zu sehr niederträchtig, da sie sich doch sonsten gegen jederman sehr demüthig und gelassen aufführete, als worzu sie ohnfehlbar durch die Betrachtung ihres dermahligen Zustandes angetrieben wurde. Hergegen küssete ich ihr die Hände zu vielen mah- len, und gab in zusammen gestoppelten halb Hol- ländischen, halb Lateinischen Worten derselben so viel zu vernehmen, daß sie getrost und gutes Muths seyn möchte, weilen wir vor ihr Wohlseyn alle möglichste Sorge, und zwar vom heutigen Tage an, aufrichtig tragen wolten, damit sie sich binnen kurtzer Zeit darüber zu erfreuen Ursach ha- ben könte.
Kaum hatte ich diese letztere Rede vollendet, so kam ein schöner grosser Löwe mit sachten Schrit- ten auf uns zu gegangen, weßwegen ich meine bey mir hab ende Flinte zur Hand nahm, als mit wel- cher ich unter währenden Lustwandeln etliche Vö- gel von den Bäumen herunter geschossen, und worüber die Printzeßin ein besonderes Vergnü- gen bezeugt hatte; machte mich also fertig, da- ferne der Löwe näher käme, Feuer auf denselben zu geben; So bald aber Mirzamanda diese mei- ne Anstalten merckte, und sahe, fiel sie mir zum Füssen, und sagte: Ach nein, mein Herr! unter- lasset, dieses schöne Thier zu tödten, denn es ist, ob es gleich ein wehrhaffter Löwe ist, von seiner allerzärtesten Jugend an, so zu sagen, mein Schooß- Hündlein gewesen, er beleidiget auch niemanden anders, als diejenigen, so meine Person beleidigen oder verletzen wollen, denn ich habe diesen Löwen gantz allein auferzogen, und dieserwegen hat er sich
auch
(b b) 3
zu ſehr niedertraͤchtig, da ſie ſich doch ſonſten gegen jederman ſehr demuͤthig und gelaſſen auffuͤhrete, als worzu ſie ohnfehlbar durch die Betrachtung ihres dermahligen Zuſtandes angetrieben wurde. Hergegen kuͤſſete ich ihr die Haͤnde zu vielen mah- len, und gab in zuſammen geſtoppelten halb Hol- laͤndiſchen, halb Lateiniſchen Worten derſelben ſo viel zu vernehmen, daß ſie getroſt und gutes Muths ſeyn moͤchte, weilen wir vor ihr Wohlſeyn alle moͤglichſte Sorge, und zwar vom heutigen Tage an, aufrichtig tragen wolten, damit ſie ſich binnen kurtzer Zeit daruͤber zu erfreuen Urſach ha- ben koͤnte.
Kaum hatte ich dieſe letztere Rede vollendet, ſo kam ein ſchoͤner groſſer Loͤwe mit ſachten Schrit- ten auf uns zu gegangen, weßwegen ich meine bey mir hab ende Flinte zur Hand nahm, als mit wel- cher ich unter waͤhrenden Luſtwandeln etliche Voͤ- gel von den Baͤumen herunter geſchoſſen, und woruͤber die Printzeßin ein beſonderes Vergnuͤ- gen bezeugt hatte; machte mich alſo fertig, da- ferne der Loͤwe naͤher kaͤme, Feuer auf denſelben zu geben; So bald aber Mirzamanda dieſe mei- ne Anſtalten merckte, und ſahe, fiel ſie mir zum Fuͤſſen, und ſagte: Ach nein, mein Herr! unter- laſſet, dieſes ſchoͤne Thier zu toͤdten, denn es iſt, ob es gleich ein wehrhaffter Loͤwe iſt, von ſeiner allerzaͤrteſten Jugend an, ſo zu ſagen, mein Schooß- Huͤndlein geweſen, er beleidiget auch niemanden anders, als diejenigen, ſo meine Perſon beleidigen oder verletzen wollen, denn ich habe dieſen Loͤwen gantz allein auferzogen, und dieſerwegen hat er ſich
auch
(b b) 3
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0399"n="389"/>
zu ſehr niedertraͤchtig, da ſie ſich doch ſonſten gegen<lb/>
jederman ſehr demuͤthig und gelaſſen auffuͤhrete,<lb/>
als worzu ſie ohnfehlbar durch die Betrachtung<lb/>
ihres dermahligen Zuſtandes angetrieben wurde.<lb/>
