Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

Mordgeschichten die er je von Rache dürstenden
Jtaliänern erzählen gehört, fielen ihm mit einem-
male ein, er glaubte schon den kalten Dolch in der
Brust zu fühlen und ängstigte sich über seine eignen
Einbildungen dermaßen ab, daß er sich endlich ent-
schloß, lieber Alles aufzugeben um nur das Leben
zu retten. Er packte schnell ein und vergaß vor
allen Dingen nicht, eine ziemlich bedeutende Summe
Geldes mitzunehmen, die er, obgleich kaum drei
volle Jahre in Rom, sich dort ermalt und mit haus-
hälterischer Sparsamkeit zusammengehalten hatte.
So schnell als er es vermochte eilte er nun über
die Alpen zurück und hielt sich für sicher da er diese
im Rücken hatte, ohne zu ahnen, daß er im eignen
Vaterland einer weit dringenderen Lebensgefahr
entgegen gehe, als es die vielleicht nur erträumte
war, die ihn so schnell aus Rom vertrieben hatte.

Er war glücklich in der holländischen Stadt
Dordrecht angekommen, und sehr freundlich von
einem Gastwirth empfangen worden, dem er einen
Brief von dessen in Rom lebenden Sohne mit-
brachte. Man hatte ihn sogar durch Bitten und

Mordgeſchichten die er je von Rache dürſtenden
Jtaliänern erzählen gehört, fielen ihm mit einem-
male ein, er glaubte ſchon den kalten Dolch in der
Bruſt zu fühlen und ängſtigte ſich über ſeine eignen
Einbildungen dermaßen ab, daß er ſich endlich ent-
ſchloß, lieber Alles aufzugeben um nur das Leben
zu retten. Er packte ſchnell ein und vergaß vor
allen Dingen nicht, eine ziemlich bedeutende Summe
Geldes mitzunehmen, die er, obgleich kaum drei
volle Jahre in Rom, ſich dort ermalt und mit haus-
hälteriſcher Sparſamkeit zuſammengehalten hatte.
So ſchnell als er es vermochte eilte er nun über
die Alpen zurück und hielt ſich für ſicher da er dieſe
im Rücken hatte, ohne zu ahnen, daß er im eignen
Vaterland einer weit dringenderen Lebensgefahr
entgegen gehe, als es die vielleicht nur erträumte
war, die ihn ſo ſchnell aus Rom vertrieben hatte.

Er war glücklich in der holländiſchen Stadt
Dordrecht angekommen, und ſehr freundlich von
einem Gaſtwirth empfangen worden, dem er einen
Brief von deſſen in Rom lebenden Sohne mit-
brachte. Man hatte ihn ſogar durch Bitten und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0152" n="144"/>
Mordge&#x017F;chichten die er je von Rache dür&#x017F;tenden<lb/>
Jtaliänern erzählen gehört, fielen ihm mit einem-<lb/>
male ein, er glaubte &#x017F;chon den kalten Dolch in der<lb/>
Bru&#x017F;t zu fühlen und äng&#x017F;tigte &#x017F;ich über &#x017F;eine eignen<lb/>
Einbildungen dermaßen ab, daß er &#x017F;ich endlich ent-<lb/>
&#x017F;chloß, lieber Alles aufzugeben um nur das Leben<lb/>
zu retten. Er packte &#x017F;chnell ein und vergaß vor<lb/>
allen Dingen nicht, eine ziemlich bedeutende Summe<lb/>
Geldes mitzunehmen, die er, obgleich kaum drei<lb/>
volle Jahre in Rom, &#x017F;ich dort ermalt und mit haus-<lb/>
hälteri&#x017F;cher Spar&#x017F;amkeit zu&#x017F;ammengehalten hatte.<lb/>
So &#x017F;chnell als er es vermochte eilte er nun über<lb/>
die Alpen zurück und hielt &#x017F;ich für &#x017F;icher da er die&#x017F;e<lb/>
im Rücken hatte, ohne zu ahnen, daß er im eignen<lb/>
Vaterland einer weit dringenderen Lebensgefahr<lb/>
entgegen gehe, als es die vielleicht nur erträumte<lb/>
war, die ihn &#x017F;o &#x017F;chnell aus Rom vertrieben hatte.</p><lb/>
        <p>Er war glücklich in der holländi&#x017F;chen Stadt<lb/>
Dordrecht angekommen, und &#x017F;ehr freundlich von<lb/>
einem Ga&#x017F;twirth empfangen worden, dem er einen<lb/>
Brief von de&#x017F;&#x017F;en in Rom lebenden Sohne mit-<lb/>
brachte. Man hatte ihn &#x017F;ogar durch Bitten und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[144/0152] Mordgeſchichten die er je von Rache dürſtenden Jtaliänern erzählen gehört, fielen ihm mit einem- male ein, er glaubte ſchon den kalten Dolch in der Bruſt zu fühlen und ängſtigte ſich über ſeine eignen Einbildungen dermaßen ab, daß er ſich endlich ent- ſchloß, lieber Alles aufzugeben um nur das Leben zu retten. Er packte ſchnell ein und vergaß vor allen Dingen nicht, eine ziemlich bedeutende Summe Geldes mitzunehmen, die er, obgleich kaum drei volle Jahre in Rom, ſich dort ermalt und mit haus- hälteriſcher Sparſamkeit zuſammengehalten hatte. So ſchnell als er es vermochte eilte er nun über die Alpen zurück und hielt ſich für ſicher da er dieſe im Rücken hatte, ohne zu ahnen, daß er im eignen Vaterland einer weit dringenderen Lebensgefahr entgegen gehe, als es die vielleicht nur erträumte war, die ihn ſo ſchnell aus Rom vertrieben hatte. Er war glücklich in der holländiſchen Stadt Dordrecht angekommen, und ſehr freundlich von einem Gaſtwirth empfangen worden, dem er einen Brief von deſſen in Rom lebenden Sohne mit- brachte. Man hatte ihn ſogar durch Bitten und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck02_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck02_1822/152
Zitationshilfe: Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck02_1822/152>, abgerufen am 07.10.2024.