Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite

ber und 3. Kinder, hinten durch den Garten auf
das freye Feld hinaus, allwo sie uns beyden die
Mäuler mit Tüchern zustopfften, damit wir nicht
ferner Hülffe schreyen möchten. Hierauf, da sich,
wie wir beobachteten, eine gantze Compagnie halb
zu Pferde und halb zu Fusse auf dem Platze ver-
sammlet hatte, banden sie uns auf Pferde, und rei-
seten in schneller Eile mit uns von dannen, blieben
aber, wie ich bemerckte, niemahls in der geraden
Strasse, sondern nahmen allerhand Umwege, biß
wir endlich, nachdem unterwegs noch viele Tatars
zu uns gestossen, auch wir des darauf erfolgten Ta-
ges unsere Sicherheit in den allerdunckelsten Gebü-
schen gefunden, in der auf selbigen Tag folgenden
sehr finstern Nacht das so genannte Gotteslager
vor der Stadt Wolffenbüttel erreichten, allwo sich,
wie ich bemerckte, unsere Gesellschafft in 3. Gast-
höfe vertheilete, und die Abrede unter einander
nahm, daß wir morgen mit anbrechendem Tage auf
Braunschweig zu reisen wolten.

Wir armen beyden Geschwister konten zwar
wohl freylich das uns zugestossene Unglück nieman-
den anders, als unserm leiblichen Vater Schuld ge-
ben, weiln er in Verfolgung der Tatarn gar allzu hi-
tzig gewesen; jedoch hier war weiter nichts zu thun,
als daß wir uns mit Gedult in unser Verhängniß
schickten, und vor unsere Eltern beteten. Jnmit-
telst wurden wir von unsern Tatarn im Gasthofe
zum--aufs allerherrlichste und kostbarste bewirthet
und verpflegt, hatten unsere besondere Stube und
Cammer, worinnen 2. wohlgemachte Betten stun-
den, und einen Tatar-Jungen, wie auch ein Tatar-
Mägdgen zu unserer Bedienung, es wurde uns aber

bey

ber und 3. Kinder, hinten durch den Garten auf
das freye Feld hinaus, allwo ſie uns beyden die
Maͤuler mit Tuͤchern zuſtopfften, damit wir nicht
ferner Huͤlffe ſchreyen moͤchten. Hierauf, da ſich,
wie wir beobachteten, eine gantze Compagnie halb
zu Pferde und halb zu Fuſſe auf dem Platze ver-
ſammlet hatte, banden ſie uns auf Pferde, und rei-
ſeten in ſchneller Eile mit uns von dannen, blieben
aber, wie ich bemerckte, niemahls in der geraden
Straſſe, ſondern nahmen allerhand Umwege, biß
wir endlich, nachdem unterwegs noch viele Tatars
zu uns geſtoſſen, auch wir des darauf erfolgten Ta-
ges unſere Sicherheit in den allerdunckelſten Gebuͤ-
ſchen gefunden, in der auf ſelbigen Tag folgenden
ſehr finſtern Nacht das ſo genannte Gotteslager
vor der Stadt Wolffenbuͤttel erreichten, allwo ſich,
wie ich bemerckte, unſere Geſellſchafft in 3. Gaſt-
hoͤfe vertheilete, und die Abrede unter einander
nahm, daß wir morgen mit anbrechendem Tage auf
Braunſchweig zu reiſen wolten.

Wir armen beyden Geſchwiſter konten zwar
wohl freylich das uns zugeſtoſſene Ungluͤck nieman-
den anders, als unſerm leiblichen Vater Schuld ge-
ben, weiln er in Verfolgung der Tatarn gar allzu hi-
tzig geweſen; jedoch hier war weiter nichts zu thun,
als daß wir uns mit Gedult in unſer Verhaͤngniß
ſchickten, und vor unſere Eltern beteten. Jnmit-
telſt wurden wir von unſern Tatarn im Gaſthofe
zum--aufs allerherrlichſte und koſtbarſte bewirthet
und verpflegt, hatten unſere beſondere Stube und
Cammer, worinnen 2. wohlgemachte Betten ſtun-
den, und einen Tatar-Jungen, wie auch ein Tatar-
Maͤgdgen zu unſerer Bedienung, es wurde uns aber