Hergegen kuͤſſete ich ihr die Haͤnde zu vielen mah-<lb/>
len, und gab in zuſammen geſtoppelten halb Hol-<lb/>
laͤndiſchen, halb Lateiniſchen Worten derſelben<lb/>ſo viel zu vernehmen, daß ſie getroſt und gutes<lb/>
Muths ſeyn moͤchte, weilen wir vor ihr Wohlſeyn<lb/>
alle moͤglichſte Sorge, und zwar vom heutigen<lb/>
Tage an, aufrichtig tragen wolten, damit ſie ſich<lb/>
binnen kurtzer Zeit daruͤber zu erfreuen Urſach ha-<lb/>
ben koͤnte.</p><lb/><p>Kaum hatte ich dieſe letztere Rede vollendet,<lb/>ſo kam ein ſchoͤner groſſer Loͤwe mit ſachten Schrit-<lb/>
ten auf uns zu gegangen, weßwegen ich meine bey<lb/>
mir hab ende Flinte zur Hand nahm, als mit wel-<lb/>
cher ich unter waͤhrenden Luſtwandeln etliche Voͤ-<lb/>
gel von den Baͤumen herunter geſchoſſen, und<lb/>
woruͤber die Printzeßin ein beſonderes Vergnuͤ-<lb/>
gen bezeugt hatte; machte mich alſo fertig, da-<lb/>
ferne der Loͤwe naͤher kaͤme, Feuer auf denſelben<lb/>
zu geben; So bald aber <hirendition="#aq">Mirzamanda</hi> dieſe mei-<lb/>
ne Anſtalten merckte, und ſahe, fiel ſie mir zum<lb/>
Fuͤſſen, und ſagte: Ach nein, mein Herr! unter-<lb/>
laſſet, dieſes ſchoͤne Thier zu toͤdten, denn es iſt,<lb/>
ob es gleich ein wehrhaffter Loͤwe iſt, von ſeiner<lb/>
allerzaͤrteſten Jugend an, ſo zu ſagen, mein Schooß-<lb/>
Huͤndlein geweſen, er beleidiget auch niemanden<lb/>
anders, als diejenigen, ſo meine Perſon beleidigen<lb/>
oder verletzen wollen, denn ich habe dieſen Loͤwen<lb/>
gantz allein auferzogen, und dieſerwegen hat er ſich<lb/><fwplace="bottom"type="sig">(b b) 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">auch</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[389/0399]
zu ſehr niedertraͤchtig, da ſie ſich doch ſonſten gegen
jederman ſehr demuͤthig und gelaſſen auffuͤhrete,
als worzu ſie ohnfehlbar durch die Betrachtung
ihres dermahligen Zuſtandes angetrieben wurde.
Hergegen kuͤſſete ich ihr die Haͤnde zu vielen mah-
len, und gab in zuſammen geſtoppelten halb Hol-
laͤndiſchen, halb Lateiniſchen Worten derſelben
ſo viel zu vernehmen, daß ſie getroſt und gutes
Muths ſeyn moͤchte, weilen wir vor ihr Wohlſeyn
alle moͤglichſte Sorge, und zwar vom heutigen
Tage an, aufrichtig tragen wolten, damit ſie ſich
binnen kurtzer Zeit daruͤber zu erfreuen Urſach ha-
ben koͤnte.
Kaum hatte ich dieſe letztere Rede vollendet,
ſo kam ein ſchoͤner groſſer Loͤwe mit ſachten Schrit-
ten auf uns zu gegangen, weßwegen ich meine bey
mir hab ende Flinte zur Hand nahm, als mit wel-
cher ich unter waͤhrenden Luſtwandeln etliche Voͤ-
gel von den Baͤumen herunter geſchoſſen, und
woruͤber die Printzeßin ein beſonderes Vergnuͤ-
gen bezeugt hatte; machte mich alſo fertig, da-
ferne der Loͤwe naͤher kaͤme, Feuer auf denſelben
zu geben; So bald aber Mirzamanda dieſe mei-
ne Anſtalten merckte, und ſahe, fiel ſie mir zum
Fuͤſſen, und ſagte: Ach nein, mein Herr! unter-
laſſet, dieſes ſchoͤne Thier zu toͤdten, denn es iſt,
ob es gleich ein wehrhaffter Loͤwe iſt, von ſeiner
allerzaͤrteſten Jugend an, ſo zu ſagen, mein Schooß-
Huͤndlein geweſen, er beleidiget auch niemanden
anders, als diejenigen, ſo meine Perſon beleidigen
oder verletzen wollen, denn ich habe dieſen Loͤwen
gantz allein auferzogen, und dieſerwegen hat er ſich
auch
(b b) 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/399>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.