Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754.

Bild:
<< vorherige Seite

Beschluß.
als eben Mylius vor mir vorbey glitschte;
(denn auch ich glitschte;) der aber eben so we-
nig die Probe bestand. Er kam aus der körper-
lichen Welt;
und dem kleinen Männchen wars
leichter gefallen, eine Reise nach dem unkörper-
lichen,
als körperlichen Amerika anzutreten.
Er war noch auf englisch gekleidet; faßte mich
bey der Krause, und fragte: bist du auch un-
ter den Propheten?
Kaum erholte ich mich:
so sah ich, es sey alles nur Zauberwerk. Den
Augenblick schwebte eine Wolke über mich; Sie
war von Krügen durchflochten, und ihre stro-
tzende Bäuche
platzten. Jch fürchtete schon
die Scherbel: und siehe! es war auch nichts;
in der Ferne sah ich Gemälde mit Fleische be-
worfen;
und es war auch nichts; ich sah eine
Hochzeit der Blumen;
und es war auch nichts;
es war alles, alles nichts! Schatten mit Federn
hintern Ohren, Geisseln in der linken, leere Klin-
gebeutel in der rechten fielen mich an; und ich
merkte an ihrem ungestümen Betragen, daß es
Kunstrichter waren. Allein ihre Macht, die oft
kaum morgen erlebet, erlebet noch weniger über-
morgen;
am allermindesten wirket sie dann,
wann sie nicht mehr sind. Jch lachte ihrer also,
wie der Philosoph seines Tyrannen lachte, der
ihn stampfen ließ. Ein Häfft meines Wörter-
buchs
nur entglitschte mir; ich sah gräßliche
Verzückungen der Gebehrden, als man mir, zu
meinem größten Erstaunen, mein Buch wieder-
gab. Jch ward fast genöthiget, diese Großmuth

zu
G g 3

Beſchluß.
als eben Mylius vor mir vorbey glitſchte;
(denn auch ich glitſchte;) der aber eben ſo we-
nig die Probe beſtand. Er kam aus der koͤrper-
lichen Welt;
und dem kleinen Maͤnnchen wars
leichter gefallen, eine Reiſe nach dem unkoͤrper-
lichen,
als koͤrperlichen Amerika anzutreten.
Er war noch auf engliſch gekleidet; faßte mich
bey der Krauſe, und fragte: biſt du auch un-
ter den Propheten?
Kaum erholte ich mich:
ſo ſah ich, es ſey alles nur Zauberwerk. Den
Augenblick ſchwebte eine Wolke uͤber mich; Sie
war von Kruͤgen durchflochten, und ihre ſtro-
tzende Baͤuche
platzten. Jch fuͤrchtete ſchon
die Scherbel: und ſiehe! es war auch nichts;
in der Ferne ſah ich Gemaͤlde mit Fleiſche be-
worfen;
und es war auch nichts; ich ſah eine
Hochzeit der Blumen;
und es war auch nichts;
es war alles, alles nichts! Schatten mit Federn
hintern Ohren, Geiſſeln in der linken, leere Klin-
gebeutel in der rechten fielen mich an; und ich
merkte an ihrem ungeſtuͤmen Betragen, daß es
Kunſtrichter waren. Allein ihre Macht, die oft
kaum morgen erlebet, erlebet noch weniger uͤber-
morgen;
am allermindeſten wirket ſie dann,
wann ſie nicht mehr ſind. Jch lachte ihrer alſo,
wie der Philoſoph ſeines Tyrannen lachte, der
ihn ſtampfen ließ. Ein Haͤfft meines Woͤrter-
buchs
nur entglitſchte mir; ich ſah graͤßliche
Verzuͤckungen der Gebehrden, als man mir, zu
meinem groͤßten Erſtaunen, mein Buch wieder-
gab. Jch ward faſt genoͤthiget, dieſe Großmuth

