Dies tritt dann ein, wenn in dem Urteil ein Fingerzeig enthalten ist, ob die Kopula Unterordnung oder ob sie Gleichheit bedeutet, wenn das Urteil selbst die eine von diesen beiden Interpretationen ausschliesst. Sagen wir z. B.
"1001 ist eine von den durch 11 und 13 teilbaren Zahlen", oder auch:
"Santorin ist eine von den zahlreichen Inseln im griechischen Archipel", so erscheint zwischen Subjekt und Prädikat die Beziehung der identischen Gleichheit ausgeschlossen, und drückt das Urteil eine wirkliche Unter- ordnung aus. Es wird hier eben im Urteil selbst das Prädikat als eine Mehrheit von Individuen gegenüber dem als eine Minderheit (vorhin sogar als nur ein Individuum) sich darstellenden Subjekte hingestellt.
Sehen wir dagegen das Prädikat mit dem bestimmten Artikel verbunden (der allerdings, wie schon erwähnt, in manchen Sprachen, wie im Lateinischen und Russischen fehlt), oder wird -- was wesentlich auf dasselbe hinaus- kommt -- das Prädikat mit dem hinweisenden Fürwort (pronomen demon- strativum) "der-, die-, dasjenige" (im Plural "diejenigen") eingeleitet, so beansprucht und erhält die Kopula die assertorische Kraft des Gleichheits- zeichens, versichert die Identität zwischen Subjekt und Prädikat und schliesst die Unterordnung aus. Z. B.
"Gerade Zahlen (noch deutlicher: Die geraden Zahlen) sind die durch 2 teilbaren Zahlen."
"(Die) Primzahlen sind diejenigen Zahlen, welche zwei und nur zwei Teiler haben."
"N. N. ist der Dieb (sc. welcher den vermissten Gegenstand entwendete)."
"Iridium ist das schwerste Metall."
"Jener Herr ist sein Vater" (soll heissen: der Vater dieses Herrn). Etc.
Hierher gehören auch die Fälle, wo das Prädikat ein Eigenname ist, also nicht -- wie es sonst als die Regel erscheint -- einen allgemeinen Begriff, sondern etwas Individuelles, ein spezielles Objekt des Denkens be- zeichnet, z. B.
"Dieser Fluss ist der Rhein." "Diese Stadt ist Berlin." "Der Dichter jener Ode war Horaz."
In dieser besondern Art von "singulären" Urteilen drückt die Kopula ebenfalls die Identität des Subjektes mit dem Prädikate aus.
Dasselbe gilt von Aussagen wie "2 mal 2 ist 4", wo das Prädikat ein Zahlenindividuum ist und die Kopula die Versicherung der arithmetischen Gleichheit zwischen Subjekt und Prädikat gibt, die hier übrigens mit der identischen Gleichheit in gewissem Sinne zusammenfällt (sofern es üblich ist, alle einander gleichen Zahlen durch ein einziges den Zahlenort mar- kirendes Zahlenindividuum vertreten zu lassen).
Zu den hiermit gekennzeichneten Fällen treten noch solche von spe- ziellerem Charakter hinzu, die man passend als die "Grenzfälle" bezeichnen kann, wo nämlich "nichts" oder "etwas" resp. "alles" als Subjekt, be- ziehungsweise Prädikat auftritt (wie z. B. bei dem Satze: "dies ist alles"). Diese werden wir erst in einer späteren Vorlesung (§ 9) berücksichtigen.
Wird das Subjekt mit a, das Prädikat mit b bezeichnet, so ist ab der volle Sinn der Aussagen ersterer und a = b derjenige der Aussagen letzterer Art. In beiden Fällen gilt also gewiss die Subsumtion ab
Erste Vorlesung.
Dies tritt dann ein, wenn in dem Urteil ein Fingerzeig enthalten ist, ob die Kopula Unterordnung oder ob sie Gleichheit bedeutet, wenn das Urteil selbst die eine von diesen beiden Interpretationen ausschliesst. Sagen wir z. B.
„1001 ist eine von den durch 11 und 13 teilbaren Zahlen“, oder auch:
„Santorin ist eine von den zahlreichen Inseln im griechischen Archipel“, so erscheint zwischen Subjekt und Prädikat die Beziehung der identischen Gleichheit ausgeschlossen, und drückt das Urteil eine wirkliche Unter- ordnung aus. Es wird hier eben im Urteil selbst das Prädikat als eine Mehrheit von Individuen gegenüber dem als eine Minderheit (vorhin sogar als nur ein Individuum) sich darstellenden Subjekte hingestellt.
Sehen wir dagegen das Prädikat mit dem bestimmten Artikel verbunden (der allerdings, wie schon erwähnt, in manchen Sprachen, wie im Lateinischen und Russischen fehlt), oder wird — was wesentlich auf dasselbe hinaus- kommt — das Prädikat mit dem hinweisenden Fürwort (pronomen demon- strativum) „der-, die-, dasjenige“ (im Plural „diejenigen“) eingeleitet, so beansprucht und erhält die Kopula die assertorische Kraft des Gleichheits- zeichens, versichert die Identität zwischen Subjekt und Prädikat und schliesst die Unterordnung aus. Z. B.
„Gerade Zahlen (noch deutlicher: Die geraden Zahlen) sind die durch 2 teilbaren Zahlen.“
„(Die) Primzahlen sind diejenigen Zahlen, welche zwei und nur zwei Teiler haben.“
„N. N. ist der Dieb (sc. welcher den vermissten Gegenstand entwendete).“
„Iridium ist das schwerste Metall.“
„Jener Herr ist sein Vater“ (soll heissen: der Vater dieses Herrn). Etc.
