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Schreyvogel, Joseph: Samuel Brinks letzte Liebesgeschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–94. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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eines wohlgepflegten Parkes. Um so auffallender war mir eine noch ganz verwilderte Stelle, ungefähr in der Mitte des Waldes. Ich war im Begriff, nach der Ursache dieser Erscheinung zu fragen, als ich Max mit düstern und scheuen Blicken sich hinweg wenden sah und mich erinnerte, daß dies der Ort sei, den er sich von mir zu einem Denkmal für seinen armen Vater erbeten hatte. Der Unglückliche war vor zwölf Jahren verloren gegangen und hatte, man weiß nicht wo, seinem verworrenen Leben wahrscheinlich selbst ein Ende gemacht. Es scheint, daß Max noch immer nicht mit sich einig werden konnte, auf welche Weise er ein so theures und schmerzliches Andenken hier, in seiner übrigens so heiteren Schöpfung, erhalten sollte.

Wir fanden am Ausgange des Waldes einen Knecht, dem wir unsere Pferde übergaben, um den Rückweg zu Fuß über die Wiesen zu nehmen, auf welchen in der künftigen Woche die Heuernte anfangen sollte. Es ward ziemlich spät, bis wir zu unserem Hause kamen; zur Abkürzung des Weges gingen wir daher durch des Müllers Garten über den Steg, dessen ich schon einmal gedacht habe. Nicht ohne ein kleines Grausen und ohne mich an Max zu halten, konnte ich den gefährlichen Steg zurücklegen; denn unter ihm braus'te der Waldstrom und stürzte mit reißender Gewalt auf die Mühlräder, von deren lauten Schlägen der morsche Bau erzitterte.

Eine kurze Abendunterhaltung an dem gemeinschaftlichen Tische beschloß diesen geschäftigen Tag. Die Rede

eines wohlgepflegten Parkes. Um so auffallender war mir eine noch ganz verwilderte Stelle, ungefähr in der Mitte des Waldes. Ich war im Begriff, nach der Ursache dieser Erscheinung zu fragen, als ich Max mit düstern und scheuen Blicken sich hinweg wenden sah und mich erinnerte, daß dies der Ort sei, den er sich von mir zu einem Denkmal für seinen armen Vater erbeten hatte. Der Unglückliche war vor zwölf Jahren verloren gegangen und hatte, man weiß nicht wo, seinem verworrenen Leben wahrscheinlich selbst ein Ende gemacht. Es scheint, daß Max noch immer nicht mit sich einig werden konnte, auf welche Weise er ein so theures und schmerzliches Andenken hier, in seiner übrigens so heiteren Schöpfung, erhalten sollte.

Wir fanden am Ausgange des Waldes einen Knecht, dem wir unsere Pferde übergaben, um den Rückweg zu Fuß über die Wiesen zu nehmen, auf welchen in der künftigen Woche die Heuernte anfangen sollte. Es ward ziemlich spät, bis wir zu unserem Hause kamen; zur Abkürzung des Weges gingen wir daher durch des Müllers Garten über den Steg, dessen ich schon einmal gedacht habe. Nicht ohne ein kleines Grausen und ohne mich an Max zu halten, konnte ich den gefährlichen Steg zurücklegen; denn unter ihm braus'te der Waldstrom und stürzte mit reißender Gewalt auf die Mühlräder, von deren lauten Schlägen der morsche Bau erzitterte.

Eine kurze Abendunterhaltung an dem gemeinschaftlichen Tische beschloß diesen geschäftigen Tag. Die Rede

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[0065] eines wohlgepflegten Parkes. Um so auffallender war mir eine noch ganz verwilderte Stelle, ungefähr in der Mitte des Waldes. Ich war im Begriff, nach der Ursache dieser Erscheinung zu fragen, als ich Max mit düstern und scheuen Blicken sich hinweg wenden sah und mich erinnerte, daß dies der Ort sei, den er sich von mir zu einem Denkmal für seinen armen Vater erbeten hatte. Der Unglückliche war vor zwölf Jahren verloren gegangen und hatte, man weiß nicht wo, seinem verworrenen Leben wahrscheinlich selbst ein Ende gemacht. Es scheint, daß Max noch immer nicht mit sich einig werden konnte, auf welche Weise er ein so theures und schmerzliches Andenken hier, in seiner übrigens so heiteren Schöpfung, erhalten sollte. Wir fanden am Ausgange des Waldes einen Knecht, dem wir unsere Pferde übergaben, um den Rückweg zu Fuß über die Wiesen zu nehmen, auf welchen in der künftigen Woche die Heuernte anfangen sollte. Es ward ziemlich spät, bis wir zu unserem Hause kamen; zur Abkürzung des Weges gingen wir daher durch des Müllers Garten über den Steg, dessen ich schon einmal gedacht habe. Nicht ohne ein kleines Grausen und ohne mich an Max zu halten, konnte ich den gefährlichen Steg zurücklegen; denn unter ihm braus'te der Waldstrom und stürzte mit reißender Gewalt auf die Mühlräder, von deren lauten Schlägen der morsche Bau erzitterte. Eine kurze Abendunterhaltung an dem gemeinschaftlichen Tische beschloß diesen geschäftigen Tag. Die Rede

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:30:04Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Schreyvogel, Joseph: Samuel Brinks letzte Liebesgeschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–94. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreyvogel_liebesgeschichte_1910/65>, abgerufen am 04.05.2024.