Dieses 16 Zeilen lang auf alle mögliche Art verän- dert, ist ein Meisterstück des Bathos. Was sind das für zwo Religionen? Hat die Gottheit auch eine Religion? Nicht Religion mehr! d. i. wohl eine garstige Religion mehr?
Riß.
Wann zwo von meinen Mägdchen, den sterblichen Mägdchen, sterben: so heißt das letzte der zweyte Riß.
"Mirza, der fünfzigste Riß von meinem hülf- losen Leben. Noah, 30 S.
Rocken.
Endlich finden wir auch etwas für die al- ten mütterlichen Klöße: einen Rocken, einen fliessenden Rocken; einen gehorchenden Ro- cken.
"Lehrt uns mit streichelnden Fingern die zarten Faden zu drehen, "Die aus dem Rocken fließend der leitenden Spindel gehorchen. Noah, 118 S.
Allerliebst! Sind das nicht drey unvergleichliche Erfindungen? 1. streicheln die Finger das Werk, damit es erlaube, seine Faden zu dre- hen; wir haben diese Demuth der Finger nie gese- hen, wohl aber manch altes Weibchen am Werke zupfen sehen. 2. fließen die Faden aus dem Rocken: viel Glücks zur Erfindung! Alle faule Mägde werden Jhnen danken, Herr Rath! 3. sehen wir, wie die Spindel den Faden leitet. Wie man nicht irren kann! Bisher glaubten wir, die Hand thäte es. Aber es bleibt wohl wahr: ein Philosoph ist ein Mensch, der nicht glau- bet, was er siehet: und das siehet, was wir
nicht
Ri Ro
Dieſes 16 Zeilen lang auf alle moͤgliche Art veraͤn- dert, iſt ein Meiſterſtuͤck des Bathos. Was ſind das fuͤr zwo Religionen? Hat die Gottheit auch eine Religion? Nicht Religion mehr! d. i. wohl eine garſtige Religion mehr?
Riß.
Wann zwo von meinen Maͤgdchen, den ſterblichen Maͤgdchen, ſterben: ſo heißt das letzte der zweyte Riß.
“Mirza, der fuͤnfzigſte Riß von meinem huͤlf- loſen Leben. Noah, 30 S.
Rocken.
Endlich finden wir auch etwas fuͤr die al- ten muͤtterlichen Kloͤße: einen Rocken, einen flieſſenden Rocken; einen gehorchenden Ro- cken.
“Lehrt uns mit ſtreichelnden Fingern die zarten Faden zu drehen, “Die aus dem Rocken fließend der leitenden Spindel gehorchen. Noah, 118 S.
Allerliebſt! Sind das nicht drey unvergleichliche Erfindungen? 1. ſtreicheln die Finger das Werk, damit es erlaube, ſeine Faden zu dre- hen; wir haben dieſe Demuth der Finger nie geſe- hen, wohl aber manch altes Weibchen am Werke zupfen ſehen. 2. fließen die Faden aus dem Rocken: viel Gluͤcks zur Erfindung! Alle faule Maͤgde werden Jhnen danken, Herr Rath! 3. ſehen wir, wie die Spindel den Faden leitet. Wie man nicht irren kann! Bisher glaubten wir, die Hand thaͤte es. Aber es bleibt wohl wahr: ein Philoſoph iſt ein Menſch, der nicht glau- bet, was er ſiehet: und das ſiehet, was wir
nicht
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0382"n="356"/><fwplace="top"type="header">Ri Ro</fw><lb/><p>Dieſes 16 <hirendition="#fr">Zeilen</hi> lang auf alle moͤgliche Art veraͤn-<lb/>
dert, iſt ein Meiſterſtuͤck des <hirendition="#fr">Bathos.</hi> Was<lb/>ſind das fuͤr <hirendition="#fr">zwo Religionen?</hi> Hat die Gottheit<lb/>
auch eine <hirendition="#fr">Religion? Nicht Religion mehr!</hi> d.<lb/>
i. <hirendition="#fr">wohl eine garſtige Religion mehr?</hi></p></div><lb/><divn="3"><head>Riß.</head><p>Wann <hirendition="#fr">zwo</hi> von meinen Maͤgdchen, den<lb/>ſterblichen Maͤgdchen, ſterben: ſo heißt das <hirendition="#fr">letzte</hi><lb/>
