Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite

bey Verlust unseres Lebens anbefohlen, mit den
Wirths-Leuten kein eintziges Wort zu reden, viel we-
niger ihnen, oder jemand anders unsern Zustand zu
klagen; woferne wir aber stille und klug leben wol-
ten, so solten wir unser Glück nicht übersehen kön-
nen. Weilen wir nun, aus Furcht unser Leben
einzubüssen, dem strengen Befehle gehorsameten,
so kam gleich des dritten Morgens ein Schneider
mit seiner Frau, welcher meinem Bruder und mir
das Maaß zu neuen Kleidern nahm, ingleichen kam
ein Schuster, welcher mir und meinem Bruder das
Auslesen unter seiner Waare gab, deren er einen
starcken Vorrath in 2. Körben herbey bringen ließ,
da denn ich mir 3. Paar Pantoffeln und Schuhe,
mein Bruder aber sich eben so viel auslesen muste.
Binnen zweyen Tagen stellete sich der Schneider
wieder ein, und brachte vor meinen Bruder ein ro-
thes Scharlachenes sauberes Kleid, dessen Cami-
sol und Bein-Kleider starck mit goldenen Tressen
bordirt waren; Nächst diesem noch ein anderes
grünes Kleid, dessen Camisol und Bein-Kleider
mit Silber bordirt, ausser diesen beyden aber noch
ein Strapazier-Kleid.

Jch vor meine Person bekam gleichfalls 2. gantz
neue Kleider, roth und grün, und über diese noch
ein Altags-Kleid zum Strapazieren, alles nach der
neuesten Mode gemacht, da hingegen mein Bru-
der noch 2. gantz neue Schlaf-Röcke bekam, nem-
lich einen damastenen und einen etwas schlechtern
zur Strapaze. Auser diesem empfieng mein Bru-
der einen Degen mit einem silbernen Griffe und zu-
behörigem Gehänge, ein sauber beschlagenes Spa-

nisches

bey Verluſt unſeres Lebens anbefohlen, mit den
Wirths-Leuten kein eintziges Wort zu reden, viel we-
niger ihnen, oder jemand anders unſern Zuſtand zu
klagen; woferne wir aber ſtille und klug leben wol-
ten, ſo ſolten wir unſer Gluͤck nicht uͤberſehen koͤn-
nen. Weilen wir nun, aus Furcht unſer Leben
einzubuͤſſen, dem ſtrengen Befehle gehorſameten,
ſo kam gleich des dritten Morgens ein Schneider
mit ſeiner Frau, welcher meinem Bruder und mir
das Maaß zu neuen Kleidern nahm, ingleichen kam
ein Schuſter, welcher mir und meinem Bruder das
Ausleſen unter ſeiner Waare gab, deren er einen
ſtarcken Vorrath in 2. Koͤrben herbey bringen ließ,
da denn ich mir 3. Paar Pantoffeln und Schuhe,
mein Bruder aber ſich eben ſo viel ausleſen muſte.
Binnen zweyen Tagen ſtellete ſich der Schneider
wieder ein, und brachte vor meinen Bruder ein ro-
thes Scharlachenes ſauberes Kleid, deſſen Cami-
ſol und Bein-Kleider ſtarck mit goldenen Treſſen
bordirt waren; Naͤchſt dieſem noch ein anderes
gruͤnes Kleid, deſſen Camiſol und Bein-Kleider
mit Silber bordirt, auſſer dieſen beyden aber noch
ein Strapazier-Kleid.

Jch vor meine Perſon bekam gleichfalls 2. gantz
neue Kleider, roth und gruͤn, und uͤber dieſe noch
ein Altags-Kleid zum Strapazieren, alles nach der
neueſten Mode gemacht, da hingegen mein Bru-
der noch 2. gantz neue Schlaf-Roͤcke bekam, nem-
lich einen damaſtenen und einen etwas ſchlechtern
zur Strapaze. Auſer dieſem empfieng mein Bru-
der einen Degen mit einem ſilbernen Griffe und zu-
behoͤrigem Gehaͤnge, ein ſauber beſchlagenes Spa-

