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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846.

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benskeime weckt, während es selbst die äußere Form
dessen zerstört, das so innig mit uns verbunden war,
das wir mit der ganzen Liebesgluth unserer Seele
umfaßten. Wir möchten bei solchen Verlüsten sich die
ganze Natur in Trauer kleiden sehen und sie lächelt uns
und unsern Schmerz, gleichsam wie zum Hohne, an.

Diese tiefdunkle, schweigende Nacht lag auf Di-
nas Grabe: der Gedanke that Arnolden wohl. Auch
in ihr war es still und dunkel geworden, wie in der
Natur; auch in ihr waren alle Kämpfe geendet, alle
verwirrenden Leidenschaften zum Schweigen gebracht,
und ein neues Daseyn, gleichviel in welcher Form,
ihr aufgegangen. Er dachte jetzt ohne allen Schmerz
an ihren Tod; er wäre nicht egoistisch genug gewesen,
sie, wenn er es vermocht hätte, wieder in's Leben
zurückzurufen, obgleich sie ihm lieb, sehr lieb in der
kurzen Zeit ihres Beisammenlebens geworden war und
seine Seele die Ahnung hegte, daß in ihr vielleicht
das Wesen zu Grunde gegangen, das mit der vollen
Kraft seines Herzens zu lieben, seine Bestimmung ge-
wesen sei; denn so wie sie, die dem Tode schon Ge-
weihte, die Geknickte, Verblühte, hatte bis dahin
noch kein Weib auf ihn gewirkt. Es war, als ob
etwas Magnetisches, hervorgerufen durch die Sym-
pathie ihres Nervengeistes, zwischen ihnen geherrscht
habe, denn auf keine andre Weise vermochte er sich

benskeime weckt, während es ſelbſt die äußere Form
deſſen zerſtört, das ſo innig mit uns verbunden war,
das wir mit der ganzen Liebesgluth unſerer Seele
umfaßten. Wir möchten bei ſolchen Verlüſten ſich die
ganze Natur in Trauer kleiden ſehen und ſie lächelt uns
und unſern Schmerz, gleichſam wie zum Hohne, an.

Dieſe tiefdunkle, ſchweigende Nacht lag auf Di-
nas Grabe: der Gedanke that Arnolden wohl. Auch
in ihr war es ſtill und dunkel geworden, wie in der
Natur; auch in ihr waren alle Kämpfe geendet, alle
verwirrenden Leidenſchaften zum Schweigen gebracht,
und ein neues Daſeyn, gleichviel in welcher Form,
ihr aufgegangen. Er dachte jetzt ohne allen Schmerz
an ihren Tod; er wäre nicht egoiſtiſch genug geweſen,
ſie, wenn er es vermocht hätte, wieder in’s Leben
zurückzurufen, obgleich ſie ihm lieb, ſehr lieb in der
kurzen Zeit ihres Beiſammenlebens geworden war und
ſeine Seele die Ahnung hegte, daß in ihr vielleicht
das Weſen zu Grunde gegangen, das mit der vollen
Kraft ſeines Herzens zu lieben, ſeine Beſtimmung ge-
weſen ſei; denn ſo wie ſie, die dem Tode ſchon Ge-
weihte, die Geknickte, Verblühte, hatte bis dahin
noch kein Weib auf ihn gewirkt. Es war, als ob
etwas Magnetiſches, hervorgerufen durch die Sym-
pathie ihres Nervengeiſtes, zwiſchen ihnen geherrſcht
habe, denn auf keine andre Weiſe vermochte er ſich

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[69/0075] benskeime weckt, während es ſelbſt die äußere Form deſſen zerſtört, das ſo innig mit uns verbunden war, das wir mit der ganzen Liebesgluth unſerer Seele umfaßten. Wir möchten bei ſolchen Verlüſten ſich die ganze Natur in Trauer kleiden ſehen und ſie lächelt uns und unſern Schmerz, gleichſam wie zum Hohne, an. Dieſe tiefdunkle, ſchweigende Nacht lag auf Di- nas Grabe: der Gedanke that Arnolden wohl. Auch in ihr war es ſtill und dunkel geworden, wie in der Natur; auch in ihr waren alle Kämpfe geendet, alle verwirrenden Leidenſchaften zum Schweigen gebracht, und ein neues Daſeyn, gleichviel in welcher Form, ihr aufgegangen. Er dachte jetzt ohne allen Schmerz an ihren Tod; er wäre nicht egoiſtiſch genug geweſen, ſie, wenn er es vermocht hätte, wieder in’s Leben zurückzurufen, obgleich ſie ihm lieb, ſehr lieb in der kurzen Zeit ihres Beiſammenlebens geworden war und ſeine Seele die Ahnung hegte, daß in ihr vielleicht das Weſen zu Grunde gegangen, das mit der vollen Kraft ſeines Herzens zu lieben, ſeine Beſtimmung ge- weſen ſei; denn ſo wie ſie, die dem Tode ſchon Ge- weihte, die Geknickte, Verblühte, hatte bis dahin noch kein Weib auf ihn gewirkt. Es war, als ob etwas Magnetiſches, hervorgerufen durch die Sym- pathie ihres Nervengeiſtes, zwiſchen ihnen geherrſcht habe, denn auf keine andre Weiſe vermochte er ſich

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Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet02_1846/75>, abgerufen am 15.05.2024.