Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

Erste Vorlesung.
Jedermann versteht, was gemeint ist, wenn man spricht von der Klasse
der Säugetiere, einer Klasse, von der jedes einzelne Säugetier ein Indi-
viduum vorstellt, oder von der Klasse der Dinge, welche diese oder
jene Eigenschaften besitzen. Zum Überfluss mögen hierzu die Betrach-
tungen unter d2) und n2) der Einleitung nachgesehen werden:

Wir sind im stande irgend welche Objekte des Denkens als "Indi-
viduen" zu einer "Klasse" zu vereinigen ("zusammenzufassen").

Allein nur (scheint es) einander (unmittelbar) widersprechende Sätze,
je mit der Überzeugung von ihrer Richtigkeit verbunden, machen hie-
von eine Ausnahme. Kann auch jeder, für sich, für wahr gehalten
werden, z. B. der Satz: "Der Mond ist bewohnt", sowie der Satz: "Der
Mond ist unbewohnt", so können sie doch nicht zusammengefasst
werden zu einer "Klasse von Wahrheiten".

Und auch ein Individuum mögen wir bezeichnen als eine Klasse,
welche eben nur dieses Individuum selbst enthält. Ein jedes Gedanken-
ding kann zu solchem Individuum gestempelt werden.

Dem wissenschaftlichen Begriff des Individuums werden wir indess
gelegentlich noch näher treten (22. Vorlesung).

Auch jene Klasse aber, die selber eine Menge von Individuen
umfasst, kann wieder als ein Gedankending und demgemäss auch als
ein "Individuum" (im weiteren Sinne, z. B. "relativ" in Bezug auf
höhere Klassen) hingestellt werden. Wenn wir jedoch von einem
Individuum "im absoluten (engeren) Sinne" reden, so verstehen wir
darunter ein Objekt des Denkens, dessen Name als ein Eigenname und
nicht als ein Gemeinname gehandhabt wird (vergl. den Teil B unsrer
Einleitung).

Nach dem Gesagten kann das Subjekt des Urteils, wenn es ein Haupt-
wort ist, ohne weiteres als eine Klasse aufgefasst werden, desgleichen,
wenn dieses Hauptwort etwa durch Beiwörter oder Relativsätze näher be-
stimmt, determinirt erscheint.

Dasselbe ist der Fall, wenn das Subjekt aus mehreren durch Kon-
junktionen, wie "und", "oder", "sowie" etc. verbundenen Substantiven oder
Nomina besteht. Z. B. "Gold und Silber sind Edelmetalle" heisst: Jede
als Gold oder Silber sich erweisende Substanz ist ein Edelmetall; die
Klasse jener Substanzen ist enthalten in der Klasse dieser, der Edelmetalle.
Den logischen Gehalt der meisten Konjunktionen werden wir übrigens noch
zum Gegenstand eines speziellen Studiums machen, und ist zu empfehlen,
dass man namentlich die Betrachtung von Sätzen wie: "Entweder a oder b
ist c", "Weder a noch b ist c" vorerst zurückstelle. Zur Stelle auf diese
einzugehen würde später nur zu Wiederholungen uns nötigen.

Nachdem unter x1) der Einleitung der Gebrauch von Wörtern in der
"suppositio nominalis" ausgeschlossen worden, konnte als Subjekt des Urteils

Erste Vorlesung.
Jedermann versteht, was gemeint ist, wenn man spricht von der Klasse
der Säugetiere, einer Klasse, von der jedes einzelne Säugetier ein Indi-
viduum vorstellt, oder von der Klasse der Dinge, welche diese oder
jene Eigenschaften besitzen. Zum Überfluss mögen hierzu die Betrach-
tungen unter δ2) und ν2) der Einleitung nachgesehen werden:

Wir sind im stande irgend welche Objekte des Denkens als „Indi-
viduen“ zu einer „Klasse“ zu vereinigen („zusammenzufassen“).

Allein nur (scheint es) einander (unmittelbar) widersprechende Sätze,
je mit der Überzeugung von ihrer Richtigkeit verbunden, machen hie-
von eine Ausnahme. Kann auch jeder, für sich, für wahr gehalten
werden, z. B. der Satz: „Der Mond ist bewohnt“, sowie der Satz: „Der
Mond ist unbewohnt“, so können sie doch nicht zusammengefasst
werden zu einer „Klasse von Wahrheiten“.

Und auch ein Individuum mögen wir bezeichnen als eine Klasse,
welche eben nur dieses Individuum selbst enthält. Ein jedes Gedanken-
ding kann zu solchem Individuum gestempelt werden.

Dem wissenschaftlichen Begriff des Individuums werden wir indess
gelegentlich noch näher treten (22. Vorlesung).

