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Schreyvogel, Joseph: Samuel Brinks letzte Liebesgeschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–94. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Herr! Ich habe ihren Vater in jüngeren Jahren gekannt; er war ein Ehrenmann. -- Das freut mich, Herr Oberförster! -- Nun, wie gesagt, Herr Brink! Sie sollten das Mädchen Ihrem Max zur Frau geben. Heirathen muß er doch bei Zeiten; das geht auf dem Lande nicht anders. -- Hat Max mit Ihnen von der Sache gesprochen, Herr Oberförster? -- Kein Wort; es war bloß mein Einfall, aber er däucht mir gut, und Sie sollten im Ernste daran denken, Herr Brink! -- Gut, gut; ich will mir's überlegen. Adieu, Herr Oberförster! -- Ich lenkte um und gab meinem Braunen die Sporen, um geschwind nach Hause zu kommen.

Ist Max noch bei Mamsell Gretchen? fragte ich Paul, als ich ihm auf der Treppe begegnete. -- Er verließ sie vor einer kleinen Weile, Herr, und ist eben wieder aufs Feld gegangen. -- Und wie sah er aus, Paul? Sage mir's ehrlich! -- Paul schüttelte den Kopf. Nicht wie sonst, Herr! Seit einer Stunde haben sich alle Gesichter im Hause verändert; auch Gretchen sieht ganz traurig aus und hat sogar geweint, glaub' ich. -- Bring mir eine gestopfte Pfeife in mein Kabinet, Paul, und laß Niemand zu mir; ich will allein sein, Alter!

Ich hatte Stoff genug zum Nachdenken, aber die Ruhe der Ueberlegung fehlte mir. Die Pfeife war verdampft, ohne daß ich mehr wußte, als zuvor. Es war etwas von schlimmer Vorbedeutung im Hintergrunde meiner Seele, aber ich scheute mich, das Dunkel aufzuhellen. Am Ende sind es Vermuthungen und Einfälle von Leu-

Herr! Ich habe ihren Vater in jüngeren Jahren gekannt; er war ein Ehrenmann. — Das freut mich, Herr Oberförster! — Nun, wie gesagt, Herr Brink! Sie sollten das Mädchen Ihrem Max zur Frau geben. Heirathen muß er doch bei Zeiten; das geht auf dem Lande nicht anders. — Hat Max mit Ihnen von der Sache gesprochen, Herr Oberförster? — Kein Wort; es war bloß mein Einfall, aber er däucht mir gut, und Sie sollten im Ernste daran denken, Herr Brink! — Gut, gut; ich will mir's überlegen. Adieu, Herr Oberförster! — Ich lenkte um und gab meinem Braunen die Sporen, um geschwind nach Hause zu kommen.

Ist Max noch bei Mamsell Gretchen? fragte ich Paul, als ich ihm auf der Treppe begegnete. — Er verließ sie vor einer kleinen Weile, Herr, und ist eben wieder aufs Feld gegangen. — Und wie sah er aus, Paul? Sage mir's ehrlich! — Paul schüttelte den Kopf. Nicht wie sonst, Herr! Seit einer Stunde haben sich alle Gesichter im Hause verändert; auch Gretchen sieht ganz traurig aus und hat sogar geweint, glaub' ich. — Bring mir eine gestopfte Pfeife in mein Kabinet, Paul, und laß Niemand zu mir; ich will allein sein, Alter!

Ich hatte Stoff genug zum Nachdenken, aber die Ruhe der Ueberlegung fehlte mir. Die Pfeife war verdampft, ohne daß ich mehr wußte, als zuvor. Es war etwas von schlimmer Vorbedeutung im Hintergrunde meiner Seele, aber ich scheute mich, das Dunkel aufzuhellen. Am Ende sind es Vermuthungen und Einfälle von Leu-

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[0087] Herr! Ich habe ihren Vater in jüngeren Jahren gekannt; er war ein Ehrenmann. — Das freut mich, Herr Oberförster! — Nun, wie gesagt, Herr Brink! Sie sollten das Mädchen Ihrem Max zur Frau geben. Heirathen muß er doch bei Zeiten; das geht auf dem Lande nicht anders. — Hat Max mit Ihnen von der Sache gesprochen, Herr Oberförster? — Kein Wort; es war bloß mein Einfall, aber er däucht mir gut, und Sie sollten im Ernste daran denken, Herr Brink! — Gut, gut; ich will mir's überlegen. Adieu, Herr Oberförster! — Ich lenkte um und gab meinem Braunen die Sporen, um geschwind nach Hause zu kommen. Ist Max noch bei Mamsell Gretchen? fragte ich Paul, als ich ihm auf der Treppe begegnete. — Er verließ sie vor einer kleinen Weile, Herr, und ist eben wieder aufs Feld gegangen. — Und wie sah er aus, Paul? Sage mir's ehrlich! — Paul schüttelte den Kopf. Nicht wie sonst, Herr! Seit einer Stunde haben sich alle Gesichter im Hause verändert; auch Gretchen sieht ganz traurig aus und hat sogar geweint, glaub' ich. — Bring mir eine gestopfte Pfeife in mein Kabinet, Paul, und laß Niemand zu mir; ich will allein sein, Alter! Ich hatte Stoff genug zum Nachdenken, aber die Ruhe der Ueberlegung fehlte mir. Die Pfeife war verdampft, ohne daß ich mehr wußte, als zuvor. Es war etwas von schlimmer Vorbedeutung im Hintergrunde meiner Seele, aber ich scheute mich, das Dunkel aufzuhellen. Am Ende sind es Vermuthungen und Einfälle von Leu-

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:30:04Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Schreyvogel, Joseph: Samuel Brinks letzte Liebesgeschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–94. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreyvogel_liebesgeschichte_1910/87>, abgerufen am 04.05.2024.