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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

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Machine wäre, mit welcher die Geister ihr Spiel
trieben? Hierauf gab uns Vincentius diese Ant-
wort: Jch will nimmermehr auf dieser Welt
glücklich werden, wenn dieses nicht ein würcklicher
und natürlicher Löwe ist, mit dem zwar in Persien
die bösen Geister allerhand Gauckel-Spiele ge-
trieben haben; Jedoch dieses alles ist vorbey, und
gehet uns allhier nichts an. Genung, wenn ich
euch dieses nochmals hoch und theuer versichere,
daß es ein blosser natürlicher Löwe, allein, durch
die kluge und behutsame Auferziehung seiner Prin-
tzeßin dahin gebracht ist, daß er fast mehr Ver-
stand, als mancher Mensch im Gehirne hat.

Nachdem nun Vincentius mir alles, was
er von dem Löwen gesagt, noch mit vielen Eyd-
Schwüren betheuert, verschwand nicht allein bey
mir aller Argwohn und Mißtrauen, sondern auch
die Furcht vor dieser wilden Bestie, ja! ich ge-
wann den Löwen dergestalt lieb, daß ich fast nir-
gends hingehen konte, wenn ich den Löwen nicht
bey mir sahe, als woraus sich die Mirzamanda
ein besonderes Vergnügen machte. Jedoch auf
das vorige zu kommen, so war doch zu bewundern,
daß dieser Löwe, als er uns zum ersten mahle mit
der Printzeßin bey der Abend-Mahlzeit besuchte,
sich hinter seine Gebietherin stellete, und derselben
also aufwartete, wie bey uns die abgerichteten
Hunde aufzuwarten pflegen; nach diesem legte er
sich vor ihr nieder, seinen Kopff in ihren Schooß,
und ließ sich von ihr speisen, hierauf gieng er weiter
von einem zum andern, und wer ihm einen rechten
wohlschmeckenden Bissen zu verschlingen gab, dem

leckte
(b b) 4

Machine waͤre, mit welcher die Geiſter ihr Spiel
trieben? Hierauf gab uns Vincentius dieſe Ant-
wort: Jch will nimmermehr auf dieſer Welt
gluͤcklich werden, wenn dieſes nicht ein wuͤrcklicher
und natuͤrlicher Loͤwe iſt, mit dem zwar in Perſien
die boͤſen Geiſter allerhand Gauckel-Spiele ge-
trieben haben; Jedoch dieſes alles iſt vorbey, und
gehet uns allhier nichts an. Genung, wenn ich
euch dieſes nochmals hoch und theuer verſichere,
daß es ein bloſſer natuͤrlicher Loͤwe, allein, durch
die kluge und behutſame Auferziehung ſeiner Prin-
tzeßin dahin gebracht iſt, daß er faſt mehr Ver-
ſtand, als mancher Menſch im Gehirne hat.

Nachdem nun Vincentius mir alles, was
er von dem Loͤwen geſagt, noch mit vielen Eyd-
Schwuͤren betheuert, verſchwand nicht allein bey
mir aller Argwohn und Mißtrauen, ſondern auch
die Furcht vor dieſer wilden Beſtie, ja! ich ge-
wann den Loͤwen dergeſtalt lieb, daß ich faſt nir-
gends hingehen konte, wenn ich den Loͤwen nicht
bey mir ſahe, als woraus ſich die Mirzamanda
ein beſonderes Vergnuͤgen machte. Jedoch auf
das vorige zu kommen, ſo war doch zu bewundern,
daß dieſer Loͤwe, als er uns zum erſten mahle mit
der Printzeßin bey der Abend-Mahlzeit beſuchte,
ſich hinter ſeine Gebietherin ſtellete, und derſelben
alſo aufwartete, wie bey uns die abgerichteten
Hunde aufzuwarten pflegen; nach dieſem legte er
ſich vor ihr nieder, ſeinen Kopff in ihren Schooß,
und ließ ſich von ihr ſpeiſen, hierauf gieng er weiter
von einem zum andern, und wer ihm einen rechten
wohlſchmeckenden Biſſen zu verſchlingen gab, dem

leckte
(b b) 4
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[391/0401] Machine waͤre, mit welcher die Geiſter ihr Spiel trieben? Hierauf gab uns Vincentius dieſe Ant- wort: Jch will nimmermehr auf dieſer Welt gluͤcklich werden, wenn dieſes nicht ein wuͤrcklicher und natuͤrlicher Loͤwe iſt, mit dem zwar in Perſien die boͤſen Geiſter allerhand Gauckel-Spiele ge- trieben haben; Jedoch dieſes alles iſt vorbey, und gehet uns allhier nichts an. Genung, wenn ich euch dieſes nochmals hoch und theuer verſichere, daß es ein bloſſer natuͤrlicher Loͤwe, allein, durch die kluge und behutſame Auferziehung ſeiner Prin- tzeßin dahin gebracht iſt, daß er faſt mehr Ver- ſtand, als mancher Menſch im Gehirne hat. Nachdem nun Vincentius mir alles, was er von dem Loͤwen geſagt, noch mit vielen Eyd- Schwuͤren betheuert, verſchwand nicht allein bey mir aller Argwohn und Mißtrauen, ſondern auch die Furcht vor dieſer wilden Beſtie, ja! ich ge- wann den Loͤwen dergeſtalt lieb, daß ich faſt nir- gends hingehen konte, wenn ich den Loͤwen nicht bey mir ſahe, als woraus ſich die Mirzamanda ein beſonderes Vergnuͤgen machte. Jedoch auf das vorige zu kommen, ſo war doch zu bewundern, daß dieſer Loͤwe, als er uns zum erſten mahle mit der Printzeßin bey der Abend-Mahlzeit beſuchte, ſich hinter ſeine Gebietherin ſtellete, und derſelben alſo aufwartete, wie bey uns die abgerichteten Hunde aufzuwarten pflegen; nach dieſem legte er ſich vor ihr nieder, ſeinen Kopff in ihren Schooß, und ließ ſich von ihr ſpeiſen, hierauf gieng er weiter von einem zum andern, und wer ihm einen rechten wohlſchmeckenden Biſſen zu verſchlingen gab, dem leckte (b b) 4

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/401>, abgerufen am 23.05.2024.