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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

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§ 3. Identischer Kalkul mit Gebieten einer Mannigfaltigkeit.
a), entwickelten und uns dabei aller Seitenblicke auf seine ander-
weitigen Anwendungen zunächst enthielten. Dieser Vorteil würde in-
dess erkauft durch eine Reihe von, in meinem Dafürhalten schwer-
wiegenden pädagogischen Nachteilen: man würde, vor allem, gar lange
nicht abzusehen vermögen, zu was überhaupt die Betrachtungen gut
sind, und weshalb sie angestellt werden. Zudem handelt es sich doch
auch darum, den deutschen Leserkreis erst einigermassen heranzu-
ziehen zu dem Gebrauch dieses Kalkuls, zu welchem ja Übungsbücher
oder Aufgabensammlungen im Deutschen noch nicht existiren, wo-
gegen in der englischen Literatur bereits manche Werke diesen Cha-
rakter in beträchtlichem Umfange ausgeprägt zeigen. Jede Illustration
aber von theoretischen Sätzen durch Beispiele auf einem Anwendungs-
felde muss hier den Wert einer Übung im Gebrauch der zu erlernen-
den Zeichensprache noch nebenher besitzen.

Aus diesen Gründen erscheint es mir als höchst wünschenswert
bei der Entwickelung der Theorie des identischen Kalkuls sogleich ein
Anwendungsgebiet von einigermassen praktischer Natur zur Verfügung
zu haben, und wähle ich als das nächstliegende das Anwendungsfeld
b), dasjenige Gebiet also, welches ja den Ausgangspunkt unsrer Be-
trachtungen von vornherein gebildet hat, und die Idee zur Gründung
einer selbständigen Hülfsdisziplin auf dem Felde a) erst seinerseits
anregte.

Auf dieses Anwendungsfeld b) werden wir, nunmehr von a) aus-
gehend, hinübergeleitet durch die Bemerkung, den Hinweis darauf:
dass die "Elemente" unsrer Mannigfaltigkeit auch sogenannte "Indi-
viduen
" sein können, wo dann die "Gebiete" dieser Mannigfaltigkeit
zu bezeichnen sein werden als Systeme, und wenn man will als
"Klassen" von solchen Individuen. Als dergleichen "Individuen" mögen
irgendwelche Objekte des Denkens, sofern sie überhaupt in Gedanken
isolirbar sind, zunächst hingestellt werden, und die ganze Mannigfaltig-
keit wird dabei erscheinen als eine all' jenen Klassen übergeordnete
allgemeinere oder umfassendere Klasse, wofern sie nicht etwa als die
Mannigfaltigkeit des Denkbaren überhaupt sich wird ansehen lassen.

Anmerkung. Nächst dem Anwendungsfelde b) des identischen Kal-
kuls -- das ist dem mit dem "Gebietekalkul" a) auf das engste verwandten
"Klassenkalkul" -- ist als das wichtigste dessen Anwendungsfeld d) her-
vorzuheben, das ist der "Aussagenkalkul" (von McColl als "calculus of
equivalent statements" bezeichnet). Müssen wir doch all' unsre Über-
legungen und Beweise vollziehen in Gestalt einer Reihenfolge von Aussagen!

Um dessen, was wir dabei thun, jeweils vollkommen inne zu werden,
über einen jeden unsrer Schritte uns klarste Rechenschaft abzulegen, wird

Schröder, Algebra der Logik. 11

§ 3. Identischer Kalkul mit Gebieten einer Mannigfaltigkeit.
α), entwickelten und uns dabei aller Seitenblicke auf seine ander-
weitigen Anwendungen zunächst enthielten. Dieser Vorteil würde in-
dess erkauft durch eine Reihe von, in meinem Dafürhalten schwer-
wiegenden pädagogischen Nachteilen: man würde, vor allem, gar lange
nicht abzusehen vermögen, zu was überhaupt die Betrachtungen gut
sind, und weshalb sie angestellt werden. Zudem handelt es sich doch
auch darum, den deutschen Leserkreis erst einigermassen heranzu-
ziehen zu dem Gebrauch dieses Kalkuls, zu welchem ja Übungsbücher
oder Aufgabensammlungen im Deutschen noch nicht existiren, wo-
gegen in der englischen Literatur bereits manche Werke diesen Cha-
rakter in beträchtlichem Umfange ausgeprägt zeigen. Jede Illustration
aber von theoretischen Sätzen durch Beispiele auf einem Anwendungs-
felde muss hier den Wert einer Übung im Gebrauch der zu erlernen-
den Zeichensprache noch nebenher besitzen.

Aus diesen Gründen erscheint es mir als höchst wünschenswert
bei der Entwickelung der Theorie des identischen Kalkuls sogleich ein
Anwendungsgebiet von einigermassen praktischer Natur zur Verfügung
zu haben, und wähle ich als das nächstliegende das Anwendungsfeld
β), dasjenige Gebiet also, welches ja den Ausgangspunkt unsrer Be-
trachtungen von vornherein gebildet hat, und die Idee zur Gründung
einer selbständigen Hülfsdisziplin auf dem Felde α) erst seinerseits
anregte.

