mens Gedächtniß nimmermehr ersterben wird. Weilen ich nun im Reiche der Tod- ten dein Schicksaal und einen guten Theil deiner Begebenheiten so wohl, als den Ort deines Begräbnisses erfahren, so habe, weil wir beyde fast einerley Verhängniß auf Er- den gehabt, der meiner Nation angebohr- nen Höflichkeit nach, mir eine Schuldigkeit daraus gemacht, aus meiner Grufft herüber zu dir zu kommen, und mich einer und an- derer Sachen wegen mit dir zu unterreden.
Wem solte wohl die Haut nicht schaudern, wenn er dergleichen Worte hörte, die wir alle ins- gesammt gantz deutlich hören und vernehmen konten, zumahlen, da dieselben von einem verfluchten und verdammten Geiste ausgesprochen wurden? Jedoch, da wir vermeynten, sie würden uns näher kommen, sahen wir, daß sie sich anders bedachten, und vor unserer Laub-Hütte gantz sachte vorbey spazierten, da wir denn vernahmen, daß der erste, nemlich des Don Juans Geist, im währenden Gehen also re- dete:
Jch habe schon in meinem Leben viel von deinen seltsamen Begebenheiten erfahren, und bedaure nur, daß wir beyde nicht zu einer Zeit gelebet haben, und einander kennen sollen. Jm übrigen habe ich nicht geringe Ur- sache, dir eine und andere wichtige Geheim- nisse zu eröffnen, und deiner Verschwiegen- heit anzuvertrauen; nicht aber auf dieser elenden Jnsul allein, sondern ich will über 3. Tage in der Mitternachts-Stunde bey dei-
ner
mens Gedaͤchtniß nimmermehr erſterben wird. Weilen ich nun im Reiche der Tod- ten dein Schickſaal und einen guten Theil deiner Begebenheiten ſo wohl, als den Ort deines Begraͤbniſſes erfahren, ſo habe, weil wir beyde faſt einerley Verhaͤngniß auf Er- den gehabt, der meiner Nation angebohr- nen Hoͤflichkeit nach, mir eine Schuldigkeit daraus gemacht, aus meiner Grufft heruͤber zu dir zu kommen, und mich einer und an- derer Sachen wegen mit dir zu unterreden.
Wem ſolte wohl die Haut nicht ſchaudern, wenn er dergleichen Worte hoͤrte, die wir alle ins- geſam̃t gantz deutlich hoͤren und vernehmen konten, zumahlen, da dieſelben von einem verfluchten und verdam̃ten Geiſte ausgeſprochen wurden? Jedoch, da wir vermeynten, ſie wuͤrden uns naͤher kom̃en, ſahen wir, daß ſie ſich anders bedachten, und vor unſerer Laub-Huͤtte gantz ſachte vorbey ſpazierten, da wir denn vernahmen, daß der erſte, nemlich des Don Juans Geiſt, im waͤhrenden Gehen alſo re- dete:
Jch habe ſchon in meinem Leben viel von deinen ſeltſamen Begebenheiten erfahren, und bedaure nur, daß wir beyde nicht zu einer Zeit gelebet haben, und einander kennen ſollen. Jm uͤbrigen habe ich nicht geringe Ur- ſache, dir eine und andere wichtige Geheim- niſſe zu eroͤffnen, und deiner Verſchwiegen- heit anzuvertrauen; nicht aber auf dieſer elenden Jnſul allein, ſondern ich will uͤber 3. Tage in der Mitternachts-Stunde bey dei-
ner
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0344"n="334"/><hirendition="#fr">mens Gedaͤchtniß nimmermehr erſterben<lb/>
wird. Weilen ich nun im Reiche der Tod-<lb/>
ten dein Schickſaal und einen guten Theil<lb/>
deiner Begebenheiten ſo wohl, als den Ort<lb/>
