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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

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auch nicht gescheuet, mir über die See biß an die-
sen Ort nachzufolgen.

Jch ließ diese Geschichts-Erzehlung anfäng-
lich auf ihrer Wahrheit oder Unwahrheit beru-
hen, doch ohngeachtet die Printzeßin selbige auf
eine gantz angenehme Art vorbrachte, so hatte
ich noch immer einen heimlichen Grauen und
Abscheu, so lange ich den Löwen um uns herum
wandeln sahe, endlich aber, da sie ihn ruffte, kam
er gantz kleinmüthig zu ihren Füssen gekrochen,
küssete ihr alsobald die Hände, welches er denn auf
ihrem Befehl, auch mir und der Frau Anna thun
muste, hernach weltzete er sich etliche mahl auf der
Erde herum, und legte sich darauf zu ihren Füssen,
blieb auch so lange stille liegen, biß wir alle drey
aufstunden, und uns weiter hin nach den Feuern
begaben, allwo sich unsere übrige Gesellschafft zum
Genuß der Abend-Mahlzeit versammlet hatte.
Es war manchem und mir selbst einiger Maassen
lächerlich anzusehen, daß die Printzeßin den Lö-
wen an ihren zusammen geknüpfften Strümpffe-
Bändern mit sich geführet brachte, anbey aber zu
bewundern, daß sich kein eintziger Mensch vor die-
ser grimmigen und grausamen Art der Thiere so
gar besonders scheuete und entsetzte, da doch son-
sten eine blosse Löwen-Haut so wohl Menschen als
Thieren, jedoch einem vor dem andern, einiger
Maassen Furcht und Schrecken einzujagen pflegt.
Bey dieser meiner Verwunderung that ich die
heimliche Frage an den Vincentium: was wohl
von diesem Löwen zu halten sey, und ob es ein
würcklicher natürlicher Löwe, oder nur eine blosse

Machine

auch nicht geſcheuet, mir uͤber die See biß an die-
ſen Ort nachzufolgen.

Jch ließ dieſe Geſchichts-Erzehlung anfaͤng-
lich auf ihrer Wahrheit oder Unwahrheit beru-
hen, doch ohngeachtet die Printzeßin ſelbige auf
eine gantz angenehme Art vorbrachte, ſo hatte
ich noch immer einen heimlichen Grauen und
Abſcheu, ſo lange ich den Loͤwen um uns herum
wandeln ſahe, endlich aber, da ſie ihn ruffte, kam
er gantz kleinmuͤthig zu ihren Fuͤſſen gekrochen,
kuͤſſete ihr alſobald die Haͤnde, welches er denn auf
ihrem Befehl, auch mir und der Frau Anna thun
muſte, hernach weltzete er ſich etliche mahl auf der
Erde herum, und legte ſich darauf zu ihren Fuͤſſen,
blieb auch ſo lange ſtille liegen, biß wir alle drey
aufſtunden, und uns weiter hin nach den Feuern
begaben, allwo ſich unſere uͤbrige Geſellſchafft zum
Genuß der Abend-Mahlzeit verſammlet hatte.
Es war manchem und mir ſelbſt einiger Maaſſen
laͤcherlich anzuſehen, daß die Printzeßin den Loͤ-
wen an ihren zuſammen geknuͤpfften Struͤmpffe-
Baͤndern mit ſich gefuͤhret brachte, anbey aber zu
bewundern, daß ſich kein eintziger Menſch vor die-
ſer grimmigen und grauſamen Art der Thiere ſo
gar beſonders ſcheuete und entſetzte, da doch ſon-
ſten eine bloſſe Loͤwen-Haut ſo wohl Menſchen als
Thieren, jedoch einem vor dem andern, einiger
Maaſſen Furcht und Schrecken einzujagen pflegt.
Bey dieſer meiner Verwunderung that ich die
heimliche Frage an den Vincentium: was wohl
von dieſem Loͤwen zu halten ſey, und ob es ein
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[390/0400] auch nicht geſcheuet, mir uͤber die See biß an die- ſen Ort nachzufolgen. Jch ließ dieſe Geſchichts-Erzehlung anfaͤng- lich auf ihrer Wahrheit oder Unwahrheit beru- hen, doch ohngeachtet die Printzeßin ſelbige auf eine gantz angenehme Art vorbrachte, ſo hatte ich noch immer einen heimlichen Grauen und Abſcheu, ſo lange ich den Loͤwen um uns herum wandeln ſahe, endlich aber, da ſie ihn ruffte, kam er gantz kleinmuͤthig zu ihren Fuͤſſen gekrochen, kuͤſſete ihr alſobald die Haͤnde, welches er denn auf ihrem Befehl, auch mir und der Frau Anna thun muſte, hernach weltzete er ſich etliche mahl auf der Erde herum, und legte ſich darauf zu ihren Fuͤſſen, blieb auch ſo lange ſtille liegen, biß wir alle drey aufſtunden, und uns weiter hin nach den Feuern begaben, allwo ſich unſere uͤbrige Geſellſchafft zum Genuß der Abend-Mahlzeit verſammlet hatte. Es war manchem und mir ſelbſt einiger Maaſſen laͤcherlich anzuſehen, daß die Printzeßin den Loͤ- wen an ihren zuſammen geknuͤpfften Struͤmpffe- Baͤndern mit ſich gefuͤhret brachte, anbey aber zu bewundern, daß ſich kein eintziger Menſch vor die- ſer grimmigen und grauſamen Art der Thiere ſo gar beſonders ſcheuete und entſetzte, da doch ſon- ſten eine bloſſe Loͤwen-Haut ſo wohl Menſchen als Thieren, jedoch einem vor dem andern, einiger Maaſſen Furcht und Schrecken einzujagen pflegt. Bey dieſer meiner Verwunderung that ich die heimliche Frage an den Vincentium: was wohl von dieſem Loͤwen zu halten ſey, und ob es ein wuͤrcklicher natuͤrlicher Loͤwe, oder nur eine bloſſe Machine

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/400>, abgerufen am 22.11.2024.