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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 3. Jena, 1846.

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Blick zum tiefblauen Himmel emporgerichtet, in stiller
Seligkeit dalag und aus den Händen der Natur und
der Einsamkeit die göttlichsten, beglückendsten Gaben
empfing und seine Seele auf Schwingen der Andacht
sich dankend zum Schöpfer emporhob und seine heilige
Nähe fühlte, sein Wesen ahnete.

Alle diese Erinnerungen erwachten bei Florens
Gesang wieder in seiner Seele und noch einmal war
er ganz wieder glücklich, noch einmal ein frohes Kind.
Sie selbst, die Schöpferin dieser Wonnen, kam ihm
wie der Frühling, wie das Bild der ewigen Jugend
vor; er hätte es nicht ertragen, sie sich gealtert, diese
göttliche Stimme ohne Metall und Schmelz zu den-
ken; er hätte den Wunsch aussprechen mögen, daß sie
in der Blüte ihrer Jugend und Schönheit sterben,
nicht das allgemeine Loos der Menschen theilen möge,
aus dem Lenze in den Sommer, aus diesem in den
Herbst und endlich in den eisigen Winter überzugehen.
Er grollte mit der Gottheit, daß sie in einzelnen Fäl-
len keine Ausnahme mache, daß sie gleiche Gesetze
für Alle habe, für das Häßliche, wie für das Schöne,
für das Große, wie für das Geringe, für das Außer-
ordentliche, wie für das Gemeine.

Spiel und Gesang verstummten endlich; Flora
erhob sich von ihrem Sitze und trat zu Arnold hin,
der so in Gedanken vertieft war, daß er der Höflich-

Blick zum tiefblauen Himmel emporgerichtet, in ſtiller
Seligkeit dalag und aus den Händen der Natur und
der Einſamkeit die göttlichſten, beglückendſten Gaben
empfing und ſeine Seele auf Schwingen der Andacht
ſich dankend zum Schöpfer emporhob und ſeine heilige
Nähe fühlte, ſein Weſen ahnete.

Alle dieſe Erinnerungen erwachten bei Florens
Geſang wieder in ſeiner Seele und noch einmal war
er ganz wieder glücklich, noch einmal ein frohes Kind.
Sie ſelbſt, die Schöpferin dieſer Wonnen, kam ihm
wie der Frühling, wie das Bild der ewigen Jugend
vor; er hätte es nicht ertragen, ſie ſich gealtert, dieſe
göttliche Stimme ohne Metall und Schmelz zu den-
ken; er hätte den Wunſch ausſprechen mögen, daß ſie
in der Blüte ihrer Jugend und Schönheit ſterben,
nicht das allgemeine Loos der Menſchen theilen möge,
aus dem Lenze in den Sommer, aus dieſem in den
Herbſt und endlich in den eiſigen Winter überzugehen.
Er grollte mit der Gottheit, daß ſie in einzelnen Fäl-
len keine Ausnahme mache, daß ſie gleiche Geſetze
für Alle habe, für das Häßliche, wie für das Schöne,
für das Große, wie für das Geringe, für das Außer-
ordentliche, wie für das Gemeine.

Spiel und Geſang verſtummten endlich; Flora
erhob ſich von ihrem Sitze und trat zu Arnold hin,
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[24/0030] Blick zum tiefblauen Himmel emporgerichtet, in ſtiller Seligkeit dalag und aus den Händen der Natur und der Einſamkeit die göttlichſten, beglückendſten Gaben empfing und ſeine Seele auf Schwingen der Andacht ſich dankend zum Schöpfer emporhob und ſeine heilige Nähe fühlte, ſein Weſen ahnete. Alle dieſe Erinnerungen erwachten bei Florens Geſang wieder in ſeiner Seele und noch einmal war er ganz wieder glücklich, noch einmal ein frohes Kind. Sie ſelbſt, die Schöpferin dieſer Wonnen, kam ihm wie der Frühling, wie das Bild der ewigen Jugend vor; er hätte es nicht ertragen, ſie ſich gealtert, dieſe göttliche Stimme ohne Metall und Schmelz zu den- ken; er hätte den Wunſch ausſprechen mögen, daß ſie in der Blüte ihrer Jugend und Schönheit ſterben, nicht das allgemeine Loos der Menſchen theilen möge, aus dem Lenze in den Sommer, aus dieſem in den Herbſt und endlich in den eiſigen Winter überzugehen. Er grollte mit der Gottheit, daß ſie in einzelnen Fäl- len keine Ausnahme mache, daß ſie gleiche Geſetze für Alle habe, für das Häßliche, wie für das Schöne, für das Große, wie für das Geringe, für das Außer- ordentliche, wie für das Gemeine. Spiel und Geſang verſtummten endlich; Flora erhob ſich von ihrem Sitze und trat zu Arnold hin, der ſo in Gedanken vertieft war, daß er der Höflich-

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Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 3. Jena, 1846, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet03_1846/30>, abgerufen am 19.04.2024.