Auf dieses Anwendungsfeld β) werden wir, nunmehr von α) aus-
gehend, hinübergeleitet durch die Bemerkung, den Hinweis darauf:
dass die „Elemente“ unsrer Mannigfaltigkeit auch sogenannte „Indi-
viduen
“ sein können, wo dann die „Gebiete“ dieser Mannigfaltigkeit
zu bezeichnen sein werden als Systeme, und wenn man will als
Klassen“ von solchen Individuen. Als dergleichen „Individuen“ mögen
irgendwelche Objekte des Denkens, sofern sie überhaupt in Gedanken
isolirbar sind, zunächst hingestellt werden, und die ganze Mannigfaltig-
keit wird dabei erscheinen als eine all' jenen Klassen übergeordnete
allgemeinere oder umfassendere Klasse, wofern sie nicht etwa als die
Mannigfaltigkeit des Denkbaren überhaupt sich wird ansehen lassen.

Anmerkung. Nächst dem Anwendungsfelde β) des identischen Kal-
kuls — das ist dem mit dem „Gebietekalkul“ α) auf das engste verwandten
„Klassenkalkul“ — ist als das wichtigste dessen Anwendungsfeld δ) her-
vorzuheben, das ist der „Aussagenkalkul“ (von McColl als „calculus of
equivalent statements“ bezeichnet). Müssen wir doch all' unsre Über-
legungen und Beweise vollziehen in Gestalt einer Reihenfolge von Aussagen!

Um dessen, was wir dabei thun, jeweils vollkommen inne zu werden,
über einen jeden unsrer Schritte uns klarste Rechenschaft abzulegen, wird

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[161/0181] § 3. Identischer Kalkul mit Gebieten einer Mannigfaltigkeit. α), entwickelten und uns dabei aller Seitenblicke auf seine ander- weitigen Anwendungen zunächst enthielten. Dieser Vorteil würde in- dess erkauft durch eine Reihe von, in meinem Dafürhalten schwer- wiegenden pädagogischen Nachteilen: man würde, vor allem, gar lange nicht abzusehen vermögen, zu was überhaupt die Betrachtungen gut sind, und weshalb sie angestellt werden. Zudem handelt es sich doch auch darum, den deutschen Leserkreis erst einigermassen heranzu- ziehen zu dem Gebrauch dieses Kalkuls, zu welchem ja Übungsbücher oder Aufgabensammlungen im Deutschen noch nicht existiren, wo- gegen in der englischen Literatur bereits manche Werke diesen Cha- rakter in beträchtlichem Umfange ausgeprägt zeigen. Jede Illustration aber von theoretischen Sätzen durch Beispiele auf einem Anwendungs- felde muss hier den Wert einer Übung im Gebrauch der zu erlernen- den Zeichensprache noch nebenher besitzen. Aus diesen Gründen erscheint es mir als höchst wünschenswert bei der Entwickelung der Theorie des identischen Kalkuls sogleich ein Anwendungsgebiet von einigermassen praktischer Natur zur Verfügung zu haben, und wähle ich als das nächstliegende das Anwendungsfeld β), dasjenige Gebiet also, welches ja den Ausgangspunkt unsrer Be- trachtungen von vornherein gebildet hat, und die Idee zur Gründung einer selbständigen Hülfsdisziplin auf dem Felde α) erst seinerseits anregte. Auf dieses Anwendungsfeld β) werden wir, nunmehr von α) aus- gehend, hinübergeleitet durch die Bemerkung, den Hinweis darauf: dass die „Elemente“ unsrer Mannigfaltigkeit auch sogenannte „Indi- viduen“ sein können, wo dann die „Gebiete“ dieser Mannigfaltigkeit zu bezeichnen sein werden als Systeme, und wenn man will als „Klassen“ von solchen Individuen. Als dergleichen „Individuen“ mögen irgendwelche Objekte des Denkens, sofern sie überhaupt in Gedanken isolirbar sind, zunächst hingestellt werden, und die ganze Mannigfaltig- keit wird dabei erscheinen als eine all' jenen Klassen übergeordnete allgemeinere oder umfassendere Klasse, wofern sie nicht etwa als die Mannigfaltigkeit des Denkbaren überhaupt sich wird ansehen lassen. Anmerkung. Nächst dem Anwendungsfelde β) des identischen Kal- kuls — das ist dem mit dem „Gebietekalkul“ α) auf das engste verwandten „Klassenkalkul“ — ist als das wichtigste dessen Anwendungsfeld δ) her- vorzuheben, das ist der „Aussagenkalkul“ (von McColl als „calculus of equivalent statements“ bezeichnet). Müssen wir doch all' unsre Über- legungen und Beweise vollziehen in Gestalt einer Reihenfolge von Aussagen! Um dessen, was wir dabei thun, jeweils vollkommen inne zu werden, über einen jeden unsrer Schritte uns klarste Rechenschaft abzulegen, wird Schröder, Algebra der Logik. 11

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/181>, abgerufen am 22.11.2024.