Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846.schäftigung auf einen Stuhl niederfallen zu lassen, um Wenn sie sich nach einem unter so unerhörten 10
ſchäftigung auf einen Stuhl niederfallen zu laſſen, um Wenn ſie ſich nach einem unter ſo unerhörten 10
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0153" n="145"/> ſchäftigung auf einen Stuhl niederfallen zu laſſen, um<lb/> nur wieder etwas Kraft zu gewinnen; kein Gang,<lb/> kein Treppenſteigen wurde ihr erſpart, ſo ſchwer ihr<lb/> beides auch wurde, und eben ſo wenig, als ihrer phy-<lb/> ſiſchen Leiden, ſchonte man ihrer moraliſchen, indem<lb/> in ihrer Gegenwart von Dingen geſprochen wurde,<lb/> von denen wenigſtens Joe Smith wiſſen mußte, daß<lb/> ſie ihr tief in die Seele ſchnitten.</p><lb/> <p>Wenn ſie ſich nach einem unter ſo unerhörten<lb/> Anſtrengungen verlebten Tage in ihrem einſamen Käm-<lb/> merchen befand, ſank ſie gewöhnlich wie in tödtlicher<lb/> Ermattung auf ihr Lager nieder und lag ſtundenlang,<lb/> ohne ſich nur bewegen zu können. Sie machte dann<lb/> den Verſuch zu beten, ſie rief den Befreier von aller<lb/> Qual, den Erretter Tod, an und erſchrack doch wie-<lb/> der vor ſich ſelbſt, daß ſie Gott um denſelben habe<lb/> bitten können, da ſie doch noch nicht genug gebüßt<lb/> und allein durch Leben büßen könne. So rang die<lb/> Arme beſtändig zwiſchen den zwei ſich widerſtreitenden<lb/> Wünſchen des Lebens und des Sterbens; ſo ſah ſie<lb/> einen Augenblick ihre immer mehr und mehr ſich mit<lb/> dem Stigma des Todes bezeichnende Geſtalt mit eben<lb/> dem Entzücken im Spiegel an, womit die gefallſüch-<lb/> tige Marie ihre friſchen Reize darin betrachtete, und<lb/> erſchrack im andern vor der von ihr vermeintlich durch<lb/> dieſe Freude begangene Sünde.</p><lb/> <fw place="bottom" type="sig">10</fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [145/0153]
ſchäftigung auf einen Stuhl niederfallen zu laſſen, um
nur wieder etwas Kraft zu gewinnen; kein Gang,
kein Treppenſteigen wurde ihr erſpart, ſo ſchwer ihr
beides auch wurde, und eben ſo wenig, als ihrer phy-
ſiſchen Leiden, ſchonte man ihrer moraliſchen, indem
in ihrer Gegenwart von Dingen geſprochen wurde,
von denen wenigſtens Joe Smith wiſſen mußte, daß
ſie ihr tief in die Seele ſchnitten.
Wenn ſie ſich nach einem unter ſo unerhörten
Anſtrengungen verlebten Tage in ihrem einſamen Käm-
merchen befand, ſank ſie gewöhnlich wie in tödtlicher
Ermattung auf ihr Lager nieder und lag ſtundenlang,
ohne ſich nur bewegen zu können. Sie machte dann
den Verſuch zu beten, ſie rief den Befreier von aller
Qual, den Erretter Tod, an und erſchrack doch wie-
der vor ſich ſelbſt, daß ſie Gott um denſelben habe
bitten können, da ſie doch noch nicht genug gebüßt
und allein durch Leben büßen könne. So rang die
Arme beſtändig zwiſchen den zwei ſich widerſtreitenden
Wünſchen des Lebens und des Sterbens; ſo ſah ſie
einen Augenblick ihre immer mehr und mehr ſich mit
dem Stigma des Todes bezeichnende Geſtalt mit eben
dem Entzücken im Spiegel an, womit die gefallſüch-
tige Marie ihre friſchen Reize darin betrachtete, und
erſchrack im andern vor der von ihr vermeintlich durch
dieſe Freude begangene Sünde.
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