niſches
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <floatingText>
          <body>
            <div>
              <p><pb facs="#f0425" n="415"/>
bey Verlu&#x017F;t un&#x017F;eres Lebens anbefohlen, mit den<lb/>
Wirths-Leuten kein eintziges Wort zu reden, viel we-<lb/>
niger ihnen, oder jemand anders un&#x017F;ern Zu&#x017F;tand zu<lb/>
klagen; woferne wir aber &#x017F;tille und klug leben wol-<lb/>
ten, &#x017F;o &#x017F;olten wir un&#x017F;er Glu&#x0364;ck nicht u&#x0364;ber&#x017F;ehen ko&#x0364;n-<lb/>
nen. Weilen wir nun, aus Furcht un&#x017F;er Leben<lb/>
einzubu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, dem &#x017F;trengen Befehle gehor&#x017F;ameten,<lb/>
&#x017F;o kam gleich des dritten Morgens ein Schneider<lb/>
mit &#x017F;einer Frau, welcher meinem Bruder und mir<lb/>
das Maaß zu neuen Kleidern nahm, ingleichen kam<lb/>
ein Schu&#x017F;ter, welcher mir und meinem Bruder das<lb/>
Ausle&#x017F;en unter &#x017F;einer Waare gab, deren er einen<lb/>
&#x017F;tarcken Vorrath in 2. Ko&#x0364;rben herbey bringen ließ,<lb/>
da denn ich mir 3. Paar Pantoffeln und Schuhe,<lb/>
mein Bruder aber &#x017F;ich eben &#x017F;o viel ausle&#x017F;en mu&#x017F;te.<lb/>
Binnen zweyen Tagen &#x017F;tellete &#x017F;ich der Schneider<lb/>
wieder ein, und brachte vor meinen Bruder ein ro-<lb/>
thes Scharlachenes &#x017F;auberes Kleid, de&#x017F;&#x017F;en Cami-<lb/>
&#x017F;ol und Bein-Kleider &#x017F;tarck mit goldenen Tre&#x017F;&#x017F;en<lb/><hi rendition="#aq">bordirt</hi> waren; Na&#x0364;ch&#x017F;t die&#x017F;em noch ein anderes<lb/>
gru&#x0364;nes Kleid, de&#x017F;&#x017F;en Cami&#x017F;ol und Bein-Kleider<lb/>
mit Silber <hi rendition="#aq">bordirt,</hi> au&#x017F;&#x017F;er die&#x017F;en beyden aber noch<lb/>
ein Strapazier-Kleid.</p><lb/>
              <p>Jch vor meine Per&#x017F;on bekam gleichfalls 2. gantz<lb/>
neue Kleider, roth und gru&#x0364;n, und u&#x0364;ber die&#x017F;e noch<lb/>
ein Altags-Kleid zum Strapazieren, alles nach der<lb/>
neue&#x017F;ten Mode gemacht, da hingegen mein Bru-<lb/>
der noch 2. gantz neue Schlaf-Ro&#x0364;cke bekam, nem-<lb/>
lich einen dama&#x017F;tenen und einen etwas &#x017F;chlechtern<lb/>
zur Strapaze. Au&#x017F;er die&#x017F;em empfieng mein Bru-<lb/>
der einen Degen mit einem &#x017F;ilbernen Griffe und zu-<lb/>
beho&#x0364;rigem Geha&#x0364;nge, ein &#x017F;auber be&#x017F;chlagenes Spa-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ni&#x017F;ches</fw><lb/></p>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[415/0425] bey Verluſt unſeres Lebens anbefohlen, mit den Wirths-Leuten kein eintziges Wort zu reden, viel we- niger ihnen, oder jemand anders unſern Zuſtand zu klagen; woferne wir aber ſtille und klug leben wol- ten, ſo ſolten wir unſer Gluͤck nicht uͤberſehen koͤn- nen. Weilen wir nun, aus Furcht unſer Leben einzubuͤſſen, dem ſtrengen Befehle gehorſameten, ſo kam gleich des dritten Morgens ein Schneider mit ſeiner Frau, welcher meinem Bruder und mir das Maaß zu neuen Kleidern nahm, ingleichen kam ein Schuſter, welcher mir und meinem Bruder das Ausleſen unter ſeiner Waare gab, deren er einen ſtarcken Vorrath in 2. Koͤrben herbey bringen ließ, da denn ich mir 3. Paar Pantoffeln und Schuhe, mein Bruder aber ſich eben ſo viel ausleſen muſte. Binnen zweyen Tagen ſtellete ſich der Schneider wieder ein, und brachte vor meinen Bruder ein ro- thes Scharlachenes ſauberes Kleid, deſſen Cami- ſol und Bein-Kleider ſtarck mit goldenen Treſſen bordirt waren; Naͤchſt dieſem noch ein anderes gruͤnes Kleid, deſſen Camiſol und Bein-Kleider mit Silber bordirt, auſſer dieſen beyden aber noch ein Strapazier-Kleid. Jch vor meine Perſon bekam gleichfalls 2. gantz neue Kleider, roth und gruͤn, und uͤber dieſe noch ein Altags-Kleid zum Strapazieren, alles nach der neueſten Mode gemacht, da hingegen mein Bru- der noch 2. gantz neue Schlaf-Roͤcke bekam, nem- lich einen damaſtenen und einen etwas ſchlechtern zur Strapaze. Auſer dieſem empfieng mein Bru- der einen Degen mit einem ſilbernen Griffe und zu- behoͤrigem Gehaͤnge, ein ſauber beſchlagenes Spa- niſches

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/425
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/425>, abgerufen am 22.11.2024.