Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846.-- "Wenn er aber eine wirkliche Leidenschaft -- "So verliebt muß er ja eben in mich wer- Dina schwieg jetzt; wußte sie doch genug und — „Wenn er aber eine wirkliche Leidenſchaft — „So verliebt muß er ja eben in mich wer- Dina ſchwieg jetzt; wußte ſie doch genug und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0151" n="143"/> <p>— „Wenn er aber eine wirkliche Leidenſchaft<lb/> für Sie faßte, wenn er unglücklich durch das mit ſei-<lb/> nem Herzen getriebene Spiel würde?“ —</p><lb/> <p>— „<hi rendition="#g">So</hi> verliebt muß er ja eben in mich wer-<lb/> den, wenn ich meine Wette gegen Joe gewinnen ſoll,“<lb/> antwortete ihr die Herzloſe, ohne ihre eigentliche<lb/> Frage zu beantworten.</p><lb/> <p>Dina ſchwieg jetzt; wußte ſie doch genug und<lb/> kannte Marie, deren frivoles, ſelbſtſüchtiges Weſen<lb/> ihr ſchon längſt einen moraliſchen Ekel einflößte. Trotz<lb/> dem machte die Unglückliche keinen Verſuch, die Ket-<lb/> ten abzuſtreifen, unter deren Drucke ſie faſt erlag:<lb/> ſie büßte eine Schuld ab, indem ſie ſie ohne Murren,<lb/> ohne Klage ertrug; ſie hoffte den Himmel dadurch<lb/> mit ſich zu verſöhnen, daß ſie ſich von ihr verachte-<lb/> ten Menſchen, die in jeder Hinſicht tief unter ihr<lb/> ſtanden, unterordnete und ihnen, trotz ihrer Bildung,<lb/> trotz ihrer Geburt, die ihr ganz andere Lebenskreiſe<lb/> anwieſen, die niedrigſten Dienſte leiſtete. Jn dieſem<lb/> Sinn und Geiſte ertrug ſie nicht nur die Leiden ihres<lb/> Körpers, ſondern auch Alles, was ihr an Schmach,<lb/> Erniedrigung und Beleidigung auferlegt wurde, mit<lb/> einer an Heroismus grenzenden Geduld und Freudigkeit,<lb/> denn ihr Glaube ſagte ihr, daß, je mehr ſie ſchon in<lb/> dieſer Welt büße, um ſo weniger ſie in einer andern<lb/> zu büßen haben würde. Für ſie gab es in der That<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [143/0151]
— „Wenn er aber eine wirkliche Leidenſchaft
für Sie faßte, wenn er unglücklich durch das mit ſei-
nem Herzen getriebene Spiel würde?“ —
— „So verliebt muß er ja eben in mich wer-
den, wenn ich meine Wette gegen Joe gewinnen ſoll,“
antwortete ihr die Herzloſe, ohne ihre eigentliche
Frage zu beantworten.
Dina ſchwieg jetzt; wußte ſie doch genug und
kannte Marie, deren frivoles, ſelbſtſüchtiges Weſen
ihr ſchon längſt einen moraliſchen Ekel einflößte. Trotz
dem machte die Unglückliche keinen Verſuch, die Ket-
ten abzuſtreifen, unter deren Drucke ſie faſt erlag:
ſie büßte eine Schuld ab, indem ſie ſie ohne Murren,
ohne Klage ertrug; ſie hoffte den Himmel dadurch
mit ſich zu verſöhnen, daß ſie ſich von ihr verachte-
ten Menſchen, die in jeder Hinſicht tief unter ihr
ſtanden, unterordnete und ihnen, trotz ihrer Bildung,
trotz ihrer Geburt, die ihr ganz andere Lebenskreiſe
anwieſen, die niedrigſten Dienſte leiſtete. Jn dieſem
Sinn und Geiſte ertrug ſie nicht nur die Leiden ihres
Körpers, ſondern auch Alles, was ihr an Schmach,
Erniedrigung und Beleidigung auferlegt wurde, mit
einer an Heroismus grenzenden Geduld und Freudigkeit,
denn ihr Glaube ſagte ihr, daß, je mehr ſie ſchon in
dieſer Welt büße, um ſo weniger ſie in einer andern
zu büßen haben würde. Für ſie gab es in der That
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