Vermögen, und stand überall in Ehre und An- sehen.
Wie hoch der sonst gegen alle Welt übermüthige und tyrannische Heinrich der achte den Meister schätzte, davon erfuhr ein vornehmer Pair des Reichs einen sehr unangenehmen Beweis, den ich indessen, so bekannt die Geschichte auch ist, hier nicht über- gehen darf.
Holbein hatte, wie alle Portraitmaler, zu- weilen Bildnisse zu malen, die er als ein Geheim- niß behandeln und jedem dazu unberufnen Auge verbergen mußte. Er war einst gerade mit einer solchen Arbeit beschäftigt, als ein junger Lord bei ihm Zutritt verlangte, um seine Werkstatt zu sehen. Holbein trat ihm ganz höflich auf dem Vorplaz ent- gegen und bat sich zur gelegneren Stunde die Ehre von ihm aus, Mylord hingegen meinte, jede ihm selbst beliebige Zeit sey gerade die gelegne. Hol- bein protestirte gegen diese Behauptung, anfangs ziemlich gelassen, hernach heftiger, der Streit er- hitzte sich von beiden Seiten, und da Mylord end- lich mit Gewalt die Treppe zur Werkstatt hinauf
Vermögen, und ſtand überall in Ehre und An- ſehen.
Wie hoch der ſonſt gegen alle Welt übermüthige und tyranniſche Heinrich der achte den Meiſter ſchätzte, davon erfuhr ein vornehmer Pair des Reichs einen ſehr unangenehmen Beweis, den ich indeſſen, ſo bekannt die Geſchichte auch iſt, hier nicht über- gehen darf.
Holbein hatte, wie alle Portraitmaler, zu- weilen Bildniſſe zu malen, die er als ein Geheim- niß behandeln und jedem dazu unberufnen Auge verbergen mußte. Er war einſt gerade mit einer ſolchen Arbeit beſchäftigt, als ein junger Lord bei ihm Zutritt verlangte, um ſeine Werkſtatt zu ſehen. Holbein trat ihm ganz höflich auf dem Vorplaz ent- gegen und bat ſich zur gelegneren Stunde die Ehre von ihm aus, Mylord hingegen meinte, jede ihm ſelbſt beliebige Zeit ſey gerade die gelegne. Hol- bein proteſtirte gegen dieſe Behauptung, anfangs ziemlich gelaſſen, hernach heftiger, der Streit er- hitzte ſich von beiden Seiten, und da Mylord end- lich mit Gewalt die Treppe zur Werkſtatt hinauf
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0110"n="100"/>
Vermögen, und ſtand überall in Ehre und An-<lb/>ſehen.</p><lb/><p>Wie hoch der ſonſt gegen alle Welt übermüthige<lb/>
und tyranniſche Heinrich der achte den Meiſter<lb/>ſchätzte, davon erfuhr ein vornehmer Pair des Reichs<lb/>
einen ſehr unangenehmen Beweis, den ich indeſſen,<lb/>ſo bekannt die Geſchichte auch iſt, hier nicht über-<lb/>
gehen darf.</p><lb/><p>Holbein hatte, wie alle Portraitmaler, zu-<lb/>
weilen Bildniſſe zu malen, die er als ein Geheim-<lb/>
niß behandeln und jedem dazu unberufnen Auge<lb/>
verbergen mußte. Er war einſt gerade mit einer<lb/>ſolchen Arbeit beſchäftigt, als ein junger Lord bei<lb/>
ihm Zutritt verlangte, um ſeine Werkſtatt zu ſehen.<lb/>
Holbein trat ihm ganz höflich auf dem Vorplaz ent-<lb/>
gegen und bat ſich zur gelegneren Stunde die Ehre<lb/>
von ihm aus, Mylord hingegen meinte, jede ihm<lb/>ſelbſt beliebige Zeit ſey gerade die gelegne. Hol-<lb/>
bein proteſtirte gegen dieſe Behauptung, anfangs<lb/>
ziemlich gelaſſen, hernach heftiger, der Streit er-<lb/>
hitzte ſich von beiden Seiten, und da Mylord end-<lb/>
lich mit Gewalt die Treppe zur Werkſtatt hinauf<lb/></p></div></body></text></TEI>
[100/0110]
Vermögen, und ſtand überall in Ehre und An-
ſehen.
Wie hoch der ſonſt gegen alle Welt übermüthige
und tyranniſche Heinrich der achte den Meiſter
ſchätzte, davon erfuhr ein vornehmer Pair des Reichs
einen ſehr unangenehmen Beweis, den ich indeſſen,
ſo bekannt die Geſchichte auch iſt, hier nicht über-
gehen darf.
Holbein hatte, wie alle Portraitmaler, zu-
weilen Bildniſſe zu malen, die er als ein Geheim-
niß behandeln und jedem dazu unberufnen Auge
verbergen mußte. Er war einſt gerade mit einer
ſolchen Arbeit beſchäftigt, als ein junger Lord bei
ihm Zutritt verlangte, um ſeine Werkſtatt zu ſehen.
Holbein trat ihm ganz höflich auf dem Vorplaz ent-
gegen und bat ſich zur gelegneren Stunde die Ehre
von ihm aus, Mylord hingegen meinte, jede ihm
ſelbſt beliebige Zeit ſey gerade die gelegne. Hol-
bein proteſtirte gegen dieſe Behauptung, anfangs
ziemlich gelaſſen, hernach heftiger, der Streit er-
hitzte ſich von beiden Seiten, und da Mylord end-
lich mit Gewalt die Treppe zur Werkſtatt hinauf
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck02_1822/110>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.