schen die Beine, und huckte sie dergestalt auf seinen Rücken, daß sie ordentlicher Weise auf ihm reuten muste, und also trug sie dieser grosse Bär erstlich über 300. Schritte weit fort, gieng auch nicht etwa langsam oder bedachtsam, so wie andere Bä- ren zu gehen pflegen, sondern er eilete nicht anders, als wenn jemand mit einer Knoten-Peitsche hinter ihm drein wäre. Die Fürstin hätte vor Lachen fast zerbersten mögen, als sie dieses Schau-Spiel sahe, und rief immer zum Wagen heraus: Reut zu! Reut zu! Jm Gegentheil waren nicht allein der Fürst, sondern auch alle Jäger dergestalt in ein Schrecken gerathen, daß sie nicht wusten, was sie thun solten, denn Feuer auf den Bär zu ge- ben, oder mit Pfeilen nach ihm zu schiessen, schien ihnen gar kein Rath zu seyn, weilen sie noch leichter das liebe Fräulein, als den Bär verwunden, oder gar tödten können. Derowegen machten sie ein gräßliches Geschrey, und bliesen in ihre Jagd- Hörner, allein, je öffters sie dieses wiederhohlten, je besser sich der Bär auf das Lauffen begab, eben als wenn er die Sporn bekäme. Endlich aber, nachdem der Bär seine Reuterin accurat 1000. halbe Manns-Schritte getragen hatte, warff er sie ab, ließ sie liegen, und begab sich wieder in den di- cken Wald hinein.
Nun lieff, was Beine hatte, um zu erfahren ob das gute Fräulein N. noch lebte, oder sich zu Tode geritten hätte, allein wir traffen sie zwar noch lebendig, jedoch in einer starcken Ohnmacht liegend an, weßwegen sie in unsern Wagen getra- gen, mit starcken Gewässern und Balsamen fast
halb
IV.Theil. (e e)
ſchen die Beine, und huckte ſie dergeſtalt auf ſeinen Ruͤcken, daß ſie ordentlicher Weiſe auf ihm reuten muſte, und alſo trug ſie dieſer groſſe Baͤr erſtlich uͤber 300. Schritte weit fort, gieng auch nicht etwa langſam oder bedachtſam, ſo wie andere Baͤ- ren zu gehen pflegen, ſondern er eilete nicht anders, als wenn jemand mit einer Knoten-Peitſche hinter ihm drein waͤre. Die Fuͤrſtin haͤtte vor Lachen faſt zerberſten moͤgen, als ſie dieſes Schau-Spiel ſahe, und rief immer zum Wagen heraus: Reut zu! Reut zu! Jm Gegentheil waren nicht allein der Fuͤrſt, ſondern auch alle Jaͤger dergeſtalt in ein Schrecken gerathen, daß ſie nicht wuſten, was ſie thun ſolten, denn Feuer auf den Baͤr zu ge- ben, oder mit Pfeilen nach ihm zu ſchieſſen, ſchien ihnen gar kein Rath zu ſeyn, weilen ſie noch leichter das liebe Fraͤulein, als den Baͤr verwunden, oder gar toͤdten koͤnnen. Derowegen machten ſie ein graͤßliches Geſchrey, und blieſen in ihre Jagd- Hoͤrner, allein, je oͤffters ſie dieſes wiederhohlten, je beſſer ſich der Baͤr auf das Lauffen begab, eben als wenn er die Sporn bekaͤme. Endlich aber, nachdem der Baͤr ſeine Reuterin accurat 1000. halbe Manns-Schritte getragen hatte, warff er ſie ab, ließ ſie liegen, und begab ſich wieder in den di- cken Wald hinein.
Nun lieff, was Beine hatte, um zu erfahren ob das gute Fraͤulein N. noch lebte, oder ſich zu Tode geritten haͤtte, allein wir traffen ſie zwar noch lebendig, jedoch in einer ſtarcken Ohnmacht liegend an, weßwegen ſie in unſern Wagen getra- gen, mit ſtarcken Gewaͤſſern und Balſamen faſt
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IV.Theil. (e e)
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ſchen die Beine, und huckte ſie dergeſtalt auf ſeinen
Ruͤcken, daß ſie ordentlicher Weiſe auf ihm reuten
muſte, und alſo trug ſie dieſer groſſe Baͤr erſtlich
uͤber 300. Schritte weit fort, gieng auch nicht
etwa langſam oder bedachtſam, ſo wie andere Baͤ-
ren zu gehen pflegen, ſondern er eilete nicht anders,
als wenn jemand mit einer Knoten-Peitſche hinter
ihm drein waͤre. Die Fuͤrſtin haͤtte vor Lachen
faſt zerberſten moͤgen, als ſie dieſes Schau-Spiel
ſahe, und rief immer zum Wagen heraus: Reut
zu! Reut zu! Jm Gegentheil waren nicht allein
der Fuͤrſt, ſondern auch alle Jaͤger dergeſtalt in
ein Schrecken gerathen, daß ſie nicht wuſten, was
ſie thun ſolten, denn Feuer auf den Baͤr zu ge-
ben, oder mit Pfeilen nach ihm zu ſchieſſen, ſchien
ihnen gar kein Rath zu ſeyn, weilen ſie noch leichter
das liebe Fraͤulein, als den Baͤr verwunden, oder
gar toͤdten koͤnnen. Derowegen machten ſie ein
graͤßliches Geſchrey, und blieſen in ihre Jagd-
Hoͤrner, allein, je oͤffters ſie dieſes wiederhohlten,
je beſſer ſich der Baͤr auf das Lauffen begab, eben
als wenn er die Sporn bekaͤme. Endlich aber,
nachdem der Baͤr ſeine Reuterin accurat 1000.
halbe Manns-Schritte getragen hatte, warff er ſie
ab, ließ ſie liegen, und begab ſich wieder in den di-
cken Wald hinein.
Nun lieff, was Beine hatte, um zu erfahren
ob das gute Fraͤulein N. noch lebte, oder ſich zu
Tode geritten haͤtte, allein wir traffen ſie zwar
noch lebendig, jedoch in einer ſtarcken Ohnmacht
liegend an, weßwegen ſie in unſern Wagen getra-
gen, mit ſtarcken Gewaͤſſern und Balſamen faſt
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IV. Theil. (e e)
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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/443>, abgerufen am 22.11.2024.
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