schweifend in seinen Sitten, noch ein Trunkenbold, sondern vielmehr mäßig, bedachtsam und haushäl- terisch mit seinem Gelde wie mit seiner Zeit und mit seiner Gesundheit; er kannte kein anderes Ver- gnügen als, wenn er sich zu Hause müde gemalt hatte, hinaus ins Freie zu wandern, und die Um- gegend, alte Ruinen oder merkwürdige Gebäude zu zeichnen.
Mit unsäglichem Erschrecken fand er einst, da er von einem solchen Gange nach Hause kam, in seinem Zimmer zwei seiner Gemälde aus dem Blendrahmen geschnitten und mitgenommen; ängst- lich öffnete er seinen Kasten, und auch hier fehlten sehr viele seiner Zeichnungen und andere Kunst- sachen. Der Verlust war im Ganzen zu bedeutend als daß er ihn in der Stille hätte verschmerzen mögen; er begann dem Räuber nachzuforschen, entdeckte solchen in einem ihm bekannten Jtaliäner, der ihn früher zuweilen besucht hatte, und war sogar glücklich genug, den größten Theil des Geraubten zurück zu erhalten. Nun aber begann dem armen Martin erst vor seinem Räuber zu grauen; alle
ſchweifend in ſeinen Sitten, noch ein Trunkenbold, ſondern vielmehr mäßig, bedachtſam und haushäl- teriſch mit ſeinem Gelde wie mit ſeiner Zeit und mit ſeiner Geſundheit; er kannte kein anderes Ver- gnügen als, wenn er ſich zu Hauſe müde gemalt hatte, hinaus ins Freie zu wandern, und die Um- gegend, alte Ruinen oder merkwürdige Gebäude zu zeichnen.
Mit unſäglichem Erſchrecken fand er einſt, da er von einem ſolchen Gange nach Hauſe kam, in ſeinem Zimmer zwei ſeiner Gemälde aus dem Blendrahmen geſchnitten und mitgenommen; ängſt- lich öffnete er ſeinen Kaſten, und auch hier fehlten ſehr viele ſeiner Zeichnungen und andere Kunſt- ſachen. Der Verluſt war im Ganzen zu bedeutend als daß er ihn in der Stille hätte verſchmerzen mögen; er begann dem Räuber nachzuforſchen, entdeckte ſolchen in einem ihm bekannten Jtaliäner, der ihn früher zuweilen beſucht hatte, und war ſogar glücklich genug, den größten Theil des Geraubten zurück zu erhalten. Nun aber begann dem armen Martin erſt vor ſeinem Räuber zu grauen; alle
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ſchweifend in ſeinen Sitten, noch ein Trunkenbold,
ſondern vielmehr mäßig, bedachtſam und haushäl-
teriſch mit ſeinem Gelde wie mit ſeiner Zeit und
mit ſeiner Geſundheit; er kannte kein anderes Ver-
gnügen als, wenn er ſich zu Hauſe müde gemalt
hatte, hinaus ins Freie zu wandern, und die Um-
gegend, alte Ruinen oder merkwürdige Gebäude
zu zeichnen.
Mit unſäglichem Erſchrecken fand er einſt, da
er von einem ſolchen Gange nach Hauſe kam, in
ſeinem Zimmer zwei ſeiner Gemälde aus dem
Blendrahmen geſchnitten und mitgenommen; ängſt-
lich öffnete er ſeinen Kaſten, und auch hier fehlten
ſehr viele ſeiner Zeichnungen und andere Kunſt-
ſachen. Der Verluſt war im Ganzen zu bedeutend
als daß er ihn in der Stille hätte verſchmerzen mögen;
er begann dem Räuber nachzuforſchen, entdeckte
ſolchen in einem ihm bekannten Jtaliäner, der ihn
früher zuweilen beſucht hatte, und war ſogar
glücklich genug, den größten Theil des Geraubten
zurück zu erhalten. Nun aber begann dem armen
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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck02_1822/151>, abgerufen am 16.02.2025.
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