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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846.

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Arnold verstand sie und sagte:

-- "Jch bitte Sie, Miß, zu glauben, daß ich
mir aus einer solchen Mißdeutung nicht das Geringste
machen würde, und so wiederhole ich meine Bitte,
mich zu Jhrem Führer annehmen zu wollen."

-- "Sie, Sir," antwortete ihm Dina nach
einer Pause, "sind vielleicht in einer so glücklichen
Lage, weder den Unwillen noch die Mißdeutung der
Besitzer dieses Hauses zu fürchten zu haben; allein
meine Stellung gegen sie ist eine ganz andere, eine
durchaus untergeordnete, und so steht es mir zu, mich
in Allem nach ihrem Willen und ihren Ansichten zu
richten, und dies um so mehr, da ich schwach, krank,
ja zum Tode krank, bin und jeden mir selbst zuge-
zogenen Verdruß mit verdoppelten Leiden büßen muß.
Aus Güte gegen mich also -- wenn ich so kühn seyn
darf, solche in Jhnen vorauszusetzen -- gehen Sie
voran und bekümmern sich überhaupt so wenig als
möglich um mich, denn dadurch werden Sie sich eben
am gütigsten gegen mich zeigen."

Sie sprach die letzten Worte in einem so flehen-
den Tone aus, daß Arnold ihr gehorchen mußte. Er
stieg also die Treppe so schnell als möglich hinauf
und klopfte, oben angelangt, an Mariens Zimmer.
Auf ihre Einladung trat er in dasselbe und fand sie
noch allein. Sie saß neben dem Fenster und schien

Arnold verſtand ſie und ſagte:

— „Jch bitte Sie, Miß, zu glauben, daß ich
mir aus einer ſolchen Mißdeutung nicht das Geringſte
machen würde, und ſo wiederhole ich meine Bitte,
mich zu Jhrem Führer annehmen zu wollen.“

— „Sie, Sir,“ antwortete ihm Dina nach
einer Pauſe, „ſind vielleicht in einer ſo glücklichen
Lage, weder den Unwillen noch die Mißdeutung der
Beſitzer dieſes Hauſes zu fürchten zu haben; allein
meine Stellung gegen ſie iſt eine ganz andere, eine
durchaus untergeordnete, und ſo ſteht es mir zu, mich
in Allem nach ihrem Willen und ihren Anſichten zu
richten, und dies um ſo mehr, da ich ſchwach, krank,
ja zum Tode krank, bin und jeden mir ſelbſt zuge-
zogenen Verdruß mit verdoppelten Leiden büßen muß.
Aus Güte gegen mich alſo — wenn ich ſo kühn ſeyn
darf, ſolche in Jhnen vorauszuſetzen — gehen Sie
voran und bekümmern ſich überhaupt ſo wenig als
möglich um mich, denn dadurch werden Sie ſich eben
am gütigſten gegen mich zeigen.“

Sie ſprach die letzten Worte in einem ſo flehen-
den Tone aus, daß Arnold ihr gehorchen mußte. Er
ſtieg alſo die Treppe ſo ſchnell als möglich hinauf
und klopfte, oben angelangt, an Mariens Zimmer.
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noch allein. Sie ſaß neben dem Fenſter und ſchien

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[132/0140] Arnold verſtand ſie und ſagte: — „Jch bitte Sie, Miß, zu glauben, daß ich mir aus einer ſolchen Mißdeutung nicht das Geringſte machen würde, und ſo wiederhole ich meine Bitte, mich zu Jhrem Führer annehmen zu wollen.“ — „Sie, Sir,“ antwortete ihm Dina nach einer Pauſe, „ſind vielleicht in einer ſo glücklichen Lage, weder den Unwillen noch die Mißdeutung der Beſitzer dieſes Hauſes zu fürchten zu haben; allein meine Stellung gegen ſie iſt eine ganz andere, eine durchaus untergeordnete, und ſo ſteht es mir zu, mich in Allem nach ihrem Willen und ihren Anſichten zu richten, und dies um ſo mehr, da ich ſchwach, krank, ja zum Tode krank, bin und jeden mir ſelbſt zuge- zogenen Verdruß mit verdoppelten Leiden büßen muß. Aus Güte gegen mich alſo — wenn ich ſo kühn ſeyn darf, ſolche in Jhnen vorauszuſetzen — gehen Sie voran und bekümmern ſich überhaupt ſo wenig als möglich um mich, denn dadurch werden Sie ſich eben am gütigſten gegen mich zeigen.“ Sie ſprach die letzten Worte in einem ſo flehen- den Tone aus, daß Arnold ihr gehorchen mußte. Er ſtieg alſo die Treppe ſo ſchnell als möglich hinauf und klopfte, oben angelangt, an Mariens Zimmer. Auf ihre Einladung trat er in daſſelbe und fand ſie noch allein. Sie ſaß neben dem Fenſter und ſchien

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Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet01_1846/140>, abgerufen am 24.11.2024.