Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite

schiedenen mahlen von diesem Raub-Gesindel recht
empfindlich bestohlen wurden. Wie nun von der
hohen Obrigkeit ein sehr strenger Befehl ergieng, die-
ses Volck, als Vogelfreygemachte Leute zu erken-
nen, und deren so viel, als man nur habhafft werden
könte, entweder gleich auf dem Platze zu tödten, oder
dieselben in die Gefängnisse zu verschaffen; als ließ
sich mein Vater aus Verbitterung gegen dieses
Volck oder Leute, nebst andern mehr, Tag und
Nacht äuserst angelegen seyn, die Zigeuner
oder Tatarn auf das allerhefftigste zu verfolgen, de-
rowegen, als er ihnen fast alle Tage nachgesetzt, ih-
rer 3. auf die Köpffe geschossen, und 6. oder 8. in
die Gefängnisse geliefert, musten wir mit Schmer-
tzen erfahren, daß wenige Nächte hernach unser
Hauß in vollen Flammen stund, und aus| dem
Grunde abbrandte. Dieses hätte noch hingehen
mögen, allein die Tatarn mochten unter sich beschlos-
sen haben, meinen Vater noch weit empfindlicher zu
kräncken, derowegen, als sie wahr genommen, daß
mein Vater seine 2. Kinder, nemlich mich und
meinen 16. jährigen Bruder, in ein ohnweit von un-
serm Hofe gelegenes Bauer-Hauß brachte, damit
wir uns daselbst von dem gehabten Schrecken er-
hohlen, und vor fernerer Gefahr beschützt und gesi-
chert seyn möchten, fielen sogleich 10. biß 12. der
grimmigsten Tatarn in dieses kleine Bauer-Häuß-
lein ein, kriegten so wohl mich, als meinen Bruder
bey den Kollern, banden unsere Hände und Füsse
mit Stricken, und schleppten uns, nachdem wir lan-
ge genung um Hülffe geschryen, weiter aber keine
andere Hülffe herbey kommen sahen, als 2. alte Wei-

ber

ſchiedenen mahlen von dieſem Raub-Geſindel recht
empfindlich beſtohlen wurden. Wie nun von der
hohen Obrigkeit ein ſehr ſtrenger Befehl ergieng, die-
ſes Volck, als Vogelfreygemachte Leute zu erken-
nen, und deren ſo viel, als man nur habhafft werden
koͤnte, entweder gleich auf dem Platze zu toͤdten, oder
dieſelben in die Gefaͤngniſſe zu verſchaffen; als ließ
ſich mein Vater aus Verbitterung gegen dieſes
Volck oder Leute, nebſt andern mehr, Tag und
Nacht aͤuſerſt angelegen ſeyn, die Zigeuner
oder Tatarn auf das allerhefftigſte zu verfolgen, de-
rowegen, als er ihnen faſt alle Tage nachgeſetzt, ih-
rer 3. auf die Koͤpffe geſchoſſen, und 6. oder 8. in
die Gefaͤngniſſe geliefert, muſten wir mit Schmer-
tzen erfahren, daß wenige Naͤchte hernach unſer
Hauß in vollen Flammen ſtund, und aus| dem
Grunde abbrandte. Dieſes haͤtte noch hingehen
moͤgen, allein die Tatarn mochten unter ſich beſchloſ-
ſen haben, meinen Vater noch weit empfindlicher zu
kraͤncken, derowegen, als ſie wahr genommen, daß
mein Vater ſeine 2. Kinder, nemlich mich und
meinen 16. jaͤhrigen Bruder, in ein ohnweit von un-
ſerm Hofe gelegenes Bauer-Hauß brachte, damit
wir uns daſelbſt von dem gehabten Schrecken er-
hohlen, und vor fernerer Gefahr beſchuͤtzt und geſi-
chert ſeyn moͤchten, fielen ſogleich 10. biß 12. der
grimmigſten Tatarn in dieſes kleine Bauer-Haͤuß-
lein ein, kriegten ſo wohl mich, als meinen Bruder
bey den Kollern, banden unſere Haͤnde und Fuͤſſe
mit Stricken, und ſchleppten uns, nachdem wir lan-
ge genung um Huͤlffe geſchryen, weiter aber keine
andere Huͤlffe herbey kommen ſahen, als 2. alte Wei-

