Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorrede.
phenatpanah wäre myriadenmal besser
gewesen: denn wer wird Joseph sagen?
und wer millionenmal? *

Mein Bewunderer; ich setze voraus,
daß es alle meine Leser sind; mein Bewun-
derer wird bemerken, wie sorgfältig ich
Verstand
und gesunde Vernunft von
einander unterscheide. Mancher möchte
denken: es wäre ein Ding; aber irrig!
Jedermann giebt zu, daß Klopstock Ver-
stand
hat; nicht aber alle räumen ihm eine
gesunde Vernunft ein. Diese alle nun
sind sehr vernünftige Leute; das spricht ih-
nen niemand ab. Allein, unter uns gesagt,
sie sollen nicht viel Verstand haben. Man
sehe alle schweizerische Schriften: was fol-
get also? daß man vernünftig seyn, und
nicht Verstand haben könne; und wie-
derum Verstand haben könne, ohne ei-
ne gesunde Vernunft zu besitzen.

So
* Siehe das Gedicht Jacob und Joseph, und
Jacob und Rachel.

Vorrede.
phenatpanah waͤre myriadenmal beſſer
geweſen: denn wer wird Joſeph ſagen?
und wer millionenmal? *

Mein Bewunderer; ich ſetze voraus,
daß es alle meine Leſer ſind; mein Bewun-
derer wird bemerken, wie ſorgfaͤltig ich
Verſtand
und geſunde Vernunft von
einander unterſcheide. Mancher moͤchte
denken: es waͤre ein Ding; aber irrig!
Jedermann giebt zu, daß Klopſtock Ver-
ſtand
hat; nicht aber alle raͤumen ihm eine
geſunde Vernunft ein. Dieſe alle nun
ſind ſehr vernuͤnftige Leute; das ſpricht ih-
nen niemand ab. Allein, unter uns geſagt,
ſie ſollen nicht viel Verſtand haben. Man
ſehe alle ſchweizeriſche Schriften: was fol-
get alſo? daß man vernuͤnftig ſeyn, und
nicht Verſtand haben koͤnne; und wie-
derum Verſtand haben koͤnne, ohne ei-
ne geſunde Vernunft zu beſitzen.

So
* Siehe das Gedicht Jacob und Joſeph, und
Jacob und Rachel.
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0015"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vorrede.</hi></fw><lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">phenatpanah</hi></hi> wa&#x0364;re <hi rendition="#fr">myriadenmal</hi> be&#x017F;&#x017F;er<lb/>
gewe&#x017F;en: denn wer wird <hi rendition="#fr">Jo&#x017F;eph</hi> &#x017F;agen?<lb/>
und wer <hi rendition="#fr">millionenmal?</hi> <note place="foot" n="*">Siehe das Gedicht <hi rendition="#fr">Jacob</hi> und <hi rendition="#fr">Jo&#x017F;eph,</hi> und<lb/><hi rendition="#fr">Jacob</hi> und <hi rendition="#fr">Rachel.</hi></note></p><lb/>
        <p>Mein Bewunderer; ich &#x017F;etze voraus,<lb/>
daß es alle meine Le&#x017F;er &#x017F;ind; mein Bewun-<lb/>
derer wird bemerken, wie &#x017F;orgfa&#x0364;ltig <hi rendition="#fr">ich<lb/>
Ver&#x017F;tand</hi> und <hi rendition="#fr">ge&#x017F;unde Vernunft</hi> von<lb/>
einander unter&#x017F;cheide. Mancher mo&#x0364;chte<lb/>
denken: es wa&#x0364;re ein Ding; aber irrig!<lb/>
Jedermann giebt zu, daß <hi rendition="#fr">Klop&#x017F;tock Ver-<lb/>
&#x017F;tand</hi> hat; nicht aber alle ra&#x0364;umen ihm eine<lb/><hi rendition="#fr">ge&#x017F;unde Vernunft</hi> ein. Die&#x017F;e alle nun<lb/>
&#x017F;ind &#x017F;ehr vernu&#x0364;nftige Leute; das &#x017F;pricht ih-<lb/>
nen niemand ab. Allein, unter uns ge&#x017F;agt,<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ollen nicht viel Ver&#x017F;tand haben. Man<lb/>
&#x017F;ehe alle <hi rendition="#fr">&#x017F;chweizeri&#x017F;che</hi> Schriften: was fol-<lb/>
get al&#x017F;o? <hi rendition="#fr">daß man vernu&#x0364;nftig &#x017F;eyn, und<lb/>
nicht Ver&#x017F;tand haben ko&#x0364;nne; und wie-<lb/>
derum Ver&#x017F;tand haben ko&#x0364;nne, ohne ei-<lb/>
ne ge&#x017F;unde Vernunft zu be&#x017F;itzen.</hi></p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">So</fw><lb/>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[0015] Vorrede. phenatpanah waͤre myriadenmal beſſer geweſen: denn wer wird Joſeph ſagen? und wer millionenmal? * Mein Bewunderer; ich ſetze voraus, daß es alle meine Leſer ſind; mein Bewun- derer wird bemerken, wie ſorgfaͤltig ich Verſtand und geſunde Vernunft von einander unterſcheide. Mancher moͤchte denken: es waͤre ein Ding; aber irrig! Jedermann giebt zu, daß Klopſtock Ver- ſtand hat; nicht aber alle raͤumen ihm eine geſunde Vernunft ein. Dieſe alle nun ſind ſehr vernuͤnftige Leute; das ſpricht ih- nen niemand ab. Allein, unter uns geſagt, ſie ſollen nicht viel Verſtand haben. Man ſehe alle ſchweizeriſche Schriften: was fol- get alſo? daß man vernuͤnftig ſeyn, und nicht Verſtand haben koͤnne; und wie- derum Verſtand haben koͤnne, ohne ei- ne geſunde Vernunft zu beſitzen. So * Siehe das Gedicht Jacob und Joſeph, und Jacob und Rachel.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/15
Zitationshilfe: Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/15>, abgerufen am 28.04.2024.