Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822.

Bild:
<< vorherige Seite


zum Thron der Himmelskönigin um. Sie selbst ist
reich geschmückt mit einem weiten violetten Mantel,
das gesenkte Auge ruht mit unendlicher Liebe und
Anmuth auf dem Kinde an ihrem Busen; ihr gegen-
über, in halb knieender Stellung, im rothen Ge-
wande, ein kleines violettes Käpchen auf dem
Haupte, scheint Hubert, als Schutzheiliger der
Maler, den Umriß auf der Tafel in seiner Hand
mit der Gruppe vor sich nach der er arbeitete zu
vergleichen. Ehrfurchtsvoll, bewundernd, anbetend
ruht sein Auge entzückt auf Mutter und Kind
während er mit der andern Hand, zu Verbesse-
rungen bereit, den Griffel hält. Seitwärts hinter
dem Maler steht die Thüre eines Nebengemachs
offen; wir blicken ins Freie durch dessen halb offnes
halb geschloßnes Fenster von wirklich durchsichtigem,
stellenweise buntgefärbtem Glas.

Das ganze Bild in seiner blendenden Farben-
pracht ist das heiterste so ich je sah. Man möchte
in das Nebenzimmer hineintreten, dieses Fenster
nach Belieben öffnen und schließen; keiner der
spätern niederländischen Maler hat die Perspective

3


zum Thron der Himmelskönigin um. Sie ſelbſt iſt
reich geſchmückt mit einem weiten violetten Mantel,
das geſenkte Auge ruht mit unendlicher Liebe und
Anmuth auf dem Kinde an ihrem Buſen; ihr gegen-
über, in halb knieender Stellung, im rothen Ge-
wande, ein kleines violettes Käpchen auf dem
Haupte, ſcheint Hubert, als Schutzheiliger der
Maler, den Umriß auf der Tafel in ſeiner Hand
mit der Gruppe vor ſich nach der er arbeitete zu
vergleichen. Ehrfurchtsvoll, bewundernd, anbetend
ruht ſein Auge entzückt auf Mutter und Kind
während er mit der andern Hand, zu Verbeſſe-
rungen bereit, den Griffel hält. Seitwärts hinter
dem Maler ſteht die Thüre eines Nebengemachs
offen; wir blicken ins Freie durch deſſen halb offnes
halb geſchloßnes Fenſter von wirklich durchſichtigem,
ſtellenweiſe buntgefärbtem Glas.

Das ganze Bild in ſeiner blendenden Farben-
pracht iſt das heiterſte ſo ich je ſah. Man möchte
in das Nebenzimmer hineintreten, dieſes Fenſter
nach Belieben öffnen und ſchließen; keiner der
ſpätern niederländiſchen Maler hat die Perſpective

3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0045" n="33"/><lb/>
zum Thron der Himmelskönigin um. Sie &#x017F;elb&#x017F;t i&#x017F;t<lb/>
reich ge&#x017F;chmückt mit einem weiten violetten Mantel,<lb/>
das ge&#x017F;enkte Auge ruht mit unendlicher Liebe und<lb/>
Anmuth auf dem Kinde an ihrem Bu&#x017F;en; ihr gegen-<lb/>
über, in halb knieender Stellung, im rothen Ge-<lb/>
wande, ein kleines violettes Käpchen auf dem<lb/>
Haupte, &#x017F;cheint Hubert, als Schutzheiliger der<lb/>
Maler, den Umriß auf der Tafel in &#x017F;einer Hand<lb/>
mit der Gruppe vor &#x017F;ich nach der er arbeitete zu<lb/>
vergleichen. Ehrfurchtsvoll, bewundernd, anbetend<lb/>
ruht &#x017F;ein Auge entzückt auf Mutter und Kind<lb/>
während er mit der andern Hand, zu Verbe&#x017F;&#x017F;e-<lb/>
rungen bereit, den Griffel hält. Seitwärts hinter<lb/>
dem Maler &#x017F;teht die Thüre eines Nebengemachs<lb/>
offen; wir blicken ins Freie durch de&#x017F;&#x017F;en halb offnes<lb/>
halb ge&#x017F;chloßnes Fen&#x017F;ter von wirklich durch&#x017F;ichtigem,<lb/>
&#x017F;tellenwei&#x017F;e buntgefärbtem Glas.</p><lb/>
        <p>Das ganze Bild in &#x017F;einer blendenden Farben-<lb/>
pracht i&#x017F;t das heiter&#x017F;te &#x017F;o ich je &#x017F;ah. Man möchte<lb/>
in das Nebenzimmer hineintreten, die&#x017F;es Fen&#x017F;ter<lb/>
nach Belieben öffnen und &#x017F;chließen; keiner der<lb/>
&#x017F;pätern niederländi&#x017F;chen Maler hat die Per&#x017F;pective<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">3</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[33/0045] zum Thron der Himmelskönigin um. Sie ſelbſt iſt reich geſchmückt mit einem weiten violetten Mantel, das geſenkte Auge ruht mit unendlicher Liebe und Anmuth auf dem Kinde an ihrem Buſen; ihr gegen- über, in halb knieender Stellung, im rothen Ge- wande, ein kleines violettes Käpchen auf dem Haupte, ſcheint Hubert, als Schutzheiliger der Maler, den Umriß auf der Tafel in ſeiner Hand mit der Gruppe vor ſich nach der er arbeitete zu vergleichen. Ehrfurchtsvoll, bewundernd, anbetend ruht ſein Auge entzückt auf Mutter und Kind während er mit der andern Hand, zu Verbeſſe- rungen bereit, den Griffel hält. Seitwärts hinter dem Maler ſteht die Thüre eines Nebengemachs offen; wir blicken ins Freie durch deſſen halb offnes halb geſchloßnes Fenſter von wirklich durchſichtigem, ſtellenweiſe buntgefärbtem Glas. Das ganze Bild in ſeiner blendenden Farben- pracht iſt das heiterſte ſo ich je ſah. Man möchte in das Nebenzimmer hineintreten, dieſes Fenſter nach Belieben öffnen und ſchließen; keiner der ſpätern niederländiſchen Maler hat die Perſpective 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/45
Zitationshilfe: Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/45>, abgerufen am 03.12.2024.