Auch jene Klasse aber, die selber eine Menge von Individuen
umfasst, kann wieder als ein Gedankending und demgemäss auch als
ein „Individuum“ (im weiteren Sinne, z. B. „relativ“ in Bezug auf
höhere Klassen) hingestellt werden. Wenn wir jedoch von einem
Individuum „im absoluten (engeren) Sinne“ reden, so verstehen wir
darunter ein Objekt des Denkens, dessen Name als ein Eigenname und
nicht als ein Gemeinname gehandhabt wird (vergl. den Teil B unsrer
Einleitung).

Nach dem Gesagten kann das Subjekt des Urteils, wenn es ein Haupt-
wort ist, ohne weiteres als eine Klasse aufgefasst werden, desgleichen,
wenn dieses Hauptwort etwa durch Beiwörter oder Relativsätze näher be-
stimmt, determinirt erscheint.

Dasselbe ist der Fall, wenn das Subjekt aus mehreren durch Kon-
junktionen, wie „und“, „oder“, „sowie“ etc. verbundenen Substantiven oder
Nomina besteht. Z. B. „Gold und Silber sind Edelmetalle“ heisst: Jede
als Gold oder Silber sich erweisende Substanz ist ein Edelmetall; die
Klasse jener Substanzen ist enthalten in der Klasse dieser, der Edelmetalle.
Den logischen Gehalt der meisten Konjunktionen werden wir übrigens noch
zum Gegenstand eines speziellen Studiums machen, und ist zu empfehlen,
dass man namentlich die Betrachtung von Sätzen wie: „Entweder a oder b
ist c“, „Weder a noch b ist c“ vorerst zurückstelle. Zur Stelle auf diese
einzugehen würde später nur zu Wiederholungen uns nötigen.

Nachdem unter ξ1) der Einleitung der Gebrauch von Wörtern in der
„suppositio nominalis“ ausgeschlossen worden, konnte als Subjekt des Urteils

