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Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754.

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Beschluß.
zu bewundern, als ein Accent erklang: "So
"wenig die Sonne verschwärzet wird,
"wenn man sie als Sonne vorstellet: so
"wenig können unsere Sönnchen verfinstert
"werden, wann man sie nur malet.
"
Damit ich aber dieses Land nicht länger entweih-
te: so ward es meinem guten Freunde, dem
Mylius, aufgetragen, mich in eine andere Ab-
theilung dieser Welt zu stürzen. Jch that mei-
nen Dichtersprung so behende, als möglich;
und siehe! ich stand auf meinen Beinen, in einer
körperlichen Welt. Bald hätte ich mir Bod-
mers Luftschiff
wünschen mögen: denn ich merk-
te, ich würde hier so leichtes Kaufes nicht davon
kommen. Die Geisseln der Satiren platzten;
und die Faunen banden die Verurtheilten.
Hin und her sah ich Dichter ihre Gedichte mit
den Zungen ablecken, und schmäuchelnd die un-
barmherzige Hand der Richter anflehen. Das
Maul wässerte mir schon; als ich mich unter ei-
ner Menge runzelichter Männer befand, die mir
das Lexicographenröckchen auszogen. Einer
kam, und nahm mir die Erfindung; der ande-
re
kam, und dingte sich Hallern aus; der drit-
te
kam, und zog mir Swiften weg; der vier-
te
kam, und zog Klopstocken aus; der fünf-
te
kam, und nahm mir meine Ausschweifun-
gen;
der 6. die Wortspiele; der 7. die leicht-
fertigen Redensarten;
ein jeder nahm etwas,
daß ich endlich kaum das Geripp eines Lexico-
graphen,
eine arme, dürre Wörterliste, be-

hielt.

Beſchluß.
zu bewundern, als ein Accent erklang: “So
“wenig die Sonne verſchwaͤrzet wird,
“wenn man ſie als Sonne vorſtellet: ſo
“wenig koͤnnen unſere Soͤnnchen verfinſtert
“werden, wann man ſie nur malet.

Damit ich aber dieſes Land nicht laͤnger entweih-
te: ſo ward es meinem guten Freunde, dem
Mylius, aufgetragen, mich in eine andere Ab-
theilung dieſer Welt zu ſtuͤrzen. Jch that mei-
nen Dichterſprung ſo behende, als moͤglich;
und ſiehe! ich ſtand auf meinen Beinen, in einer
koͤrperlichen Welt. Bald haͤtte ich mir Bod-
mers Luftſchiff
wuͤnſchen moͤgen: denn ich merk-
te, ich wuͤrde hier ſo leichtes Kaufes nicht davon
kommen. Die Geiſſeln der Satiren platzten;
und die Faunen banden die Verurtheilten.
Hin und her ſah ich Dichter ihre Gedichte mit
den Zungen ablecken, und ſchmaͤuchelnd die un-
barmherzige Hand der Richter anflehen. Das
Maul waͤſſerte mir ſchon; als ich mich unter ei-
ner Menge runzelichter Maͤnner befand, die mir
das Lexicographenroͤckchen auszogen. Einer
kam, und nahm mir die Erfindung; der ande-
re
kam, und dingte ſich Hallern aus; der drit-
te
kam, und zog mir Swiften weg; der vier-
te
kam, und zog Klopſtocken aus; der fuͤnf-
te
kam, und nahm mir meine Ausſchweifun-
gen;
der 6. die Wortſpiele; der 7. die leicht-
fertigen Redensarten;
ein jeder nahm etwas,
daß ich endlich kaum das Geripp eines Lexico-
graphen,
eine arme, duͤrre Woͤrterliſte, be-

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[470/0496] Beſchluß. zu bewundern, als ein Accent erklang: “So “wenig die Sonne verſchwaͤrzet wird, “wenn man ſie als Sonne vorſtellet: ſo “wenig koͤnnen unſere Soͤnnchen verfinſtert “werden, wann man ſie nur malet.” Damit ich aber dieſes Land nicht laͤnger entweih- te: ſo ward es meinem guten Freunde, dem Mylius, aufgetragen, mich in eine andere Ab- theilung dieſer Welt zu ſtuͤrzen. Jch that mei- nen Dichterſprung ſo behende, als moͤglich; und ſiehe! ich ſtand auf meinen Beinen, in einer koͤrperlichen Welt. Bald haͤtte ich mir Bod- mers Luftſchiff wuͤnſchen moͤgen: denn ich merk- te, ich wuͤrde hier ſo leichtes Kaufes nicht davon kommen. Die Geiſſeln der Satiren platzten; und die Faunen banden die Verurtheilten. Hin und her ſah ich Dichter ihre Gedichte mit den Zungen ablecken, und ſchmaͤuchelnd die un- barmherzige Hand der Richter anflehen. Das Maul waͤſſerte mir ſchon; als ich mich unter ei- ner Menge runzelichter Maͤnner befand, die mir das Lexicographenroͤckchen auszogen. Einer kam, und nahm mir die Erfindung; der ande- re kam, und dingte ſich Hallern aus; der drit- te kam, und zog mir Swiften weg; der vier- te kam, und zog Klopſtocken aus; der fuͤnf- te kam, und nahm mir meine Ausſchweifun- gen; der 6. die Wortſpiele; der 7. die leicht- fertigen Redensarten; ein jeder nahm etwas, daß ich endlich kaum das Geripp eines Lexico- graphen, eine arme, duͤrre Woͤrterliſte, be- hielt.

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Zitationshilfe: Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 470. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/496>, abgerufen am 12.05.2024.