Hierher gehören auch die Fälle, wo das Prädikat ein Eigenname ist, also nicht — wie es sonst als die Regel erscheint — einen allgemeinen Begriff, sondern etwas Individuelles, ein spezielles Objekt des Denkens be- zeichnet, z. B.
„Dieser Fluss ist der Rhein.“ „Diese Stadt ist Berlin.“ „Der Dichter jener Ode war Horaz.“
In dieser besondern Art von „singulären“ Urteilen drückt die Kopula ebenfalls die Identität des Subjektes mit dem Prädikate aus.
Dasselbe gilt von Aussagen wie „2 mal 2 ist 4“, wo das Prädikat ein Zahlenindividuum ist und die Kopula die Versicherung der arithmetischen Gleichheit zwischen Subjekt und Prädikat gibt, die hier übrigens mit der identischen Gleichheit in gewissem Sinne zusammenfällt (sofern es üblich ist, alle einander gleichen Zahlen durch ein einziges den Zahlenort mar- kirendes Zahlenindividuum vertreten zu lassen).
Zu den hiermit gekennzeichneten Fällen treten noch solche von spe- ziellerem Charakter hinzu, die man passend als die „Grenzfälle“ bezeichnen kann, wo nämlich „nichts“ oder „etwas“ resp. „alles“ als Subjekt, be- ziehungsweise Prädikat auftritt (wie z. B. bei dem Satze: „dies ist alles“). Diese werden wir erst in einer späteren Vorlesung (§ 9) berücksichtigen.
Wird das Subjekt mit a, das Prädikat mit b bezeichnet, so ist a ⊂ b der volle Sinn der Aussagen ersterer und a = b derjenige der Aussagen letzterer Art. In beiden Fällen gilt also gewiss die Subsumtion a ⋹ b
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Erste Vorlesung.
Dies tritt dann ein, wenn in dem Urteil ein Fingerzeig enthalten ist,
ob die Kopula Unterordnung oder ob sie Gleichheit bedeutet, wenn das
Urteil selbst die eine von diesen beiden Interpretationen ausschliesst. Sagen
wir z. B.
„1001 ist eine von den durch 11 und 13 teilbaren Zahlen“, oder auch:
„Santorin ist eine von den zahlreichen Inseln im griechischen Archipel“,
so erscheint zwischen Subjekt und Prädikat die Beziehung der identischen
Gleichheit ausgeschlossen, und drückt das Urteil eine wirkliche Unter-
ordnung aus. Es wird hier eben im Urteil selbst das Prädikat als eine
Mehrheit von Individuen gegenüber dem als eine Minderheit (vorhin sogar
als nur ein Individuum) sich darstellenden Subjekte hingestellt.
Sehen wir dagegen das Prädikat mit dem bestimmten Artikel verbunden
(der allerdings, wie schon erwähnt, in manchen Sprachen, wie im Lateinischen
und Russischen fehlt), oder wird — was wesentlich auf dasselbe hinaus-
kommt — das Prädikat mit dem hinweisenden Fürwort (pronomen demon-
strativum) „der-, die-, dasjenige“ (im Plural „diejenigen“) eingeleitet, so
beansprucht und erhält die Kopula die assertorische Kraft des Gleichheits-
zeichens, versichert die Identität zwischen Subjekt und Prädikat und schliesst
die Unterordnung aus. Z. B.
„Gerade Zahlen (noch deutlicher: Die geraden Zahlen) sind die durch 2
teilbaren Zahlen.“
„(Die) Primzahlen sind diejenigen Zahlen, welche zwei und nur zwei
Teiler haben.“
„N. N. ist der Dieb (sc. welcher den vermissten Gegenstand entwendete).“
„Iridium ist das schwerste Metall.“
„Jener Herr ist sein Vater“ (soll heissen: der Vater dieses Herrn). Etc.
Hierher gehören auch die Fälle, wo das Prädikat ein Eigenname ist,
also nicht — wie es sonst als die Regel erscheint — einen allgemeinen
Begriff, sondern etwas Individuelles, ein spezielles Objekt des Denkens be-
zeichnet, z. B.
„Dieser Fluss ist der Rhein.“ „Diese Stadt ist Berlin.“ „Der Dichter
jener Ode war Horaz.“
In dieser besondern Art von „singulären“ Urteilen drückt die Kopula
ebenfalls die Identität des Subjektes mit dem Prädikate aus.
Dasselbe gilt von Aussagen wie „2 mal 2 ist 4“, wo das Prädikat ein
Zahlenindividuum ist und die Kopula die Versicherung der arithmetischen
Gleichheit zwischen Subjekt und Prädikat gibt, die hier übrigens mit der
identischen Gleichheit in gewissem Sinne zusammenfällt (sofern es üblich
ist, alle einander gleichen Zahlen durch ein einziges den Zahlenort mar-
kirendes Zahlenindividuum vertreten zu lassen).
Zu den hiermit gekennzeichneten Fällen treten noch solche von spe-
ziellerem Charakter hinzu, die man passend als die „Grenzfälle“ bezeichnen
kann, wo nämlich „nichts“ oder „etwas“ resp. „alles“ als Subjekt, be-
ziehungsweise Prädikat auftritt (wie z. B. bei dem Satze: „dies ist alles“).
Diese werden wir erst in einer späteren Vorlesung (§ 9) berücksichtigen.
Wird das Subjekt mit a, das Prädikat mit b bezeichnet, so ist a ⊂ b
der volle Sinn der Aussagen ersterer und a = b derjenige der Aussagen
letzterer Art. In beiden Fällen gilt also gewiss die Subsumtion a ⋹ b
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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/166>, abgerufen am 23.11.2024.
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