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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 3. Jena, 1846.

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vom Sopha auf und trat an das Fenster; sie öffnete
es, um hinaus zu schauen, ob sie den Vater nicht
vielleicht erblickte, so thöricht unter den obwaltenden
Umständen diese Hoffnung auch war. Es war stille
und öde im Garten, nur die Tritte der Schildwacht,
die an der Hinterseite des Gebäudes mit langsamen
Schritten auf und niederging, vernahm sie, so wie
das ängstliche Geschrei ihrer armen Vögel in der Vo-
liere, denen man Futter zu geben versäumt haben
mochte. Dieses Geschrei that ihr weh' und sie schloß
schnell wieder das Fenster, um es nicht mehr zu
hören.

Jetzt, eben als sie zu ihrem Divan zurückkehren
wollte, vernahm sie kräftige, unverkennbar männliche
Fußtritte auf dem Vorsaal und in der Erwartung,
daß es ihr Vater sei, der zu ihr zurückkehrte, eilte
sie mit laut klopfendem Herzen zur Thür, in deren
Schlosse der Schlüssel bereits umgedreht wurde.

Sie öffnete sich, aber statt des Erwarteten, stand
Joe Smith in glänzender Generalsuniform vor ihr.
Sie erkannte ihn auf den ersten Blick wieder, denn
sie hatte ihn ja längere Zeit bei einem Besuche, den
sie in Vandalia mit ihrem Vater gemacht, gesehen
und gesprochen.

Sie hatte bereits die Lippen geöffnet, um ihren
Vater mit einem freudigen Zurufe zu begrüßen, schon

vom Sopha auf und trat an das Fenſter; ſie öffnete
es, um hinaus zu ſchauen, ob ſie den Vater nicht
vielleicht erblickte, ſo thöricht unter den obwaltenden
Umſtänden dieſe Hoffnung auch war. Es war ſtille
und öde im Garten, nur die Tritte der Schildwacht,
die an der Hinterſeite des Gebäudes mit langſamen
Schritten auf und niederging, vernahm ſie, ſo wie
das ängſtliche Geſchrei ihrer armen Vögel in der Vo-
liere, denen man Futter zu geben verſäumt haben
mochte. Dieſes Geſchrei that ihr weh’ und ſie ſchloß
ſchnell wieder das Fenſter, um es nicht mehr zu
hören.

Jetzt, eben als ſie zu ihrem Divan zurückkehren
wollte, vernahm ſie kräftige, unverkennbar männliche
Fußtritte auf dem Vorſaal und in der Erwartung,
daß es ihr Vater ſei, der zu ihr zurückkehrte, eilte
ſie mit laut klopfendem Herzen zur Thür, in deren
Schloſſe der Schlüſſel bereits umgedreht wurde.

Sie öffnete ſich, aber ſtatt des Erwarteten, ſtand
Joe Smith in glänzender Generalsuniform vor ihr.
Sie erkannte ihn auf den erſten Blick wieder, denn
ſie hatte ihn ja längere Zeit bei einem Beſuche, den
ſie in Vandalia mit ihrem Vater gemacht, geſehen
und geſprochen.

Sie hatte bereits die Lippen geöffnet, um ihren
Vater mit einem freudigen Zurufe zu begrüßen, ſchon

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[139/0145] vom Sopha auf und trat an das Fenſter; ſie öffnete es, um hinaus zu ſchauen, ob ſie den Vater nicht vielleicht erblickte, ſo thöricht unter den obwaltenden Umſtänden dieſe Hoffnung auch war. Es war ſtille und öde im Garten, nur die Tritte der Schildwacht, die an der Hinterſeite des Gebäudes mit langſamen Schritten auf und niederging, vernahm ſie, ſo wie das ängſtliche Geſchrei ihrer armen Vögel in der Vo- liere, denen man Futter zu geben verſäumt haben mochte. Dieſes Geſchrei that ihr weh’ und ſie ſchloß ſchnell wieder das Fenſter, um es nicht mehr zu hören. Jetzt, eben als ſie zu ihrem Divan zurückkehren wollte, vernahm ſie kräftige, unverkennbar männliche Fußtritte auf dem Vorſaal und in der Erwartung, daß es ihr Vater ſei, der zu ihr zurückkehrte, eilte ſie mit laut klopfendem Herzen zur Thür, in deren Schloſſe der Schlüſſel bereits umgedreht wurde. Sie öffnete ſich, aber ſtatt des Erwarteten, ſtand Joe Smith in glänzender Generalsuniform vor ihr. Sie erkannte ihn auf den erſten Blick wieder, denn ſie hatte ihn ja längere Zeit bei einem Beſuche, den ſie in Vandalia mit ihrem Vater gemacht, geſehen und geſprochen. Sie hatte bereits die Lippen geöffnet, um ihren Vater mit einem freudigen Zurufe zu begrüßen, ſchon

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Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 3. Jena, 1846, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet03_1846/145>, abgerufen am 04.05.2024.