Johann van Eyck, von welchem man mit Sicherheit weiß, es ist von ihm. Es stellt einen Christuskopf weit unter Lebensgröße dar, mit des Künstlers Namensunterschrift und der Jahrzahl 1420 bezeich- net. Übrigens fanden sich bald nicht nur unter den Vornehmen und Reichen Kunstfreunde genug, welche mit einander um den Besitz der Werke beider Brüder wetteiferten, auch fremde und einheimische Kauf- leute strebten darnach, und führten dann die mit Gold erkauften Tafeln in das Ausland, wo der Name van Eyck in kurzer Zeit nicht minder ruhmvoll bekannt ward als daheim.
Von so günstigen Verhältnissen unterstüzt, regten Johannes urkräftiger Geist, sein hohes Talent, sein Muth sich immer mächtiger in seiner Brust; immer kühner sprach sich die Sehnsucht in seinem Jnnern aus, vorwärts zu Höhen zu streben, welche noch von Keinem erreicht waren; immer deutlicher ward ihm das Gefühl des Unzulänglichen der ihm zur Ausführung seines Wollens zu Gebote stehenden Mittel. Die Welt lag hell und blühend vor seinem klaren Auge, in tausendfacher Form be-
Johann van Eyck, von welchem man mit Sicherheit weiß, es iſt von ihm. Es ſtellt einen Chriſtuskopf weit unter Lebensgröße dar, mit des Künſtlers Namensunterſchrift und der Jahrzahl 1420 bezeich- net. Übrigens fanden ſich bald nicht nur unter den Vornehmen und Reichen Kunſtfreunde genug, welche mit einander um den Beſitz der Werke beider Brüder wetteiferten, auch fremde und einheimiſche Kauf- leute ſtrebten darnach, und führten dann die mit Gold erkauften Tafeln in das Ausland, wo der Name van Eyck in kurzer Zeit nicht minder ruhmvoll bekannt ward als daheim.
Von ſo günſtigen Verhältniſſen unterſtüzt, regten Johannes urkräftiger Geiſt, ſein hohes Talent, ſein Muth ſich immer mächtiger in ſeiner Bruſt; immer kühner ſprach ſich die Sehnſucht in ſeinem Jnnern aus, vorwärts zu Höhen zu ſtreben, welche noch von Keinem erreicht waren; immer deutlicher ward ihm das Gefühl des Unzulänglichen der ihm zur Ausführung ſeines Wollens zu Gebote ſtehenden Mittel. Die Welt lag hell und blühend vor ſeinem klaren Auge, in tauſendfacher Form be-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0036"n="24"/><lb/>
Johann van Eyck, von welchem man mit Sicherheit<lb/>
weiß, es iſt von ihm. Es ſtellt einen Chriſtuskopf<lb/>
weit unter Lebensgröße dar, mit des Künſtlers<lb/>
Namensunterſchrift und der Jahrzahl 1420 bezeich-<lb/>
net. Übrigens fanden ſich bald nicht nur unter den<lb/>
Vornehmen und Reichen Kunſtfreunde genug, welche<lb/>
mit einander um den Beſitz der Werke beider Brüder<lb/>
wetteiferten, auch fremde und einheimiſche Kauf-<lb/>
leute ſtrebten darnach, und führten dann die mit<lb/>
Gold erkauften Tafeln in das Ausland, wo der<lb/>
Name van Eyck in kurzer Zeit nicht minder ruhmvoll<lb/>
bekannt ward als daheim.</p><lb/><p>Von ſo günſtigen Verhältniſſen unterſtüzt,<lb/>
regten Johannes urkräftiger Geiſt, ſein hohes<lb/>
Talent, ſein Muth ſich immer mächtiger in ſeiner<lb/>
Bruſt; immer kühner ſprach ſich die Sehnſucht in<lb/>ſeinem Jnnern aus, vorwärts zu Höhen zu ſtreben,<lb/>
welche noch von Keinem erreicht waren; immer<lb/>
deutlicher ward ihm das Gefühl des Unzulänglichen<lb/>
der ihm zur Ausführung ſeines Wollens zu Gebote<lb/>ſtehenden Mittel. Die Welt lag hell und blühend<lb/>
vor ſeinem klaren Auge, in tauſendfacher Form be-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[24/0036]
Johann van Eyck, von welchem man mit Sicherheit
weiß, es iſt von ihm. Es ſtellt einen Chriſtuskopf
weit unter Lebensgröße dar, mit des Künſtlers
Namensunterſchrift und der Jahrzahl 1420 bezeich-
net. Übrigens fanden ſich bald nicht nur unter den
Vornehmen und Reichen Kunſtfreunde genug, welche
mit einander um den Beſitz der Werke beider Brüder
wetteiferten, auch fremde und einheimiſche Kauf-
leute ſtrebten darnach, und führten dann die mit
Gold erkauften Tafeln in das Ausland, wo der
Name van Eyck in kurzer Zeit nicht minder ruhmvoll
bekannt ward als daheim.
Von ſo günſtigen Verhältniſſen unterſtüzt,
regten Johannes urkräftiger Geiſt, ſein hohes
Talent, ſein Muth ſich immer mächtiger in ſeiner
Bruſt; immer kühner ſprach ſich die Sehnſucht in
ſeinem Jnnern aus, vorwärts zu Höhen zu ſtreben,
welche noch von Keinem erreicht waren; immer
deutlicher ward ihm das Gefühl des Unzulänglichen
der ihm zur Ausführung ſeines Wollens zu Gebote
ſtehenden Mittel. Die Welt lag hell und blühend
vor ſeinem klaren Auge, in tauſendfacher Form be-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/36>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.