zu
G g 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0495" n="469"/><fw place="top" type="header">Be&#x017F;chluß.</fw><lb/>
als eben <hi rendition="#fr">Mylius</hi> vor mir vorbey <hi rendition="#fr">glit&#x017F;chte;</hi><lb/>
(denn auch ich <hi rendition="#fr">glit&#x017F;chte;</hi>) der aber eben &#x017F;o we-<lb/>
nig die Probe be&#x017F;tand. Er kam aus der <hi rendition="#fr">ko&#x0364;rper-<lb/>
lichen Welt;</hi> und dem kleinen Ma&#x0364;nnchen wars<lb/>
leichter gefallen, eine Rei&#x017F;e nach dem <hi rendition="#fr">unko&#x0364;rper-<lb/>
lichen,</hi> als <hi rendition="#fr">ko&#x0364;rperlichen Amerika</hi> anzutreten.<lb/>
Er war noch auf <hi rendition="#fr">engli&#x017F;ch</hi> gekleidet; faßte mich<lb/>
bey der Krau&#x017F;e, und fragte: <hi rendition="#fr">bi&#x017F;t du auch un-<lb/>
ter den Propheten?</hi> Kaum erholte ich mich:<lb/>
&#x017F;o &#x017F;ah ich, es &#x017F;ey alles nur Zauberwerk. Den<lb/>
Augenblick &#x017F;chwebte eine <hi rendition="#fr">Wolke</hi> u&#x0364;ber mich; Sie<lb/>
war <hi rendition="#fr">von Kru&#x0364;gen durchflochten,</hi> und ihre <hi rendition="#fr">&#x017F;tro-<lb/>
tzende Ba&#x0364;uche</hi> platzten. Jch fu&#x0364;rchtete &#x017F;chon<lb/>
die <hi rendition="#fr">Scherbel:</hi> und &#x017F;iehe! es war auch nichts;<lb/>
in der Ferne &#x017F;ah ich <hi rendition="#fr">Gema&#x0364;lde mit Flei&#x017F;che be-<lb/>
worfen;</hi> und es war auch nichts; ich &#x017F;ah <hi rendition="#fr">eine<lb/>
Hochzeit der Blumen;</hi> und es war auch nichts;<lb/>
es war alles, alles nichts! Schatten mit Federn<lb/>
hintern Ohren, Gei&#x017F;&#x017F;eln in der linken, leere Klin-<lb/>
gebeutel in der rechten fielen mich an; und ich<lb/>
merkte an ihrem unge&#x017F;tu&#x0364;men Betragen, daß es<lb/>
Kun&#x017F;trichter waren. Allein ihre Macht, die oft<lb/>
kaum <hi rendition="#fr">morgen</hi> erlebet, erlebet noch weniger <hi rendition="#fr">u&#x0364;ber-<lb/>
morgen;</hi> am allerminde&#x017F;ten wirket &#x017F;ie dann,<lb/>
wann &#x017F;ie nicht mehr &#x017F;ind. Jch lachte ihrer al&#x017F;o,<lb/>
wie der <hi rendition="#fr">Philo&#x017F;oph</hi> &#x017F;eines <hi rendition="#fr">Tyrannen</hi> lachte, der<lb/>
ihn &#x017F;tampfen ließ. Ein Ha&#x0364;fft meines <hi rendition="#fr">Wo&#x0364;rter-<lb/>
buchs</hi> nur entglit&#x017F;chte mir; ich &#x017F;ah gra&#x0364;ßliche<lb/>
Verzu&#x0364;ckungen der Gebehrden, als man mir, zu<lb/>
meinem gro&#x0364;ßten Er&#x017F;taunen, mein Buch wieder-<lb/>
gab. Jch ward fa&#x017F;t geno&#x0364;thiget, die&#x017F;e Großmuth<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G g 3</fw><fw place="bottom" type="catch">zu</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[469/0495] Beſchluß. als eben Mylius vor mir vorbey glitſchte; (denn auch ich glitſchte;) der aber eben ſo we- nig die Probe beſtand. Er kam aus der koͤrper- lichen Welt; und dem kleinen Maͤnnchen wars leichter gefallen, eine Reiſe nach dem unkoͤrper- lichen, als koͤrperlichen Amerika anzutreten. Er war noch auf engliſch gekleidet; faßte mich bey der Krauſe, und fragte: biſt du auch un- ter den Propheten? Kaum erholte ich mich: ſo ſah ich, es ſey alles nur Zauberwerk. Den Augenblick ſchwebte eine Wolke uͤber mich; Sie war von Kruͤgen durchflochten, und ihre ſtro- tzende Baͤuche platzten. Jch fuͤrchtete ſchon die Scherbel: und ſiehe! es war auch nichts; in der Ferne ſah ich Gemaͤlde mit Fleiſche be- worfen; und es war auch nichts; ich ſah eine Hochzeit der Blumen; und es war auch nichts; es war alles, alles nichts! Schatten mit Federn hintern Ohren, Geiſſeln in der linken, leere Klin- gebeutel in der rechten fielen mich an; und ich merkte an ihrem ungeſtuͤmen Betragen, daß es Kunſtrichter waren. Allein ihre Macht, die oft kaum morgen erlebet, erlebet noch weniger uͤber- morgen; am allermindeſten wirket ſie dann, wann ſie nicht mehr ſind. Jch lachte ihrer alſo, wie der Philoſoph ſeines Tyrannen lachte, der ihn ſtampfen ließ. Ein Haͤfft meines Woͤrter- buchs nur entglitſchte mir; ich ſah graͤßliche Verzuͤckungen der Gebehrden, als man mir, zu meinem groͤßten Erſtaunen, mein Buch wieder- gab. Jch ward faſt genoͤthiget, dieſe Großmuth zu G g 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/495
Zitationshilfe: Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 469. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/495>, abgerufen am 12.05.2024.