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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822.

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heiligen Zyklus bilden. Der Meister war, als
er dieses Bild schuf, noch nicht ganz zu der Großheit
und Gründlichkeit in der Zeichnung und dem Fal-
tenwurf der Gewänder gelangt, die aus seinen
spätern Arbeiten hervorleuchten; Bildung, Ausdruck
und Malerei der Köpfe sind indessen schon von der
höchsten Vortreflichkeit. Dies Gemälde ist auf eine
sehr rührende und erfreuliche Weise als die Apo-
theose seines verehrten und geliebten brüderlichen
Lehrers anzusehen, denn der Evangelist Lukas,
wie er zufolge der Legende die Madonna malt, ist
darauf unter der Gestalt Huberts van Eyck dar-
gestellt. Die Figuren dieser Tafel sind fast Lebens-
größe. Die heilige Jungfrau sizt in einem hohen
Prunkgemache. Jm Hintergrunde, zwischen zwei
schlanken dunkelblauen Säulen öffnet sich dem Blick
eine vom heitersten Himmel überwölbte Landschaft.
Schöne hohe Häuser von der einen Seite, grüne
Hügel von der andern, weithin lachende blühende
Ferne. Ein köstlicher Teppich von Goldbrokat mit
grüner Einfassung hängt hinter der heiligen Jungfrau
hoch von der Decke herab, und bildet ihren Sessel


heiligen Zyklus bilden. Der Meiſter war, als
er dieſes Bild ſchuf, noch nicht ganz zu der Großheit
und Gründlichkeit in der Zeichnung und dem Fal-
tenwurf der Gewänder gelangt, die aus ſeinen
ſpätern Arbeiten hervorleuchten; Bildung, Ausdruck
und Malerei der Köpfe ſind indeſſen ſchon von der
höchſten Vortreflichkeit. Dies Gemälde iſt auf eine
ſehr rührende und erfreuliche Weiſe als die Apo-
theoſe ſeines verehrten und geliebten brüderlichen
Lehrers anzuſehen, denn der Evangeliſt Lukas,
wie er zufolge der Legende die Madonna malt, iſt
darauf unter der Geſtalt Huberts van Eyck dar-
geſtellt. Die Figuren dieſer Tafel ſind faſt Lebens-
größe. Die heilige Jungfrau ſizt in einem hohen
Prunkgemache. Jm Hintergrunde, zwiſchen zwei
ſchlanken dunkelblauen Säulen öffnet ſich dem Blick
eine vom heiterſten Himmel überwölbte Landſchaft.
Schöne hohe Häuſer von der einen Seite, grüne
Hügel von der andern, weithin lachende blühende
Ferne. Ein köſtlicher Teppich von Goldbrokat mit
grüner Einfaſſung hängt hinter der heiligen Jungfrau
hoch von der Decke herab, und bildet ihren Seſſel

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[32/0044] heiligen Zyklus bilden. Der Meiſter war, als er dieſes Bild ſchuf, noch nicht ganz zu der Großheit und Gründlichkeit in der Zeichnung und dem Fal- tenwurf der Gewänder gelangt, die aus ſeinen ſpätern Arbeiten hervorleuchten; Bildung, Ausdruck und Malerei der Köpfe ſind indeſſen ſchon von der höchſten Vortreflichkeit. Dies Gemälde iſt auf eine ſehr rührende und erfreuliche Weiſe als die Apo- theoſe ſeines verehrten und geliebten brüderlichen Lehrers anzuſehen, denn der Evangeliſt Lukas, wie er zufolge der Legende die Madonna malt, iſt darauf unter der Geſtalt Huberts van Eyck dar- geſtellt. Die Figuren dieſer Tafel ſind faſt Lebens- größe. Die heilige Jungfrau ſizt in einem hohen Prunkgemache. Jm Hintergrunde, zwiſchen zwei ſchlanken dunkelblauen Säulen öffnet ſich dem Blick eine vom heiterſten Himmel überwölbte Landſchaft. Schöne hohe Häuſer von der einen Seite, grüne Hügel von der andern, weithin lachende blühende Ferne. Ein köſtlicher Teppich von Goldbrokat mit grüner Einfaſſung hängt hinter der heiligen Jungfrau hoch von der Decke herab, und bildet ihren Seſſel

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Zitationshilfe: Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/44>, abgerufen am 28.03.2024.