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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 3. Jena, 1846.

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Der Gegensatz zu den beiden Glücklichen bildete
der Prophet, der sich unter den Händen der Wund-
ärzte im Kerker befand und unsägliche Schmerzen zu
erdulden hatte. Der Tomahawk White-hawks hatte
ihm mehre furchtbare Wunden beigebracht, wovon
zwar keine einzige tödtlich war, die aber so schmerz-
ten, daß er alle seine moralische Kraft aufbieten mußte,
um sich nicht schwach zu zeigen, und das wollte er
nicht. Keine Klage, kein Schmerzenslaut entschlüpfte
seinen Lippen; nur die tödtliche Blässe seines sonst
so blühenden Antlitzes; nur der Schweiß, der in Strö-
men von seiner bleichen Stirn herabfloß, und dann
und wann ein fast unmerkliches Zucken, dessen er sich
nicht zu erwehren vermochte, verriethen, was er litt,
welche Schmerzen er zu erdulden hatte.

Nachdem die beiden Wundärzte mit ihrem Ge-
schäfte fertig waren, lag Joe einige Augenblicke wie
in tödtlicher Ermattung da; seine Schmerzen waren
so groß gewesen und die Anstrengungen, die er ge-
macht, um durch kein Zeichen zu verrathen, was er
litt, hatten ihn dermaßen erschöpft, daß man ihn für
todt hätte halten können.

-- "Halten Sie sich ruhig, ganz ruhig, Sir!"
befahl ihm einer der beiden Wundärzte, der dem Bette
am nächsten stand und die von ihm versuchte Bewe-

Der Gegenſatz zu den beiden Glücklichen bildete
der Prophet, der ſich unter den Händen der Wund-
ärzte im Kerker befand und unſägliche Schmerzen zu
erdulden hatte. Der Tomahawk White-hawks hatte
ihm mehre furchtbare Wunden beigebracht, wovon
zwar keine einzige tödtlich war, die aber ſo ſchmerz-
ten, daß er alle ſeine moraliſche Kraft aufbieten mußte,
um ſich nicht ſchwach zu zeigen, und das wollte er
nicht. Keine Klage, kein Schmerzenslaut entſchlüpfte
ſeinen Lippen; nur die tödtliche Bläſſe ſeines ſonſt
ſo blühenden Antlitzes; nur der Schweiß, der in Strö-
men von ſeiner bleichen Stirn herabfloß, und dann
und wann ein faſt unmerkliches Zucken, deſſen er ſich
nicht zu erwehren vermochte, verriethen, was er litt,
welche Schmerzen er zu erdulden hatte.

Nachdem die beiden Wundärzte mit ihrem Ge-
ſchäfte fertig waren, lag Joe einige Augenblicke wie
in tödtlicher Ermattung da; ſeine Schmerzen waren
ſo groß geweſen und die Anſtrengungen, die er ge-
macht, um durch kein Zeichen zu verrathen, was er
litt, hatten ihn dermaßen erſchöpft, daß man ihn für
todt hätte halten können.

— „Halten Sie ſich ruhig, ganz ruhig, Sir!“
befahl ihm einer der beiden Wundärzte, der dem Bette
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[159/0165] Der Gegenſatz zu den beiden Glücklichen bildete der Prophet, der ſich unter den Händen der Wund- ärzte im Kerker befand und unſägliche Schmerzen zu erdulden hatte. Der Tomahawk White-hawks hatte ihm mehre furchtbare Wunden beigebracht, wovon zwar keine einzige tödtlich war, die aber ſo ſchmerz- ten, daß er alle ſeine moraliſche Kraft aufbieten mußte, um ſich nicht ſchwach zu zeigen, und das wollte er nicht. Keine Klage, kein Schmerzenslaut entſchlüpfte ſeinen Lippen; nur die tödtliche Bläſſe ſeines ſonſt ſo blühenden Antlitzes; nur der Schweiß, der in Strö- men von ſeiner bleichen Stirn herabfloß, und dann und wann ein faſt unmerkliches Zucken, deſſen er ſich nicht zu erwehren vermochte, verriethen, was er litt, welche Schmerzen er zu erdulden hatte. Nachdem die beiden Wundärzte mit ihrem Ge- ſchäfte fertig waren, lag Joe einige Augenblicke wie in tödtlicher Ermattung da; ſeine Schmerzen waren ſo groß geweſen und die Anſtrengungen, die er ge- macht, um durch kein Zeichen zu verrathen, was er litt, hatten ihn dermaßen erſchöpft, daß man ihn für todt hätte halten können. — „Halten Sie ſich ruhig, ganz ruhig, Sir!“ befahl ihm einer der beiden Wundärzte, der dem Bette am nächſten ſtand und die von ihm verſuchte Bewe-

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Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 3. Jena, 1846, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet03_1846/165>, abgerufen am 30.11.2024.