Lukas de Heere, welcher Johann van Eycks Meisterwerk in Gent besungen hatte, weihte auch diesem Bilde einige nach Art seiner Zeit sinnreiche Reime, in welchen er die Frauen von Gent auf Hugos van der Goes Gemälde verweist, um An- muth und Bescheidenheit zu lernen, und zuletzt be- hauptet, daß dieses Meisters Frauenbilder nur einen einzigen bei ihrem Geschlecht seltnen Fehler besäßen, den, nicht zu sprechen.
Ein kleines, kaum anderthalb Fuß hohes Bildchen Hugos van der Goes, in der Jakobs- kirche zu Gent, stellte die heilige Jungfrau mit dem Kinde in aller ihrer Holdseligkeit dar, und war bis auf die kleinsten Blümchen, Kräuter und Kiesel im Vorgrunde mit unaussprechlich zarter Vollendung ausgeführt. Ein anderes seiner Gemälde im Ma- rien-Kloster zu Gent stammte aus seiner frühesten Zeit; der Stoff dazu war aus der Legende der heiligen Katharina entlehnt, und auch diese seine Jugendarbeit erwarb ihm schon allgemeine Bewun- derung. Von allen diesen Bildern ist uns leider nur die Kunde ihres ehemaligen Daseyns geblieben,
Lukas de Heere, welcher Johann van Eycks Meiſterwerk in Gent beſungen hatte, weihte auch dieſem Bilde einige nach Art ſeiner Zeit ſinnreiche Reime, in welchen er die Frauen von Gent auf Hugos van der Goes Gemälde verweiſt, um An- muth und Beſcheidenheit zu lernen, und zuletzt be- hauptet, daß dieſes Meiſters Frauenbilder nur einen einzigen bei ihrem Geſchlecht ſeltnen Fehler beſäßen, den, nicht zu ſprechen.
Ein kleines, kaum anderthalb Fuß hohes Bildchen Hugos van der Goes, in der Jakobs- kirche zu Gent, ſtellte die heilige Jungfrau mit dem Kinde in aller ihrer Holdſeligkeit dar, und war bis auf die kleinſten Blümchen, Kräuter und Kieſel im Vorgrunde mit unausſprechlich zarter Vollendung ausgeführt. Ein anderes ſeiner Gemälde im Ma- rien-Kloſter zu Gent ſtammte aus ſeiner früheſten Zeit; der Stoff dazu war aus der Legende der heiligen Katharina entlehnt, und auch dieſe ſeine Jugendarbeit erwarb ihm ſchon allgemeine Bewun- derung. Von allen dieſen Bildern iſt uns leider nur die Kunde ihres ehemaligen Daſeyns geblieben,
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Lukas de Heere, welcher Johann van Eycks
Meiſterwerk in Gent beſungen hatte, weihte auch
dieſem Bilde einige nach Art ſeiner Zeit ſinnreiche
Reime, in welchen er die Frauen von Gent auf
Hugos van der Goes Gemälde verweiſt, um An-
muth und Beſcheidenheit zu lernen, und zuletzt be-
hauptet, daß dieſes Meiſters Frauenbilder nur
einen einzigen bei ihrem Geſchlecht ſeltnen Fehler
beſäßen, den, nicht zu ſprechen.
Ein kleines, kaum anderthalb Fuß hohes
Bildchen Hugos van der Goes, in der Jakobs-
kirche zu Gent, ſtellte die heilige Jungfrau mit dem
Kinde in aller ihrer Holdſeligkeit dar, und war
bis auf die kleinſten Blümchen, Kräuter und Kieſel
im Vorgrunde mit unausſprechlich zarter Vollendung
ausgeführt. Ein anderes ſeiner Gemälde im Ma-
rien-Kloſter zu Gent ſtammte aus ſeiner früheſten
Zeit; der Stoff dazu war aus der Legende der
heiligen Katharina entlehnt, und auch dieſe ſeine
Jugendarbeit erwarb ihm ſchon allgemeine Bewun-
derung. Von allen dieſen Bildern iſt uns leider nur
die Kunde ihres ehemaligen Daſeyns geblieben,
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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/124>, abgerufen am 26.11.2024.
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