harrt, der ihr aus den verdichteten Wolken zuströmen und den durch die heiße Sonnengluth in ihrem Schooße entzündeten Brand abkühlen soll. Kein Blatt am Baume bewegte sich, nicht einmal das gefiederte, so leicht bewegliche Laub der Akazien zitterte an den fei- nen, schlanken Zweigen; kein Vogel schüttelte das farbige Gefieder unter dem Laubdache der Magnolien; kein Nachtschmetterling schwirrte, da sein Jnstinkt ihm sagte, daß der zarte Schmelz seiner Flügel durch den jeden Augenblick zu erwartenden Regen bedroht würde; Alles schwieg, Alles ruhte und eine Stille lag über der ganzen Natur, als ob der Tod seine Schwingen über alles Geschaffene gebreitet hätte.
Arnolden that dieses Schweigen, ihm that selbst die tiefe Dunkelheit wohl. Es war ihm recht, daß keins der himmlischen Gestirne seine Strahlen auf den Schauplatz so vieler Gräuel, so vielen Jammers und Elends niedersandte; daß der Mond nicht, gleichsam lächelnd und unbekümmert um das, was unter ihm vorging, durch den tiefblauen Aether hinschiffte. Denn dieser Contrast zwischen den sich nach ewigen Gesetzen gleichmäßig bewegenden Weltkörpern und der ewigen Unruhe, Unstätigkeit und Zerrissenheit der Menschen- seele war schon oft ein schmerzlicher für ihn gewesen. Wie verhaßt ist uns nicht der Sonnenschein, der auf das Grab der Geliebtesten fällt und dort andere Le-
harrt, der ihr aus den verdichteten Wolken zuſtrömen und den durch die heiße Sonnengluth in ihrem Schooße entzündeten Brand abkühlen ſoll. Kein Blatt am Baume bewegte ſich, nicht einmal das gefiederte, ſo leicht bewegliche Laub der Akazien zitterte an den fei- nen, ſchlanken Zweigen; kein Vogel ſchüttelte das farbige Gefieder unter dem Laubdache der Magnolien; kein Nachtſchmetterling ſchwirrte, da ſein Jnſtinkt ihm ſagte, daß der zarte Schmelz ſeiner Flügel durch den jeden Augenblick zu erwartenden Regen bedroht würde; Alles ſchwieg, Alles ruhte und eine Stille lag über der ganzen Natur, als ob der Tod ſeine Schwingen über alles Geſchaffene gebreitet hätte.
Arnolden that dieſes Schweigen, ihm that ſelbſt die tiefe Dunkelheit wohl. Es war ihm recht, daß keins der himmliſchen Geſtirne ſeine Strahlen auf den Schauplatz ſo vieler Gräuel, ſo vielen Jammers und Elends niederſandte; daß der Mond nicht, gleichſam lächelnd und unbekümmert um das, was unter ihm vorging, durch den tiefblauen Aether hinſchiffte. Denn dieſer Contraſt zwiſchen den ſich nach ewigen Geſetzen gleichmäßig bewegenden Weltkörpern und der ewigen Unruhe, Unſtätigkeit und Zerriſſenheit der Menſchen- ſeele war ſchon oft ein ſchmerzlicher für ihn geweſen. Wie verhaßt iſt uns nicht der Sonnenſchein, der auf das Grab der Geliebteſten fällt und dort andere Le-
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harrt, der ihr aus den verdichteten Wolken zuſtrömen
und den durch die heiße Sonnengluth in ihrem Schooße
entzündeten Brand abkühlen ſoll. Kein Blatt am
Baume bewegte ſich, nicht einmal das gefiederte, ſo
leicht bewegliche Laub der Akazien zitterte an den fei-
nen, ſchlanken Zweigen; kein Vogel ſchüttelte das
farbige Gefieder unter dem Laubdache der Magnolien;
kein Nachtſchmetterling ſchwirrte, da ſein Jnſtinkt ihm
ſagte, daß der zarte Schmelz ſeiner Flügel durch den
jeden Augenblick zu erwartenden Regen bedroht würde;
Alles ſchwieg, Alles ruhte und eine Stille lag über
der ganzen Natur, als ob der Tod ſeine Schwingen
über alles Geſchaffene gebreitet hätte.
Arnolden that dieſes Schweigen, ihm that ſelbſt
die tiefe Dunkelheit wohl. Es war ihm recht, daß
keins der himmliſchen Geſtirne ſeine Strahlen auf den
Schauplatz ſo vieler Gräuel, ſo vielen Jammers und
Elends niederſandte; daß der Mond nicht, gleichſam
lächelnd und unbekümmert um das, was unter ihm
vorging, durch den tiefblauen Aether hinſchiffte. Denn
dieſer Contraſt zwiſchen den ſich nach ewigen Geſetzen
gleichmäßig bewegenden Weltkörpern und der ewigen
Unruhe, Unſtätigkeit und Zerriſſenheit der Menſchen-
ſeele war ſchon oft ein ſchmerzlicher für ihn geweſen.
Wie verhaßt iſt uns nicht der Sonnenſchein, der auf
das Grab der Geliebteſten fällt und dort andere Le-
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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet02_1846/74>, abgerufen am 16.02.2025.
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