Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 3. Jena, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

-- "Jst er wirklich todt, der gute Sir George?"
rief Flora dem Eintretenden unter heftiger strömen-
den Thränen entgegen; "ist Rettung nicht mehr mög-
lich?"

-- "Nein," versetzte Arnold, in dessen Herzen
sich beim Anblick dieses Schmerzes und dieser Thränen
ein Gefühl von Eifersucht regte; "nein, Lady Flora,
an Hülfe, an Rettung ist nicht mehr zu denken. Es
thut mir leid, Jhnen diese Nachricht bringen zu müs-
sen," fügte er nach einer Pause hinzu, "denn viel-
leicht werden Sie Dem auf ewig gram werden, dessen
Lippen sie aussprachen."

-- "Wie sollte ich Jhnen deshalb gram wer-
den, Mr. Arnold?" versetzte sie, die keine Ahnung
von dem hatte, was in seiner Seele vorging; "sind
Sie doch nicht an dem Tode des guten Sir George
Schuld!"

-- "Wenn auch nicht direct, doch indirect,"
war seine Antwort; "denn hätte sich der edle Ver-
storbene nicht auf den Mörder gestürzt, der es wahr-
scheinlich auf mein Leben abgesehen hatte, so würde
er den tödtlichen Stich nicht erhalten und ich ihn
nicht zu beneiden haben."

-- "Zu beneiden?" fragte Flora und sah ihn
verwundert an. "Sind Sie denn so unglücklich, Sir,
daß Sie sich den Tod wünschen?"

— „Jſt er wirklich todt, der gute Sir George?“
rief Flora dem Eintretenden unter heftiger ſtrömen-
den Thränen entgegen; „iſt Rettung nicht mehr mög-
lich?“

— „Nein,“ verſetzte Arnold, in deſſen Herzen
ſich beim Anblick dieſes Schmerzes und dieſer Thränen
ein Gefühl von Eiferſucht regte; „nein, Lady Flora,
an Hülfe, an Rettung iſt nicht mehr zu denken. Es
thut mir leid, Jhnen dieſe Nachricht bringen zu müſ-
ſen,“ fügte er nach einer Pauſe hinzu, „denn viel-
leicht werden Sie Dem auf ewig gram werden, deſſen
Lippen ſie ausſprachen.“

— „Wie ſollte ich Jhnen deshalb gram wer-
den, Mr. Arnold?“ verſetzte ſie, die keine Ahnung
von dem hatte, was in ſeiner Seele vorging; „ſind
Sie doch nicht an dem Tode des guten Sir George
Schuld!“

— „Wenn auch nicht direct, doch indirect,“
war ſeine Antwort; „denn hätte ſich der edle Ver-
ſtorbene nicht auf den Mörder geſtürzt, der es wahr-
ſcheinlich auf mein Leben abgeſehen hatte, ſo würde
er den tödtlichen Stich nicht erhalten und ich ihn
nicht zu beneiden haben.“

— „Zu beneiden?“ fragte Flora und ſah ihn
verwundert an. „Sind Sie denn ſo unglücklich, Sir,
daß Sie ſich den Tod wünſchen?“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0059" n="53"/>
        <p>&#x2014; &#x201E;J&#x017F;t er wirklich todt, der gute Sir George?&#x201C;<lb/>
rief Flora dem Eintretenden unter heftiger &#x017F;trömen-<lb/>
den Thränen entgegen; &#x201E;i&#x017F;t Rettung nicht mehr mög-<lb/>
lich?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x2014; &#x201E;Nein,&#x201C; ver&#x017F;etzte Arnold, in de&#x017F;&#x017F;en Herzen<lb/>
&#x017F;ich beim Anblick die&#x017F;es Schmerzes und die&#x017F;er Thränen<lb/>
ein Gefühl von Eifer&#x017F;ucht regte; &#x201E;nein, Lady Flora,<lb/>
an Hülfe, an Rettung i&#x017F;t nicht mehr zu denken. Es<lb/>
thut mir leid, Jhnen die&#x017F;e Nachricht bringen zu mü&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en,&#x201C; fügte er nach einer Pau&#x017F;e hinzu, &#x201E;denn viel-<lb/>
leicht werden Sie Dem auf ewig gram werden, de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Lippen &#x017F;ie aus&#x017F;prachen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x2014; &#x201E;Wie &#x017F;ollte ich Jhnen deshalb gram wer-<lb/>
den, Mr. Arnold?&#x201C; ver&#x017F;etzte &#x017F;ie, die keine Ahnung<lb/>
von dem hatte, was in &#x017F;einer Seele vorging; &#x201E;&#x017F;ind<lb/>
Sie doch nicht an dem Tode des guten Sir George<lb/>
Schuld!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x2014; &#x201E;Wenn auch nicht direct, doch indirect,&#x201C;<lb/>
war &#x017F;eine Antwort; &#x201E;denn hätte &#x017F;ich der edle Ver-<lb/>
&#x017F;torbene nicht auf den Mörder ge&#x017F;türzt, der es wahr-<lb/>
&#x017F;cheinlich auf mein Leben abge&#x017F;ehen hatte, &#x017F;o würde<lb/>
er den tödtlichen Stich nicht erhalten und ich ihn<lb/>
nicht zu beneiden haben.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x2014; &#x201E;Zu beneiden?&#x201C; fragte Flora und &#x017F;ah ihn<lb/>
verwundert an. &#x201E;Sind Sie denn &#x017F;o unglücklich, Sir,<lb/>
daß Sie &#x017F;ich den Tod wün&#x017F;chen?&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[53/0059] — „Jſt er wirklich todt, der gute Sir George?“ rief Flora dem Eintretenden unter heftiger ſtrömen- den Thränen entgegen; „iſt Rettung nicht mehr mög- lich?“ — „Nein,“ verſetzte Arnold, in deſſen Herzen ſich beim Anblick dieſes Schmerzes und dieſer Thränen ein Gefühl von Eiferſucht regte; „nein, Lady Flora, an Hülfe, an Rettung iſt nicht mehr zu denken. Es thut mir leid, Jhnen dieſe Nachricht bringen zu müſ- ſen,“ fügte er nach einer Pauſe hinzu, „denn viel- leicht werden Sie Dem auf ewig gram werden, deſſen Lippen ſie ausſprachen.“ — „Wie ſollte ich Jhnen deshalb gram wer- den, Mr. Arnold?“ verſetzte ſie, die keine Ahnung von dem hatte, was in ſeiner Seele vorging; „ſind Sie doch nicht an dem Tode des guten Sir George Schuld!“ — „Wenn auch nicht direct, doch indirect,“ war ſeine Antwort; „denn hätte ſich der edle Ver- ſtorbene nicht auf den Mörder geſtürzt, der es wahr- ſcheinlich auf mein Leben abgeſehen hatte, ſo würde er den tödtlichen Stich nicht erhalten und ich ihn nicht zu beneiden haben.“ — „Zu beneiden?“ fragte Flora und ſah ihn verwundert an. „Sind Sie denn ſo unglücklich, Sir, daß Sie ſich den Tod wünſchen?“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet03_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet03_1846/59
Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 3. Jena, 1846, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet03_1846/59>, abgerufen am 23.11.2024.