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0168" n="148"/><fw place="top" type="header">Erste Vorlesung.</fw><lb/>
Jedermann versteht, was gemeint ist, wenn man spricht von der Klasse<lb/>
der Säugetiere, einer Klasse, von der jedes einzelne Säugetier ein Indi-<lb/>
viduum vorstellt, oder von der Klasse der Dinge, welche diese oder<lb/>
jene Eigenschaften besitzen. Zum Überfluss mögen hierzu die Betrach-<lb/>
tungen unter <hi rendition="#i">&#x03B4;</hi><hi rendition="#sub">2</hi>) und <hi rendition="#i">&#x03BD;</hi><hi rendition="#sub">2</hi>) der Einleitung nachgesehen werden:</p><lb/>
          <p> <hi rendition="#i">Wir sind im stande irgend welche Objekte des Denkens als &#x201E;Indi-<lb/>
viduen&#x201C; zu einer &#x201E;Klasse&#x201C; zu vereinigen (&#x201E;zusammenzufassen&#x201C;).</hi> </p><lb/>
          <p><hi rendition="#i">Allein nur</hi> (scheint es) <hi rendition="#i">einander</hi> (unmittelbar) <hi rendition="#i">widersprechende</hi> Sätze,<lb/>
je mit der Überzeugung von ihrer Richtigkeit verbunden, machen hie-<lb/>
von eine Ausnahme. Kann auch jeder, für sich, für wahr gehalten<lb/>
werden, z. B. der Satz: &#x201E;Der Mond ist bewohnt&#x201C;, sowie der Satz: &#x201E;Der<lb/>
Mond ist unbewohnt&#x201C;, so können sie doch nicht zusammengefasst<lb/>
werden zu einer &#x201E;Klasse von Wahrheiten&#x201C;.</p><lb/>
          <p>Und auch <hi rendition="#i">ein</hi> Individuum mögen wir bezeichnen als eine Klasse,<lb/>
welche eben nur dieses Individuum selbst enthält. Ein jedes Gedanken-<lb/>
ding kann zu solchem Individuum gestempelt werden.</p><lb/>
          <p>Dem wissenschaftlichen Begriff des Individuums werden wir indess<lb/>
gelegentlich noch näher treten (22. Vorlesung).</p><lb/>
          <p>Auch jene Klasse aber, die selber eine Menge von Individuen<lb/>
umfasst, kann wieder als ein Gedankending und demgemäss auch als<lb/>
ein &#x201E;Individuum&#x201C; (im weiteren Sinne, z. B. &#x201E;relativ&#x201C; in Bezug auf<lb/>
höhere Klassen) hingestellt werden. Wenn wir jedoch von einem<lb/>
Individuum &#x201E;im absoluten (engeren) Sinne&#x201C; reden, so verstehen wir<lb/>
darunter ein Objekt des Denkens, dessen Name als ein Eigenname und<lb/>
nicht als ein Gemeinname gehandhabt wird (vergl. den Teil B unsrer<lb/>
Einleitung).</p><lb/>
          <p>Nach dem Gesagten kann das Subjekt des Urteils, wenn es ein Haupt-<lb/>
wort ist, ohne weiteres als eine Klasse aufgefasst werden, desgleichen,<lb/>
wenn dieses Hauptwort etwa durch Beiwörter oder Relativsätze näher be-<lb/>
stimmt, determinirt erscheint.</p><lb/>
          <p>Dasselbe ist der Fall, wenn das Subjekt aus mehreren durch Kon-<lb/>
junktionen, wie &#x201E;und&#x201C;, &#x201E;oder&#x201C;, &#x201E;sowie&#x201C; etc. verbundenen Substantiven oder<lb/>
Nomina besteht. Z. B. &#x201E;Gold und Silber sind Edelmetalle&#x201C; heisst: Jede<lb/>
als Gold oder Silber sich erweisende Substanz ist ein Edelmetall; die<lb/>
Klasse jener Substanzen ist enthalten in der Klasse dieser, der Edelmetalle.<lb/>
Den logischen Gehalt der meisten Konjunktionen werden wir übrigens noch<lb/>
zum Gegenstand eines speziellen Studiums machen, und ist zu empfehlen,<lb/>
dass man namentlich die Betrachtung von Sätzen wie: <hi rendition="#i">&#x201E;Entweder a oder b</hi><lb/>
ist <hi rendition="#i">c&#x201C;, &#x201E;Weder a noch b</hi> ist <hi rendition="#i">c&#x201C;</hi> vorerst zurückstelle. Zur Stelle auf diese<lb/>
einzugehen würde später nur zu Wiederholungen uns nötigen.</p><lb/>
          <p>Nachdem unter <hi rendition="#i">&#x03BE;</hi><hi rendition="#sub">1</hi>) der Einleitung der Gebrauch von Wörtern in der<lb/>
&#x201E;suppositio nominalis&#x201C; ausgeschlossen worden, konnte als Subjekt des Urteils<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[148/0168] Erste Vorlesung. Jedermann versteht, was gemeint ist, wenn man spricht von der Klasse der Säugetiere, einer Klasse, von der jedes einzelne Säugetier ein Indi- viduum vorstellt, oder von der Klasse der Dinge, welche diese oder jene Eigenschaften besitzen. Zum Überfluss mögen hierzu die Betrach- tungen unter δ2) und ν2) der Einleitung nachgesehen werden: Wir sind im stande irgend welche Objekte des Denkens als „Indi- viduen“ zu einer „Klasse“ zu vereinigen („zusammenzufassen“). Allein nur (scheint es) einander (unmittelbar) widersprechende Sätze, je mit der Überzeugung von ihrer Richtigkeit verbunden, machen hie- von eine Ausnahme. Kann auch jeder, für sich, für wahr gehalten werden, z. B. der Satz: „Der Mond ist bewohnt“, sowie der Satz: „Der Mond ist unbewohnt“, so können sie doch nicht zusammengefasst werden zu einer „Klasse von Wahrheiten“. Und auch ein Individuum mögen wir bezeichnen als eine Klasse, welche eben nur dieses Individuum selbst enthält. Ein jedes Gedanken- ding kann zu solchem Individuum gestempelt werden. Dem wissenschaftlichen Begriff des Individuums werden wir indess gelegentlich noch näher treten (22. Vorlesung). Auch jene Klasse aber, die selber eine Menge von Individuen umfasst, kann wieder als ein Gedankending und demgemäss auch als ein „Individuum“ (im weiteren Sinne, z. B. „relativ“ in Bezug auf höhere Klassen) hingestellt werden. Wenn wir jedoch von einem Individuum „im absoluten (engeren) Sinne“ reden, so verstehen wir darunter ein Objekt des Denkens, dessen Name als ein Eigenname und nicht als ein Gemeinname gehandhabt wird (vergl. den Teil B unsrer Einleitung). Nach dem Gesagten kann das Subjekt des Urteils, wenn es ein Haupt- wort ist, ohne weiteres als eine Klasse aufgefasst werden, desgleichen, wenn dieses Hauptwort etwa durch Beiwörter oder Relativsätze näher be- stimmt, determinirt erscheint. Dasselbe ist der Fall, wenn das Subjekt aus mehreren durch Kon- junktionen, wie „und“, „oder“, „sowie“ etc. verbundenen Substantiven oder Nomina besteht. Z. B. „Gold und Silber sind Edelmetalle“ heisst: Jede als Gold oder Silber sich erweisende Substanz ist ein Edelmetall; die Klasse jener Substanzen ist enthalten in der Klasse dieser, der Edelmetalle. Den logischen Gehalt der meisten Konjunktionen werden wir übrigens noch zum Gegenstand eines speziellen Studiums machen, und ist zu empfehlen, dass man namentlich die Betrachtung von Sätzen wie: „Entweder a oder b ist c“, „Weder a noch b ist c“ vorerst zurückstelle. Zur Stelle auf diese einzugehen würde später nur zu Wiederholungen uns nötigen. Nachdem unter ξ1) der Einleitung der Gebrauch von Wörtern in der „suppositio nominalis“ ausgeschlossen worden, konnte als Subjekt des Urteils

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/168
Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/168>, abgerufen am 27.04.2024.