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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846.

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gehabt hatten. Denn immer rauher wurde die Land-
schaft, immer steiler strebten die Berge zum Himmel
empor; immer kälter, immer schneidender wurde die
Luft und fast fing Marie schon zu bereuen an, die
Reise unternommen zu haben.

-- "Morgen, so hoffe ich," antwortete ihr
Hieram mit einem seltsamen Lächeln; "für diese Nacht
aber werden Sie sich noch unter freiem Himmel be-
helfen müssen, Lady Marie."

-- "So sind wir also an der Grenze des Sioux-
districts?" fragte sie wieder. "Jch hätte nicht ge-
glaubt, daß diese Wilden in einer so wüsten, schau-
derhaften Gegend lebten. Mr. Arnold wußte mir
nicht genug von den Annehmlichkeiten ihrer Wohnsitze
zu erzählen."

-- "Da hinter den Bergen," antwortete er ihr,
auf eine vor ihnen liegende Bergkette zeigend, deren
Spitzen fast bis die Wolken hinaufreichten, "da hin-
ter den Bergen wird das Land besser und freund-
licher."

-- "Gott gebe es!" sagte sie, mit einem tie-
fen Seufzer in der Einöde umherblickend; "hier ist es
wild und schauerlich und nicht begraben möchte ich
hier seyn!"

-- "Freilich, freilich, Miß," antwortete er ihr
mit einem verzerrten Lächeln, "ist es in Nauvoo besser

gehabt hatten. Denn immer rauher wurde die Land-
ſchaft, immer ſteiler ſtrebten die Berge zum Himmel
empor; immer kälter, immer ſchneidender wurde die
Luft und faſt fing Marie ſchon zu bereuen an, die
Reiſe unternommen zu haben.

— „Morgen, ſo hoffe ich,“ antwortete ihr
Hieram mit einem ſeltſamen Lächeln; „für dieſe Nacht
aber werden Sie ſich noch unter freiem Himmel be-
helfen müſſen, Lady Marie.“

— „So ſind wir alſo an der Grenze des Sioux-
diſtricts?“ fragte ſie wieder. „Jch hätte nicht ge-
glaubt, daß dieſe Wilden in einer ſo wüſten, ſchau-
derhaften Gegend lebten. Mr. Arnold wußte mir
nicht genug von den Annehmlichkeiten ihrer Wohnſitze
zu erzählen.“

— „Da hinter den Bergen,“ antwortete er ihr,
auf eine vor ihnen liegende Bergkette zeigend, deren
Spitzen faſt bis die Wolken hinaufreichten, „da hin-
ter den Bergen wird das Land beſſer und freund-
licher.“

— „Gott gebe es!“ ſagte ſie, mit einem tie-
fen Seufzer in der Einöde umherblickend; „hier iſt es
wild und ſchauerlich und nicht begraben möchte ich
hier ſeyn!“

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[181/0187] gehabt hatten. Denn immer rauher wurde die Land- ſchaft, immer ſteiler ſtrebten die Berge zum Himmel empor; immer kälter, immer ſchneidender wurde die Luft und faſt fing Marie ſchon zu bereuen an, die Reiſe unternommen zu haben. — „Morgen, ſo hoffe ich,“ antwortete ihr Hieram mit einem ſeltſamen Lächeln; „für dieſe Nacht aber werden Sie ſich noch unter freiem Himmel be- helfen müſſen, Lady Marie.“ — „So ſind wir alſo an der Grenze des Sioux- diſtricts?“ fragte ſie wieder. „Jch hätte nicht ge- glaubt, daß dieſe Wilden in einer ſo wüſten, ſchau- derhaften Gegend lebten. Mr. Arnold wußte mir nicht genug von den Annehmlichkeiten ihrer Wohnſitze zu erzählen.“ — „Da hinter den Bergen,“ antwortete er ihr, auf eine vor ihnen liegende Bergkette zeigend, deren Spitzen faſt bis die Wolken hinaufreichten, „da hin- ter den Bergen wird das Land beſſer und freund- licher.“ — „Gott gebe es!“ ſagte ſie, mit einem tie- fen Seufzer in der Einöde umherblickend; „hier iſt es wild und ſchauerlich und nicht begraben möchte ich hier ſeyn!“ — „Freilich, freilich, Miß,“ antwortete er ihr mit einem verzerrten Lächeln, „iſt es in Nauvoo beſſer

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Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet02_1846/187>, abgerufen am 17.05.2024.