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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

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§ 2. Darstellbarkeit der Urteile als Subsumtionsurteile.
und drückt wenigstens einen Teil des (logischen) Inhalts unsrer Urteile
richtig aus.

Zu derselben muss aber, um die Urteile vollständig wiederzugeben,
noch etwas hinzugefügt werden, und zwar in dem zweiten, dem Falle der
Gleichheit a = b, wo eben das Urteil auch umgekehrt gilt, invertibel oder
reziprokabel erscheint, ist zu der Subsumtion a b noch eine zweite Sub-
sumtion b a hinzuzusetzen.

Was zu der Subsumtion a b noch anzumerken ist, damit die Unter-
ordnung a b vollständigen Ausdruck finde, werden wir erst sehr viel
später in's Auge fassen (17. Vorlesung.).

Es gehören eben die angeführten Fälle, wenngleich sie in grammati-
kalischer Hinsicht, d. i. schlechtweg, zu den einfachen Urteilen zählen mögen,
doch zu den "in logischer Hinsicht zusammengesetzten" (so wenigstens vom
elementarsten Standpunkte aus betrachtet).

Verweilen wir nur mehr bei den auch im engsten Sinne "ein-
fachen" Urteilen -- das sind diejenigen, in welchen die Frage nach der
Umkehrbarkeit des Urteils unbeantwortet gelassen ist -- bei welchen also
es offen bleibt, ob das durch Vertauschung von Subjekt und Prädikat sich
ergebende Urteil gilt oder nicht gilt, nämlich dieser Umstand -- wenn
auch vielleicht nebenher bekannt oder aus der Sache ersichtlich -- doch
in dem Urteil selbst nicht ausgedrückt erscheint.

Hier -- behaupteten wir -- kann man immer Subjekt und Prädi-
kat als Klassen auffassen und den logischen Gehalt des Urteils da-
durch vollkommen wiedergeben, dass man es interpretirt als die Ver-
sicherung (Assertion): Die Subjektklasse ist ganz enthalten in der
Prädikatklasse. Man wird demnach auch sprachlich durch geeignete
Umschreibung -- ohne dadurch den logischen Gehalt des Urteils zu
alteriren -- die Kopula immer auf das Wörtchen "ist" hinausspielen
können.

Hiezu ist es freilich erforderlich, den Begriff der "Klasse" nicht
allzu enge zu fassen.

An schwach besuchten Schulanstalten kann es vorkommen, dass
eine Schülerklasse auch einmal nur einen Schüler besitzt, vielleicht
sogar gar keinen. Analog diesem schon im gemeinen Leben vor-
kommenden Präcedenzfalle werden wir hier das Wort "Klasse" immer
in solchem Sinne nehmen, so weit fassen, dass auch der Fall zugelassen
erscheint, wo die Klasse nur ein Individuum enthält, sich auf ein
solches beschränkt, in ein solches gewissermassen zusammenzieht.
Sogar dem "Nichts" als dem Fall einer gar kein Individuum ent-
haltenden oder leeren Klasse werden wir späterhin seinen Platz unter
den Klassen einräumen.

Im übrigen wollen wir, was unter einer "Klasse" und was unter
einem "Individuum" zu verstehen sei, zunächst nicht weiter erörtern.

10*

§ 2. Darstellbarkeit der Urteile als Subsumtionsurteile.
und drückt wenigstens einen Teil des (logischen) Inhalts unsrer Urteile
richtig aus.

Zu derselben muss aber, um die Urteile vollständig wiederzugeben,
noch etwas hinzugefügt werden, und zwar in dem zweiten, dem Falle der
Gleichheit a = b, wo eben das Urteil auch umgekehrt gilt, invertibel oder
reziprokabel erscheint, ist zu der Subsumtion ab noch eine zweite Sub-
sumtion ba hinzuzusetzen.

Was zu der Subsumtion ab noch anzumerken ist, damit die Unter-
ordnung ab vollständigen Ausdruck finde, werden wir erst sehr viel
später in's Auge fassen (17. Vorlesung.).

Es gehören eben die angeführten Fälle, wenngleich sie in grammati-
kalischer Hinsicht, d. i. schlechtweg, zu den einfachen Urteilen zählen mögen,
doch zu den „in logischer Hinsicht zusammengesetzten“ (so wenigstens vom
elementarsten Standpunkte aus betrachtet).

Verweilen wir nur mehr bei den auch im engsten Sinne „ein-
fachen“ Urteilen — das sind diejenigen, in welchen die Frage nach der
Umkehrbarkeit des Urteils unbeantwortet gelassen ist — bei welchen also
es offen bleibt, ob das durch Vertauschung von Subjekt und Prädikat sich
ergebende Urteil gilt oder nicht gilt, nämlich dieser Umstand — wenn
auch vielleicht nebenher bekannt oder aus der Sache ersichtlich — doch
in dem Urteil selbst nicht ausgedrückt erscheint.