ber
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <floatingText>
          <body>
            <div>
              <p><pb facs="#f0423" n="413"/>
&#x017F;chiedenen mahlen von die&#x017F;em Raub-Ge&#x017F;indel recht<lb/>
empfindlich be&#x017F;tohlen wurden. Wie nun von der<lb/>
hohen Obrigkeit ein &#x017F;ehr &#x017F;trenger Befehl ergieng, die-<lb/>
&#x017F;es Volck, als Vogelfreygemachte Leute zu erken-<lb/>
nen, und deren &#x017F;o viel, als man nur habhafft werden<lb/>
ko&#x0364;nte, entweder gleich auf dem Platze zu to&#x0364;dten, oder<lb/>
die&#x017F;elben in die Gefa&#x0364;ngni&#x017F;&#x017F;e zu ver&#x017F;chaffen; als ließ<lb/>
&#x017F;ich mein Vater aus Verbitterung gegen die&#x017F;es<lb/>
Volck oder Leute, neb&#x017F;t andern mehr, Tag und<lb/>
Nacht a&#x0364;u&#x017F;er&#x017F;t angelegen &#x017F;eyn, die <hi rendition="#g">Zigeuner</hi><lb/>
oder Tatarn auf das allerhefftig&#x017F;te zu verfolgen, de-<lb/>
rowegen, als er ihnen fa&#x017F;t alle Tage nachge&#x017F;etzt, ih-<lb/>
rer 3. auf die Ko&#x0364;pffe ge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en, und 6. oder 8. in<lb/>
die Gefa&#x0364;ngni&#x017F;&#x017F;e geliefert, mu&#x017F;ten wir mit Schmer-<lb/>
tzen erfahren, daß wenige Na&#x0364;chte hernach un&#x017F;er<lb/>
Hauß in vollen Flammen &#x017F;tund, und aus| dem<lb/>
Grunde abbrandte. Die&#x017F;es ha&#x0364;tte noch hingehen<lb/>
mo&#x0364;gen, allein die Tatarn mochten unter &#x017F;ich be&#x017F;chlo&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en haben, meinen Vater noch weit empfindlicher zu<lb/>
kra&#x0364;ncken, derowegen, als &#x017F;ie wahr genommen, daß<lb/>
mein Vater &#x017F;eine 2. Kinder, nemlich mich und<lb/>
meinen 16. ja&#x0364;hrigen Bruder, in ein ohnweit von un-<lb/>
&#x017F;erm Hofe gelegenes Bauer-Hauß brachte, damit<lb/>
wir uns da&#x017F;elb&#x017F;t von dem gehabten Schrecken er-<lb/>
hohlen, und vor fernerer Gefahr be&#x017F;chu&#x0364;tzt und ge&#x017F;i-<lb/>
chert &#x017F;eyn mo&#x0364;chten, fielen &#x017F;ogleich 10. biß 12. der<lb/>
grimmig&#x017F;ten Tatarn in die&#x017F;es kleine Bauer-Ha&#x0364;uß-<lb/>
lein ein, kriegten &#x017F;o wohl mich, als meinen Bruder<lb/>
bey den Kollern, banden un&#x017F;ere Ha&#x0364;nde und Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e<lb/>
mit Stricken, und &#x017F;chleppten uns, nachdem wir lan-<lb/>
ge genung um Hu&#x0364;lffe ge&#x017F;chryen, weiter aber keine<lb/>
andere Hu&#x0364;lffe herbey kommen &#x017F;ahen, als 2. alte Wei-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ber</fw><lb/></p>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[413/0423] ſchiedenen mahlen von dieſem Raub-Geſindel recht empfindlich beſtohlen wurden. Wie nun von der hohen Obrigkeit ein ſehr ſtrenger Befehl ergieng, die- ſes Volck, als Vogelfreygemachte Leute zu erken- nen, und deren ſo viel, als man nur habhafft werden koͤnte, entweder gleich auf dem Platze zu toͤdten, oder dieſelben in die Gefaͤngniſſe zu verſchaffen; als ließ ſich mein Vater aus Verbitterung gegen dieſes Volck oder Leute, nebſt andern mehr, Tag und Nacht aͤuſerſt angelegen ſeyn, die Zigeuner oder Tatarn auf das allerhefftigſte zu verfolgen, de- rowegen, als er ihnen faſt alle Tage nachgeſetzt, ih- rer 3. auf die Koͤpffe geſchoſſen, und 6. oder 8. in die Gefaͤngniſſe geliefert, muſten wir mit Schmer- tzen erfahren, daß wenige Naͤchte hernach unſer Hauß in vollen Flammen ſtund, und aus| dem Grunde abbrandte. Dieſes haͤtte noch hingehen moͤgen, allein die Tatarn mochten unter ſich beſchloſ- ſen haben, meinen Vater noch weit empfindlicher zu kraͤncken, derowegen, als ſie wahr genommen, daß mein Vater ſeine 2. Kinder, nemlich mich und meinen 16. jaͤhrigen Bruder, in ein ohnweit von un- ſerm Hofe gelegenes Bauer-Hauß brachte, damit wir uns daſelbſt von dem gehabten Schrecken er- hohlen, und vor fernerer Gefahr beſchuͤtzt und geſi- chert ſeyn moͤchten, fielen ſogleich 10. biß 12. der grimmigſten Tatarn in dieſes kleine Bauer-Haͤuß- lein ein, kriegten ſo wohl mich, als meinen Bruder bey den Kollern, banden unſere Haͤnde und Fuͤſſe mit Stricken, und ſchleppten uns, nachdem wir lan- ge genung um Huͤlffe geſchryen, weiter aber keine andere Huͤlffe herbey kommen ſahen, als 2. alte Wei- ber

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/423
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/423>, abgerufen am 22.11.2024.