bey
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <floatingText>
          <body>
            <div>
              <p><pb facs="#f0424" n="414"/>
ber und 3. Kinder, hinten durch den Garten auf<lb/>
das freye Feld hinaus, allwo &#x017F;ie uns beyden die<lb/>
Ma&#x0364;uler mit Tu&#x0364;chern zu&#x017F;topfften, damit wir nicht<lb/>
ferner Hu&#x0364;lffe &#x017F;chreyen mo&#x0364;chten. Hierauf, da &#x017F;ich,<lb/>
wie wir beobachteten, eine gantze <hi rendition="#aq">Compagnie</hi> halb<lb/>
zu Pferde und halb zu Fu&#x017F;&#x017F;e auf dem Platze ver-<lb/>
&#x017F;ammlet hatte, banden &#x017F;ie uns auf Pferde, und rei-<lb/>
&#x017F;eten in &#x017F;chneller Eile mit uns von dannen, blieben<lb/>
aber, wie ich bemerckte, niemahls in der geraden<lb/>
Stra&#x017F;&#x017F;e, &#x017F;ondern nahmen allerhand Umwege, biß<lb/>
wir endlich, nachdem unterwegs noch viele Tatars<lb/>
zu uns ge&#x017F;to&#x017F;&#x017F;en, auch wir des darauf erfolgten Ta-<lb/>
ges un&#x017F;ere Sicherheit in den allerdunckel&#x017F;ten Gebu&#x0364;-<lb/>
&#x017F;chen gefunden, in der auf &#x017F;elbigen Tag folgenden<lb/>
&#x017F;ehr fin&#x017F;tern Nacht das &#x017F;o genannte Gotteslager<lb/>
vor der Stadt Wolffenbu&#x0364;ttel erreichten, allwo &#x017F;ich,<lb/>
wie ich bemerckte, un&#x017F;ere Ge&#x017F;ell&#x017F;chafft in 3. Ga&#x017F;t-<lb/>
ho&#x0364;fe vertheilete, und die Abrede unter einander<lb/>
nahm, daß wir morgen mit anbrechendem Tage auf<lb/>
Braun&#x017F;chweig zu rei&#x017F;en wolten.</p><lb/>
              <p>Wir armen beyden Ge&#x017F;chwi&#x017F;ter konten zwar<lb/>
wohl freylich das uns zuge&#x017F;to&#x017F;&#x017F;ene Unglu&#x0364;ck nieman-<lb/>
den anders, als un&#x017F;erm leiblichen Vater Schuld ge-<lb/>
ben, weiln er in Verfolgung der Tatarn gar allzu hi-<lb/>
tzig gewe&#x017F;en; jedoch hier war weiter nichts zu thun,<lb/>
als daß wir uns mit Gedult in un&#x017F;er Verha&#x0364;ngniß<lb/>
&#x017F;chickten, und vor un&#x017F;ere Eltern beteten. Jnmit-<lb/>
tel&#x017F;t wurden wir von un&#x017F;ern Tatarn im Ga&#x017F;thofe<lb/>
zum--aufs allerherrlich&#x017F;te und ko&#x017F;tbar&#x017F;te bewirthet<lb/>
und verpflegt, hatten un&#x017F;ere be&#x017F;ondere Stube und<lb/>
Cammer, worinnen 2. wohlgemachte Betten &#x017F;tun-<lb/>
den, und einen Tatar-Jungen, wie auch ein Tatar-<lb/>
Ma&#x0364;gdgen zu un&#x017F;erer Bedienung, es wurde uns aber<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">bey</fw><lb/></p>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[414/0424] ber und 3. Kinder, hinten durch den Garten auf das freye Feld hinaus, allwo ſie uns beyden die Maͤuler mit Tuͤchern zuſtopfften, damit wir nicht ferner Huͤlffe ſchreyen moͤchten. Hierauf, da ſich, wie wir beobachteten, eine gantze Compagnie halb zu Pferde und halb zu Fuſſe auf dem Platze ver- ſammlet hatte, banden ſie uns auf Pferde, und rei- ſeten in ſchneller Eile mit uns von dannen, blieben aber, wie ich bemerckte, niemahls in der geraden Straſſe, ſondern nahmen allerhand Umwege, biß wir endlich, nachdem unterwegs noch viele Tatars zu uns geſtoſſen, auch wir des darauf erfolgten Ta- ges unſere Sicherheit in den allerdunckelſten Gebuͤ- ſchen gefunden, in der auf ſelbigen Tag folgenden ſehr finſtern Nacht das ſo genannte Gotteslager vor der Stadt Wolffenbuͤttel erreichten, allwo ſich, wie ich bemerckte, unſere Geſellſchafft in 3. Gaſt- hoͤfe vertheilete, und die Abrede unter einander nahm, daß wir morgen mit anbrechendem Tage auf Braunſchweig zu reiſen wolten. Wir armen beyden Geſchwiſter konten zwar wohl freylich das uns zugeſtoſſene Ungluͤck nieman- den anders, als unſerm leiblichen Vater Schuld ge- ben, weiln er in Verfolgung der Tatarn gar allzu hi- tzig geweſen; jedoch hier war weiter nichts zu thun, als daß wir uns mit Gedult in unſer Verhaͤngniß ſchickten, und vor unſere Eltern beteten. Jnmit- telſt wurden wir von unſern Tatarn im Gaſthofe zum--aufs allerherrlichſte und koſtbarſte bewirthet und verpflegt, hatten unſere beſondere Stube und Cammer, worinnen 2. wohlgemachte Betten ſtun- den, und einen Tatar-Jungen, wie auch ein Tatar- Maͤgdgen zu unſerer Bedienung, es wurde uns aber bey

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/424
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/424>, abgerufen am 18.05.2024.