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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

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Erste Vorlesung.
es darum ratsam sein, auf das Anwendungsfeld d) schon frühzeitig zu
achten, gelegentlich auch auf dieses einen Seitenblick zu werfen. Syste-
matisch wird ja auf dasselbe allerdings erst später, mit Band 2 erst ein-
zugehen sein. Aus dem angedeuteten didaktischen Grunde aber sei vor-
greifend schon hier bemerkt, dass im Aussagenkalkul einer Subsumtion
a b die Bedeutung zukommen wird: Wann die Aussage a gilt, gilt auch
die Aussage b, jene zieht diese nach sich, m. a. W.: Aus a folgt b.

Die wichtigste Rolle muss naturgemäss solchen Klassen zufallen,
welche als der "Umfang" von (gewissen, denselben zugeordneten) Be-
griffen bestimmt erscheinen. Doch ist wie bereits unter g3) der Einlei-
tung betont, die Rechnung mit Klassen noch umfassender als die Rech-
nung mit Begriffsumfängen, sofern man jeweils zu vorübergehenden
Zwecken, ja sogar in völlig willkürlicher Auswahl, auch die allerhete-
rogensten Dinge in eine Klasse wird zusammengefasst denken dürfen.

Die Benennung als "Umfang" eines Begriffes, welche wir von der
scholastischen Logik überkommen haben, um die Klasse oder Gesamt-
heit aller derjenigen Individuen zu bezeichnen, welche "zu der Kate-
gorie des betreffenden Begriffes gehören", diese Benennung erscheint
-- im Hinblick schon auf deren Versinnlichung mittelst Euler'scher
Diagramme -- als eine ziemlich unglücklich gewählte. Es sind ja
keineswegs die "Umfänge" oder Peripherieen der Euler'schen Kreise,
es sind nicht die Konturen der Flächengebiete, welche uns im iden-
tischen Kalkul die "Begriffsumfänge" zu versinnlichen haben, sondern
allemal diese Kreisflächen selber resp. die Flächengebiete mit allem
was sie in sich enthalten. Viel passender hiefür erscheint das eng-
lische "extent", welches ganz wohl mit "Ausdehnung" oder "Erstreckung"
des Begriffes im Deutschen wiedergegeben werden könnte. Doch sind
wir nicht in der Lage, eine Jahrhunderte alte und ganz allgemein
acceptirte logische Terminologie umstossen zu können, und müssen
uns damit begnügen, auf das Verfängliche der Benennung einmal hier
aufmerksam gemacht zu haben.

Noch ist zu betonen, dass wir bei den Anwendungen der Theorie
auf Klassen immer nur scharfumgrenzte oder, wie man sagen kann
"wohldefinirte" Klassen im Auge haben werden.

Es wird vorausgesetzt, dass in Bezug auf kein Ding oder irgend
mögliches Objekt des Denkens einem Zweifel Raum gelassen sei, ob
es zu der gedachten Klasse gehöre oder nicht.

Dies ist zunächst der Fall, sobald die Individuen der Klasse sich
vollständig haben aufzählen lassen.

Häufig aber werden die (zu betrachtenden) Klassen "offene" sein,
Klassen von einer unbegrenzten Individuenzahl, deren Individuen also

Erste Vorlesung.
es darum ratsam sein, auf das Anwendungsfeld δ) schon frühzeitig zu
achten, gelegentlich auch auf dieses einen Seitenblick zu werfen. Syste-
matisch wird ja auf dasselbe allerdings erst später, mit Band 2 erst ein-
zugehen sein. Aus dem angedeuteten didaktischen Grunde aber sei vor-
greifend schon hier bemerkt, dass im Aussagenkalkul einer Subsumtion
ab die Bedeutung zukommen wird: Wann die Aussage a gilt, gilt auch
die Aussage b, jene zieht diese nach sich, m. a. W.: Aus a folgt b.

Die wichtigste Rolle muss naturgemäss solchen Klassen zufallen,
welche als der „Umfang“ von (gewissen, denselben zugeordneten) Be-
griffen bestimmt erscheinen. Doch ist wie bereits unter γ3) der Einlei-
tung betont, die Rechnung mit Klassen noch umfassender als die Rech-
nung mit Begriffsumfängen, sofern man jeweils zu vorübergehenden
Zwecken, ja sogar in völlig willkürlicher Auswahl, auch die allerhete-
rogensten Dinge in eine Klasse wird zusammengefasst denken dürfen.