deines Begraͤbniſſes erfahren, ſo habe, weil<lb/>
wir beyde faſt einerley Verhaͤngniß auf Er-<lb/>
den gehabt, der meiner Nation angebohr-<lb/>
nen Hoͤflichkeit nach, mir eine Schuldigkeit<lb/>
daraus gemacht, aus meiner Grufft heruͤber<lb/>
zu dir zu kommen, und mich einer und an-<lb/>
derer Sachen wegen mit dir zu unterreden.</hi></p><lb/><p>Wem ſolte wohl die Haut nicht ſchaudern,<lb/>
wenn er dergleichen Worte hoͤrte, die wir alle ins-<lb/>
geſam̃t gantz deutlich hoͤren und vernehmen konten,<lb/>
zumahlen, da dieſelben von einem verfluchten und<lb/>
verdam̃ten Geiſte ausgeſprochen wurden? Jedoch,<lb/>
da wir vermeynten, ſie wuͤrden uns naͤher kom̃en,<lb/>ſahen wir, daß ſie ſich anders bedachten, und vor<lb/>
unſerer Laub-Huͤtte gantz ſachte vorbey ſpazierten,<lb/>
da wir denn vernahmen, daß der erſte, nemlich des<lb/><hirendition="#aq">Don Juans</hi> Geiſt, im waͤhrenden Gehen alſo re-<lb/>
dete:</p><lb/><p><hirendition="#fr">Jch habe ſchon in meinem Leben viel von<lb/>
deinen ſeltſamen Begebenheiten erfahren,<lb/>
und bedaure nur, daß wir beyde nicht zu<lb/>
einer Zeit gelebet haben, und einander kennen<lb/>ſollen. Jm uͤbrigen habe ich nicht geringe Ur-<lb/>ſache, dir eine und andere wichtige Geheim-<lb/>
niſſe zu eroͤffnen, und deiner Verſchwiegen-<lb/>
heit anzuvertrauen; nicht aber auf dieſer<lb/>
elenden Jnſul allein, ſondern ich will uͤber<lb/>
3. Tage in der Mitternachts-Stunde bey dei-</hi><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">ner</hi></fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[334/0344]
mens Gedaͤchtniß nimmermehr erſterben
wird. Weilen ich nun im Reiche der Tod-
ten dein Schickſaal und einen guten Theil
deiner Begebenheiten ſo wohl, als den Ort
deines Begraͤbniſſes erfahren, ſo habe, weil
wir beyde faſt einerley Verhaͤngniß auf Er-
den gehabt, der meiner Nation angebohr-
nen Hoͤflichkeit nach, mir eine Schuldigkeit
daraus gemacht, aus meiner Grufft heruͤber
zu dir zu kommen, und mich einer und an-
derer Sachen wegen mit dir zu unterreden.
Wem ſolte wohl die Haut nicht ſchaudern,
wenn er dergleichen Worte hoͤrte, die wir alle ins-
geſam̃t gantz deutlich hoͤren und vernehmen konten,
zumahlen, da dieſelben von einem verfluchten und
verdam̃ten Geiſte ausgeſprochen wurden? Jedoch,
da wir vermeynten, ſie wuͤrden uns naͤher kom̃en,
ſahen wir, daß ſie ſich anders bedachten, und vor
unſerer Laub-Huͤtte gantz ſachte vorbey ſpazierten,
da wir denn vernahmen, daß der erſte, nemlich des
Don Juans Geiſt, im waͤhrenden Gehen alſo re-
dete:
Jch habe ſchon in meinem Leben viel von
deinen ſeltſamen Begebenheiten erfahren,
und bedaure nur, daß wir beyde nicht zu
einer Zeit gelebet haben, und einander kennen
ſollen. Jm uͤbrigen habe ich nicht geringe Ur-
ſache, dir eine und andere wichtige Geheim-
niſſe zu eroͤffnen, und deiner Verſchwiegen-
heit anzuvertrauen; nicht aber auf dieſer
elenden Jnſul allein, ſondern ich will uͤber
3. Tage in der Mitternachts-Stunde bey dei-
ner
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/344>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.