wollte, faßte der Maler ihn beim Kragen, und warf ihn so unsanft hinab, daß er seiner unten- stehenden erschrocknen Dienerschaft mit einem Schrey des Schmerzes vor die Füße fiel.
Mit einem Blick übersah Holbein das Unheil welches er gestiftet, nebst allen, für ihn möglicher Weise daraus entstehenden Folgen. Übrigens be- dachte er sich nicht lange, sondern stieg eilends die Treppe hinauf, zu einem Dachfenster heraus, und suchte seinen Weg über die Dächer.
Die Diener des Lords waren noch lange um ihren jämmerlich zugerichteten Herrn beschäftigt, als Holbein schon athemlos vor seinem Könige stand, und dessen Vergebung erbat, ohne ihm indessen sein Vergehen zu nennen bis er derselben gewiß war. Nach angehörtem Bekenntniß erfolgte freilich eine tüchtige Strafpredigt, und sehr ernstliche Er- mahnungen zur künftigen bessern Mäßigung in ähn- lichen Fällen, doch wies ihm der König auch zu- gleich ein Nebenzimmer an, wo Holbein die Been- digung der Geschichte abwarten sollte.
Jetzt kam der Lord, von zwei seiner Diener
wollte, faßte der Maler ihn beim Kragen, und warf ihn ſo unſanft hinab, daß er ſeiner unten- ſtehenden erſchrocknen Dienerſchaft mit einem Schrey des Schmerzes vor die Füße fiel.
Mit einem Blick überſah Holbein das Unheil welches er geſtiftet, nebſt allen, für ihn möglicher Weiſe daraus entſtehenden Folgen. Übrigens be- dachte er ſich nicht lange, ſondern ſtieg eilends die Treppe hinauf, zu einem Dachfenſter heraus, und ſuchte ſeinen Weg über die Dächer.
Die Diener des Lords waren noch lange um ihren jämmerlich zugerichteten Herrn beſchäftigt, als Holbein ſchon athemlos vor ſeinem Könige ſtand, und deſſen Vergebung erbat, ohne ihm indeſſen ſein Vergehen zu nennen bis er derſelben gewiß war. Nach angehörtem Bekenntniß erfolgte freilich eine tüchtige Strafpredigt, und ſehr ernſtliche Er- mahnungen zur künftigen beſſern Mäßigung in ähn- lichen Fällen, doch wies ihm der König auch zu- gleich ein Nebenzimmer an, wo Holbein die Been- digung der Geſchichte abwarten ſollte.
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wollte, faßte der Maler ihn beim Kragen, und
warf ihn ſo unſanft hinab, daß er ſeiner unten-
ſtehenden erſchrocknen Dienerſchaft mit einem Schrey
des Schmerzes vor die Füße fiel.
Mit einem Blick überſah Holbein das Unheil
welches er geſtiftet, nebſt allen, für ihn möglicher
Weiſe daraus entſtehenden Folgen. Übrigens be-
dachte er ſich nicht lange, ſondern ſtieg eilends die
Treppe hinauf, zu einem Dachfenſter heraus, und
ſuchte ſeinen Weg über die Dächer.
Die Diener des Lords waren noch lange um
ihren jämmerlich zugerichteten Herrn beſchäftigt,
als Holbein ſchon athemlos vor ſeinem Könige ſtand,
und deſſen Vergebung erbat, ohne ihm indeſſen
ſein Vergehen zu nennen bis er derſelben gewiß
war. Nach angehörtem Bekenntniß erfolgte freilich
eine tüchtige Strafpredigt, und ſehr ernſtliche Er-
mahnungen zur künftigen beſſern Mäßigung in ähn-
lichen Fällen, doch wies ihm der König auch zu-
gleich ein Nebenzimmer an, wo Holbein die Been-
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Jetzt kam der Lord, von zwei ſeiner Diener
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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck02_1822/111>, abgerufen am 16.02.2025.
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