Die Benennung als „Umfang“ eines Begriffes, welche wir von der
scholastischen Logik überkommen haben, um die Klasse oder Gesamt-
heit aller derjenigen Individuen zu bezeichnen, welche „zu der Kate-
gorie des betreffenden Begriffes gehören“, diese Benennung erscheint
— im Hinblick schon auf deren Versinnlichung mittelst Euler'scher
Diagramme — als eine ziemlich unglücklich gewählte. Es sind ja
keineswegs die „Umfänge“ oder Peripherieen der Euler'schen Kreise,
es sind nicht die Konturen der Flächengebiete, welche uns im iden-
tischen Kalkul die „Begriffsumfänge“ zu versinnlichen haben, sondern
allemal diese Kreisflächen selber resp. die Flächengebiete mit allem
was sie in sich enthalten. Viel passender hiefür erscheint das eng-
lische „extent“, welches ganz wohl mit „Ausdehnung“ oder „Erstreckung
des Begriffes im Deutschen wiedergegeben werden könnte. Doch sind
wir nicht in der Lage, eine Jahrhunderte alte und ganz allgemein
acceptirte logische Terminologie umstossen zu können, und müssen
uns damit begnügen, auf das Verfängliche der Benennung einmal hier
aufmerksam gemacht zu haben.

Noch ist zu betonen, dass wir bei den Anwendungen der Theorie
auf Klassen immer nur scharfumgrenzte oder, wie man sagen kann
wohldefinirte“ Klassen im Auge haben werden.

Es wird vorausgesetzt, dass in Bezug auf kein Ding oder irgend
mögliches Objekt des Denkens einem Zweifel Raum gelassen sei, ob
es zu der gedachten Klasse gehöre oder nicht.

Dies ist zunächst der Fall, sobald die Individuen der Klasse sich
vollständig haben aufzählen lassen.

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[162/0182] Erste Vorlesung. es darum ratsam sein, auf das Anwendungsfeld δ) schon frühzeitig zu achten, gelegentlich auch auf dieses einen Seitenblick zu werfen. Syste- matisch wird ja auf dasselbe allerdings erst später, mit Band 2 erst ein- zugehen sein. Aus dem angedeuteten didaktischen Grunde aber sei vor- greifend schon hier bemerkt, dass im Aussagenkalkul einer Subsumtion a ⋹ b die Bedeutung zukommen wird: Wann die Aussage a gilt, gilt auch die Aussage b, jene zieht diese nach sich, m. a. W.: Aus a folgt b. Die wichtigste Rolle muss naturgemäss solchen Klassen zufallen, welche als der „Umfang“ von (gewissen, denselben zugeordneten) Be- griffen bestimmt erscheinen. Doch ist wie bereits unter γ3) der Einlei- tung betont, die Rechnung mit Klassen noch umfassender als die Rech- nung mit Begriffsumfängen, sofern man jeweils zu vorübergehenden Zwecken, ja sogar in völlig willkürlicher Auswahl, auch die allerhete- rogensten Dinge in eine Klasse wird zusammengefasst denken dürfen. Die Benennung als „Umfang“ eines Begriffes, welche wir von der scholastischen Logik überkommen haben, um die Klasse oder Gesamt- heit aller derjenigen Individuen zu bezeichnen, welche „zu der Kate- gorie des betreffenden Begriffes gehören“, diese Benennung erscheint — im Hinblick schon auf deren Versinnlichung mittelst Euler'scher Diagramme — als eine ziemlich unglücklich gewählte. Es sind ja keineswegs die „Umfänge“ oder Peripherieen der Euler'schen Kreise, es sind nicht die Konturen der Flächengebiete, welche uns im iden- tischen Kalkul die „Begriffsumfänge“ zu versinnlichen haben, sondern allemal diese Kreisflächen selber resp. die Flächengebiete mit allem was sie in sich enthalten. Viel passender hiefür erscheint das eng- lische „extent“, welches ganz wohl mit „Ausdehnung“ oder „Erstreckung“ des Begriffes im Deutschen wiedergegeben werden könnte. Doch sind wir nicht in der Lage, eine Jahrhunderte alte und ganz allgemein acceptirte logische Terminologie umstossen zu können, und müssen uns damit begnügen, auf das Verfängliche der Benennung einmal hier aufmerksam gemacht zu haben. Noch ist zu betonen, dass wir bei den Anwendungen der Theorie auf Klassen immer nur scharfumgrenzte oder, wie man sagen kann „wohldefinirte“ Klassen im Auge haben werden. Es wird vorausgesetzt, dass in Bezug auf kein Ding oder irgend mögliches Objekt des Denkens einem Zweifel Raum gelassen sei, ob es zu der gedachten Klasse gehöre oder nicht. Dies ist zunächst der Fall, sobald die Individuen der Klasse sich vollständig haben aufzählen lassen. Häufig aber werden die (zu betrachtenden) Klassen „offene“ sein, Klassen von einer unbegrenzten Individuenzahl, deren Individuen also

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/182>, abgerufen am 27.04.2024.