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Schreyvogel, Joseph: Samuel Brinks letzte Liebesgeschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–94. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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fiel auf die Waldcultur, die mir aus einmal interessant zu werden anfing. Gretchen mischte sich bescheiden in das Gespräch und überraschte Maxen durch die Richtigkeit ihrer Bemerkungen. Du weißt noch nicht, sagte ich, daß Gretchen eine geborene Forstmännin ist; sie hatte mich schon halb und halb zu deinem Lieblingsfache bekehrt, eh' ich hierher kam. Diese Entdeckung, so wie mancher Zug, den ich von Gretchen erzählt hatte, schien einige Annäherung zwischen den jungen Leuten zu bewirken, was mir nicht entging, aber bei der Offenheit ihres Benehmens ganz unbedenklich vorkam. Weil am nächsten Tage Sonntag war, erbot sich Max, Gretchen in die eine halbe Stunde entfernte Kirche zu führen; ich versprach, ihnen dahin zu folgen, und entließ, ziemlich ermüdet und schläfrig, meine Gesellschaft.

14.

Der Kirchgang war belebter und feierlicher, als ich vermuthet hatte; denn als ich den jungen Leuten in meiner Kalesche nachgefahren kam, zeigte sich, daß eben Kirchweihe gefeiert wurde. Um sie dem Gedränge zu entziehen, nahm ich Gretchen auf dem Rückwege in meinen Wagen. Ich war in vier und zwanzig Stunden nicht so eng und vertraulich mit ihr beisammen gewesen und fühlte um so lebhafter, wie nahe sie mein Herz anging. Sie war freundlich, beinahe weich, schien aber zuweilen zerstreut, was ich dem uns umgebenden Gewühle zuschrieb.

fiel auf die Waldcultur, die mir aus einmal interessant zu werden anfing. Gretchen mischte sich bescheiden in das Gespräch und überraschte Maxen durch die Richtigkeit ihrer Bemerkungen. Du weißt noch nicht, sagte ich, daß Gretchen eine geborene Forstmännin ist; sie hatte mich schon halb und halb zu deinem Lieblingsfache bekehrt, eh' ich hierher kam. Diese Entdeckung, so wie mancher Zug, den ich von Gretchen erzählt hatte, schien einige Annäherung zwischen den jungen Leuten zu bewirken, was mir nicht entging, aber bei der Offenheit ihres Benehmens ganz unbedenklich vorkam. Weil am nächsten Tage Sonntag war, erbot sich Max, Gretchen in die eine halbe Stunde entfernte Kirche zu führen; ich versprach, ihnen dahin zu folgen, und entließ, ziemlich ermüdet und schläfrig, meine Gesellschaft.

14.

Der Kirchgang war belebter und feierlicher, als ich vermuthet hatte; denn als ich den jungen Leuten in meiner Kalesche nachgefahren kam, zeigte sich, daß eben Kirchweihe gefeiert wurde. Um sie dem Gedränge zu entziehen, nahm ich Gretchen auf dem Rückwege in meinen Wagen. Ich war in vier und zwanzig Stunden nicht so eng und vertraulich mit ihr beisammen gewesen und fühlte um so lebhafter, wie nahe sie mein Herz anging. Sie war freundlich, beinahe weich, schien aber zuweilen zerstreut, was ich dem uns umgebenden Gewühle zuschrieb.

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[0066] fiel auf die Waldcultur, die mir aus einmal interessant zu werden anfing. Gretchen mischte sich bescheiden in das Gespräch und überraschte Maxen durch die Richtigkeit ihrer Bemerkungen. Du weißt noch nicht, sagte ich, daß Gretchen eine geborene Forstmännin ist; sie hatte mich schon halb und halb zu deinem Lieblingsfache bekehrt, eh' ich hierher kam. Diese Entdeckung, so wie mancher Zug, den ich von Gretchen erzählt hatte, schien einige Annäherung zwischen den jungen Leuten zu bewirken, was mir nicht entging, aber bei der Offenheit ihres Benehmens ganz unbedenklich vorkam. Weil am nächsten Tage Sonntag war, erbot sich Max, Gretchen in die eine halbe Stunde entfernte Kirche zu führen; ich versprach, ihnen dahin zu folgen, und entließ, ziemlich ermüdet und schläfrig, meine Gesellschaft. 14. Der Kirchgang war belebter und feierlicher, als ich vermuthet hatte; denn als ich den jungen Leuten in meiner Kalesche nachgefahren kam, zeigte sich, daß eben Kirchweihe gefeiert wurde. Um sie dem Gedränge zu entziehen, nahm ich Gretchen auf dem Rückwege in meinen Wagen. Ich war in vier und zwanzig Stunden nicht so eng und vertraulich mit ihr beisammen gewesen und fühlte um so lebhafter, wie nahe sie mein Herz anging. Sie war freundlich, beinahe weich, schien aber zuweilen zerstreut, was ich dem uns umgebenden Gewühle zuschrieb.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:30:04Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T11:30:04Z)

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Zitationshilfe: Schreyvogel, Joseph: Samuel Brinks letzte Liebesgeschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–94. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreyvogel_liebesgeschichte_1910/66>, abgerufen am 04.05.2024.