zum Thron der Himmelskönigin um. Sie selbst ist reich geschmückt mit einem weiten violetten Mantel, das gesenkte Auge ruht mit unendlicher Liebe und Anmuth auf dem Kinde an ihrem Busen; ihr gegen- über, in halb knieender Stellung, im rothen Ge- wande, ein kleines violettes Käpchen auf dem Haupte, scheint Hubert, als Schutzheiliger der Maler, den Umriß auf der Tafel in seiner Hand mit der Gruppe vor sich nach der er arbeitete zu vergleichen. Ehrfurchtsvoll, bewundernd, anbetend ruht sein Auge entzückt auf Mutter und Kind während er mit der andern Hand, zu Verbesse- rungen bereit, den Griffel hält. Seitwärts hinter dem Maler steht die Thüre eines Nebengemachs offen; wir blicken ins Freie durch dessen halb offnes halb geschloßnes Fenster von wirklich durchsichtigem, stellenweise buntgefärbtem Glas.
Das ganze Bild in seiner blendenden Farben- pracht ist das heiterste so ich je sah. Man möchte in das Nebenzimmer hineintreten, dieses Fenster nach Belieben öffnen und schließen; keiner der spätern niederländischen Maler hat die Perspective
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zum Thron der Himmelskönigin um. Sie ſelbſt iſt reich geſchmückt mit einem weiten violetten Mantel, das geſenkte Auge ruht mit unendlicher Liebe und Anmuth auf dem Kinde an ihrem Buſen; ihr gegen- über, in halb knieender Stellung, im rothen Ge- wande, ein kleines violettes Käpchen auf dem Haupte, ſcheint Hubert, als Schutzheiliger der Maler, den Umriß auf der Tafel in ſeiner Hand mit der Gruppe vor ſich nach der er arbeitete zu vergleichen. Ehrfurchtsvoll, bewundernd, anbetend ruht ſein Auge entzückt auf Mutter und Kind während er mit der andern Hand, zu Verbeſſe- rungen bereit, den Griffel hält. Seitwärts hinter dem Maler ſteht die Thüre eines Nebengemachs offen; wir blicken ins Freie durch deſſen halb offnes halb geſchloßnes Fenſter von wirklich durchſichtigem, ſtellenweiſe buntgefärbtem Glas.
Das ganze Bild in ſeiner blendenden Farben- pracht iſt das heiterſte ſo ich je ſah. Man möchte in das Nebenzimmer hineintreten, dieſes Fenſter nach Belieben öffnen und ſchließen; keiner der ſpätern niederländiſchen Maler hat die Perſpective
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zum Thron der Himmelskönigin um. Sie ſelbſt iſt
reich geſchmückt mit einem weiten violetten Mantel,
das geſenkte Auge ruht mit unendlicher Liebe und
Anmuth auf dem Kinde an ihrem Buſen; ihr gegen-
über, in halb knieender Stellung, im rothen Ge-
wande, ein kleines violettes Käpchen auf dem
Haupte, ſcheint Hubert, als Schutzheiliger der
Maler, den Umriß auf der Tafel in ſeiner Hand
mit der Gruppe vor ſich nach der er arbeitete zu
vergleichen. Ehrfurchtsvoll, bewundernd, anbetend
ruht ſein Auge entzückt auf Mutter und Kind
während er mit der andern Hand, zu Verbeſſe-
rungen bereit, den Griffel hält. Seitwärts hinter
dem Maler ſteht die Thüre eines Nebengemachs
offen; wir blicken ins Freie durch deſſen halb offnes
halb geſchloßnes Fenſter von wirklich durchſichtigem,
ſtellenweiſe buntgefärbtem Glas.
Das ganze Bild in ſeiner blendenden Farben-
pracht iſt das heiterſte ſo ich je ſah. Man möchte
in das Nebenzimmer hineintreten, dieſes Fenſter
nach Belieben öffnen und ſchließen; keiner der
ſpätern niederländiſchen Maler hat die Perſpective
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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/45>, abgerufen am 03.12.2024.
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