Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 3. Jena, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

-- "Das nicht," antwortete er ihr; "aber wäre
ich an Sir Georges Stelle gewesen, so ......."

-- "Nun?" .....

-- "So würde Jhr schönes Auge auch vielleicht
um mich eine Thräne vergossen haben: um diese Fluth
von Thränen beneide ich den Verstorbenen, Lady Flora!"

-- "O," sagte sie und ihr Gesicht verlor bei
dem bloßen Gedanken an die Möglichkeit eines solchen
Verlustes plötzlich alle Farbe, "hätte die Kugel des
Mörders Jhr Herz, Sir Arnold, getroffen, dann
würde ich nie wieder haben aufhören können, zu
weinen!"

Nie war wohl einem jungen Manne ein unum-
wundneres, naiveres Liebesgeständniß gemacht wor-
den, als dem glücklichen Arnold in diesem Augenblick
von Floren; auch erröthete er lebhaft und konnte sich
nicht enthalten, ihre Hand, die sie ihm willig ließ,
zu küssen.

-- "Ja," fuhr sie nach einer Pause fort, "so
sehr mich auch der Tod des guten George betrübt --
denn er war mir, bis auf die letzte Zeit, wo er so
krank und verstimmt ward, der beste, liebevollste und
aufmerksamste Lehrer -- so habe ich doch Gott für
viel Gnade zu danken, daß die Kugel des Mörders
ihr Ziel verfehlte und weder Sie, noch meinen theuren
Vater tödtlich traf."

— „Das nicht,“ antwortete er ihr; „aber wäre
ich an Sir Georges Stelle geweſen, ſo .......“

— „Nun?“ .....

— „So würde Jhr ſchönes Auge auch vielleicht
um mich eine Thräne vergoſſen haben: um dieſe Fluth
von Thränen beneide ich den Verſtorbenen, Lady Flora!“

— „O,“ ſagte ſie und ihr Geſicht verlor bei
dem bloßen Gedanken an die Möglichkeit eines ſolchen
Verluſtes plötzlich alle Farbe, „hätte die Kugel des
Mörders Jhr Herz, Sir Arnold, getroffen, dann
würde ich nie wieder haben aufhören können, zu
weinen!“

Nie war wohl einem jungen Manne ein unum-
wundneres, naiveres Liebesgeſtändniß gemacht wor-
den, als dem glücklichen Arnold in dieſem Augenblick
von Floren; auch erröthete er lebhaft und konnte ſich
nicht enthalten, ihre Hand, die ſie ihm willig ließ,
zu küſſen.

— „Ja,“ fuhr ſie nach einer Pauſe fort, „ſo
ſehr mich auch der Tod des guten George betrübt —
denn er war mir, bis auf die letzte Zeit, wo er ſo
krank und verſtimmt ward, der beſte, liebevollſte und
aufmerkſamſte Lehrer — ſo habe ich doch Gott für
viel Gnade zu danken, daß die Kugel des Mörders
ihr Ziel verfehlte und weder Sie, noch meinen theuren
Vater tödtlich traf.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0060" n="54"/>
        <p>&#x2014; &#x201E;Das nicht,&#x201C; antwortete er ihr; &#x201E;aber wäre<lb/>
ich an Sir Georges Stelle gewe&#x017F;en, &#x017F;o .......&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x2014; &#x201E;Nun?&#x201C; .....</p><lb/>
        <p>&#x2014; &#x201E;So würde Jhr &#x017F;chönes Auge auch vielleicht<lb/>
um mich eine Thräne vergo&#x017F;&#x017F;en haben: um die&#x017F;e Fluth<lb/>
von Thränen beneide ich den Ver&#x017F;torbenen, Lady Flora!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x2014; &#x201E;O,&#x201C; &#x017F;agte &#x017F;ie und ihr Ge&#x017F;icht verlor bei<lb/>
dem bloßen Gedanken an die Möglichkeit eines &#x017F;olchen<lb/>
Verlu&#x017F;tes plötzlich alle Farbe, &#x201E;hätte die Kugel des<lb/>
Mörders Jhr Herz, Sir Arnold, getroffen, dann<lb/>
würde ich nie wieder haben aufhören können, zu<lb/>
weinen!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Nie war wohl einem jungen Manne ein unum-<lb/>
wundneres, naiveres Liebesge&#x017F;tändniß gemacht wor-<lb/>
den, als dem glücklichen Arnold in die&#x017F;em Augenblick<lb/>
von Floren; auch erröthete er lebhaft und konnte &#x017F;ich<lb/>
nicht enthalten, ihre Hand, die &#x017F;ie ihm willig ließ,<lb/>
zu kü&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>&#x2014; &#x201E;Ja,&#x201C; fuhr &#x017F;ie nach einer Pau&#x017F;e fort, &#x201E;&#x017F;o<lb/>
&#x017F;ehr mich auch der Tod des guten George betrübt &#x2014;<lb/>
denn er war mir, bis auf die letzte Zeit, wo er &#x017F;o<lb/>
krank und ver&#x017F;timmt ward, der be&#x017F;te, liebevoll&#x017F;te und<lb/>
aufmerk&#x017F;am&#x017F;te Lehrer &#x2014; &#x017F;o habe ich doch Gott für<lb/>
viel Gnade zu danken, daß die Kugel des Mörders<lb/>
ihr Ziel verfehlte und weder Sie, noch meinen theuren<lb/>
Vater tödtlich traf.&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[54/0060] — „Das nicht,“ antwortete er ihr; „aber wäre ich an Sir Georges Stelle geweſen, ſo .......“ — „Nun?“ ..... — „So würde Jhr ſchönes Auge auch vielleicht um mich eine Thräne vergoſſen haben: um dieſe Fluth von Thränen beneide ich den Verſtorbenen, Lady Flora!“ — „O,“ ſagte ſie und ihr Geſicht verlor bei dem bloßen Gedanken an die Möglichkeit eines ſolchen Verluſtes plötzlich alle Farbe, „hätte die Kugel des Mörders Jhr Herz, Sir Arnold, getroffen, dann würde ich nie wieder haben aufhören können, zu weinen!“ Nie war wohl einem jungen Manne ein unum- wundneres, naiveres Liebesgeſtändniß gemacht wor- den, als dem glücklichen Arnold in dieſem Augenblick von Floren; auch erröthete er lebhaft und konnte ſich nicht enthalten, ihre Hand, die ſie ihm willig ließ, zu küſſen. — „Ja,“ fuhr ſie nach einer Pauſe fort, „ſo ſehr mich auch der Tod des guten George betrübt — denn er war mir, bis auf die letzte Zeit, wo er ſo krank und verſtimmt ward, der beſte, liebevollſte und aufmerkſamſte Lehrer — ſo habe ich doch Gott für viel Gnade zu danken, daß die Kugel des Mörders ihr Ziel verfehlte und weder Sie, noch meinen theuren Vater tödtlich traf.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet03_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet03_1846/60
Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 3. Jena, 1846, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet03_1846/60>, abgerufen am 27.04.2024.