophisma“) oder „Fehlschluss“ (die „Paralogie“, den ‚Paralogismus) des falschen Mittelgliedes — Trugschluss oder Fehlschluss, je nach der Absichtlichkeit oder Unabsichtlichkeit des unrichtigen Verfahrens — läuft auch die zweite der gedachten scheinbaren Ausnahmen hinaus. Z. B. Aus dem Untersatz: „Rappen sind Pferde“ und dem Obersatz: „Pferde sind auf dem Rennplatze“, folgt nicht mit Denknotwendigkeit der Schluss: „Rappen sind auf dem Rennplatze“. Denn während der Untersatz dasselbe besagt, wie „Alle Rappen sind Pferde“, m. a. W. die (ganze) Klasse der Rappen ist enthalten in der Klasse der Pferde, während also der Untersatz ein wirklich „universales“ Urteil ist, trifft solches bei dem vermeintlichen Obersatze nicht zu. Vielmehr ist der Sinn dieses in der That unvollständigen Ausspruches eigentlich nur der: „Gewisse (oder Einige) Pferde sind auf dem Rennplatze“, und dieser 12*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/199
Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/199>, abgerufen am 27.04.2024.