Hier — behaupteten wir — kann man immer Subjekt und Prädi-
kat als Klassen auffassen und den logischen Gehalt des Urteils da-
durch vollkommen wiedergeben, dass man es interpretirt als die Ver-
sicherung (Assertion): Die Subjektklasse ist ganz enthalten in der
Prädikatklasse. Man wird demnach auch sprachlich durch geeignete
Umschreibung — ohne dadurch den logischen Gehalt des Urteils zu
alteriren — die Kopula immer auf das Wörtchen „ist“ hinausspielen
können.

Hiezu ist es freilich erforderlich, den Begriff der „Klasse“ nicht
allzu enge zu fassen.

An schwach besuchten Schulanstalten kann es vorkommen, dass
eine Schülerklasse auch einmal nur einen Schüler besitzt, vielleicht
sogar gar keinen. Analog diesem schon im gemeinen Leben vor-
kommenden Präcedenzfalle werden wir hier das Wort „Klasse“ immer
in solchem Sinne nehmen, so weit fassen, dass auch der Fall zugelassen
erscheint, wo die Klasse nur ein Individuum enthält, sich auf ein
solches beschränkt, in ein solches gewissermassen zusammenzieht.
Sogar dem „Nichts“ als dem Fall einer gar kein Individuum ent-
haltenden oder leeren Klasse werden wir späterhin seinen Platz unter
den Klassen einräumen.

Im übrigen wollen wir, was unter einer „Klasse“ und was unter
einem „Individuum“ zu verstehen sei, zunächst nicht weiter erörtern.

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[147/0167] § 2. Darstellbarkeit der Urteile als Subsumtionsurteile. und drückt wenigstens einen Teil des (logischen) Inhalts unsrer Urteile richtig aus. Zu derselben muss aber, um die Urteile vollständig wiederzugeben, noch etwas hinzugefügt werden, und zwar in dem zweiten, dem Falle der Gleichheit a = b, wo eben das Urteil auch umgekehrt gilt, invertibel oder reziprokabel erscheint, ist zu der Subsumtion a ⋹ b noch eine zweite Sub- sumtion b ⋹ a hinzuzusetzen. Was zu der Subsumtion a ⋹ b noch anzumerken ist, damit die Unter- ordnung a ⊂ b vollständigen Ausdruck finde, werden wir erst sehr viel später in's Auge fassen (17. Vorlesung.). Es gehören eben die angeführten Fälle, wenngleich sie in grammati- kalischer Hinsicht, d. i. schlechtweg, zu den einfachen Urteilen zählen mögen, doch zu den „in logischer Hinsicht zusammengesetzten“ (so wenigstens vom elementarsten Standpunkte aus betrachtet). Verweilen wir nur mehr bei den auch im engsten Sinne „ein- fachen“ Urteilen — das sind diejenigen, in welchen die Frage nach der Umkehrbarkeit des Urteils unbeantwortet gelassen ist — bei welchen also es offen bleibt, ob das durch Vertauschung von Subjekt und Prädikat sich ergebende Urteil gilt oder nicht gilt, nämlich dieser Umstand — wenn auch vielleicht nebenher bekannt oder aus der Sache ersichtlich — doch in dem Urteil selbst nicht ausgedrückt erscheint. Hier — behaupteten wir — kann man immer Subjekt und Prädi- kat als Klassen auffassen und den logischen Gehalt des Urteils da- durch vollkommen wiedergeben, dass man es interpretirt als die Ver- sicherung (Assertion): Die Subjektklasse ist ganz enthalten in der Prädikatklasse. Man wird demnach auch sprachlich durch geeignete Umschreibung — ohne dadurch den logischen Gehalt des Urteils zu alteriren — die Kopula immer auf das Wörtchen „ist“ hinausspielen können. Hiezu ist es freilich erforderlich, den Begriff der „Klasse“ nicht allzu enge zu fassen. An schwach besuchten Schulanstalten kann es vorkommen, dass eine Schülerklasse auch einmal nur einen Schüler besitzt, vielleicht sogar gar keinen. Analog diesem schon im gemeinen Leben vor- kommenden Präcedenzfalle werden wir hier das Wort „Klasse“ immer in solchem Sinne nehmen, so weit fassen, dass auch der Fall zugelassen erscheint, wo die Klasse nur ein Individuum enthält, sich auf ein solches beschränkt, in ein solches gewissermassen zusammenzieht. Sogar dem „Nichts“ als dem Fall einer gar kein Individuum ent- haltenden oder leeren Klasse werden wir späterhin seinen Platz unter den Klassen einräumen. Im übrigen wollen wir, was unter einer „Klasse“ und was unter einem „Individuum“ zu verstehen sei, zunächst nicht weiter erörtern. 10*

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/167>, abgerufen am 27.04.2024.