der <hirendition="#fr">zweyte Riß.</hi></p><lb/><cit><quote>“Mirza, der <hirendition="#fr">fuͤnfzigſte Riß</hi> von meinem huͤlf-<lb/><hirendition="#et">loſen Leben. <hirendition="#fr">Noah, 30 S.</hi></hi></quote><bibl/></cit></div><lb/><divn="3"><head>Rocken.</head><p>Endlich finden wir auch etwas fuͤr die <hirendition="#fr">al-<lb/>
ten muͤtterlichen Kloͤße:</hi> einen <hirendition="#fr">Rocken,</hi> einen<lb/><hirendition="#fr">flieſſenden Rocken;</hi> einen <hirendition="#fr">gehorchenden Ro-<lb/>
cken.</hi></p><lb/><cit><quote>“Lehrt uns mit <hirendition="#fr">ſtreichelnden Fingern</hi> die<lb/><hirendition="#et">zarten Faden zu <hirendition="#fr">drehen,</hi></hi><lb/>“Die aus dem <hirendition="#fr">Rocken fließend</hi> der <hirendition="#fr">leitenden<lb/><hirendition="#et">Spindel gehorchen. Noah, 118 S.</hi></hi></quote><bibl/></cit><lb/><p>Allerliebſt! Sind das nicht drey unvergleichliche<lb/>
Erfindungen? 1. <hirendition="#fr">ſtreicheln die Finger das<lb/>
Werk, damit es erlaube, ſeine Faden zu dre-<lb/>
hen;</hi> wir haben dieſe Demuth der Finger nie geſe-<lb/>
hen, wohl aber manch altes Weibchen am Werke<lb/><hirendition="#fr">zupfen</hi>ſehen. 2. <hirendition="#fr">fließen die Faden aus dem<lb/>
Rocken:</hi> viel Gluͤcks zur Erfindung! Alle faule<lb/>
Maͤgde werden Jhnen danken, <hirendition="#fr">Herr Rath!</hi><lb/>
3. ſehen wir, wie die <hirendition="#fr">Spindel den Faden leitet.</hi><lb/>
Wie man nicht irren kann! Bisher glaubten wir,<lb/><hirendition="#fr">die Hand thaͤte es.</hi> Aber es bleibt wohl wahr:<lb/><hirendition="#fr">ein Philoſoph iſt ein Menſch, der nicht glau-<lb/>
bet, was er ſiehet:</hi> und das ſiehet, was wir<lb/><fwplace="bottom"type="catch">nicht</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[356/0382]
Ri Ro
Dieſes 16 Zeilen lang auf alle moͤgliche Art veraͤn-
dert, iſt ein Meiſterſtuͤck des Bathos. Was
ſind das fuͤr zwo Religionen? Hat die Gottheit
auch eine Religion? Nicht Religion mehr! d.
i. wohl eine garſtige Religion mehr?
Riß. Wann zwo von meinen Maͤgdchen, den
ſterblichen Maͤgdchen, ſterben: ſo heißt das letzte
der zweyte Riß.
“Mirza, der fuͤnfzigſte Riß von meinem huͤlf-
loſen Leben. Noah, 30 S.
Rocken. Endlich finden wir auch etwas fuͤr die al-
ten muͤtterlichen Kloͤße: einen Rocken, einen
flieſſenden Rocken; einen gehorchenden Ro-
cken.
“Lehrt uns mit ſtreichelnden Fingern die
zarten Faden zu drehen,
“Die aus dem Rocken fließend der leitenden
Spindel gehorchen. Noah, 118 S.
Allerliebſt! Sind das nicht drey unvergleichliche
Erfindungen? 1. ſtreicheln die Finger das
Werk, damit es erlaube, ſeine Faden zu dre-
hen; wir haben dieſe Demuth der Finger nie geſe-
hen, wohl aber manch altes Weibchen am Werke
zupfen ſehen. 2. fließen die Faden aus dem
Rocken: viel Gluͤcks zur Erfindung! Alle faule
Maͤgde werden Jhnen danken, Herr Rath!
3. ſehen wir, wie die Spindel den Faden leitet.
Wie man nicht irren kann! Bisher glaubten wir,
die Hand thaͤte es. Aber es bleibt wohl wahr:
ein Philoſoph iſt ein Menſch, der nicht glau-
bet, was er ſiehet: und das ſiehet, was wir
nicht
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/382>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.