meine liebe Tochter, heimzusuchen, weilen wir alle wohl wissen, daß ihr Zeit unserer Abwesenheit euch tausend Kummer und Sorgen werdet gemacht haben.
GOtt sey ewig gelobt! (sprach ich zu meiner Mutter) daß er ihre Person bey diesem gefährli- chen Handel so väterlich behütet hat, dieser ist mein lebendiger Zeuge, daß meine Augen Zeit ihrer Ab- wesenheit gar nicht sind trocken worden; und die- ser wolle fernerweit unser Beystand seyn, denn wir haben meines Erachtens noch viel schwere Ber- ge zu übersteigen vor uns.
Jndem nun meine Mutter und ich, so wohl bey Tage als bey Nachts-Zeit, mit sorgsamen Gedan- cken beschäfftiget waren, weiln wir keinen Schluß fassen konten, an wen wir uns wegen unserer For- derungen addressiren wolten, führete endlich der Himmel unverhofft eine Person in unser Logis, welche wir beyde recht als einen Engel bewillkom- meten.
Es war diese Person Mons. Barley, ein jun- ger Lord, der schon in meinem 13ten Jahre, da mein Vater noch Schloß-Hauptmann gewesen, bey meinen beyden Eltern angehalten, mich als diese ihre Tochter an keinen andern Menschen zu verheyrathen, als an ihn. Wie nun meine Eltern ihm zur Antwort ertheilet, daß es noch viel zu frühzeitig mit ihrer Tochter sey, dieselbe zu verhey- rathen, er aber wohl schwerlich, von wegen seiner eigenen Jahre, Standes und grossen Vermögens, nicht leicht vor rathsam befinden würde, auf die- selbe zu warten, weilen er mittler Zeit, als diese
vollkom-
meine liebe Tochter, heimzuſuchen, weilen wir alle wohl wiſſen, daß ihr Zeit unſerer Abweſenheit euch tauſend Kummer und Sorgen werdet gemacht haben.
GOtt ſey ewig gelobt! (ſprach ich zu meiner Mutter) daß er ihre Perſon bey dieſem gefaͤhrli- chen Handel ſo vaͤterlich behuͤtet hat, dieſer iſt mein lebendiger Zeuge, daß meine Augen Zeit ihrer Ab- weſenheit gar nicht ſind trocken worden; und die- ſer wolle fernerweit unſer Beyſtand ſeyn, denn wir haben meines Erachtens noch viel ſchwere Ber- ge zu uͤberſteigen vor uns.
Jndem nun meine Mutter und ich, ſo wohl bey Tage als bey Nachts-Zeit, mit ſorgſamen Gedan- cken beſchaͤfftiget waren, weiln wir keinen Schluß faſſen konten, an wen wir uns wegen unſerer For- derungen addreſſiren wolten, fuͤhrete endlich der Himmel unverhofft eine Perſon in unſer Logis, welche wir beyde recht als einen Engel bewillkom- meten.
Es war dieſe Perſon Monſ. Barley, ein jun- ger Lord, der ſchon in meinem 13ten Jahre, da mein Vater noch Schloß-Hauptmann geweſen, bey meinen beyden Eltern angehalten, mich als dieſe ihre Tochter an keinen andern Menſchen zu verheyrathen, als an ihn. Wie nun meine Eltern ihm zur Antwort ertheilet, daß es noch viel zu fruͤhzeitig mit ihrer Tochter ſey, dieſelbe zu verhey- rathen, er aber wohl ſchwerlich, von wegen ſeiner eigenen Jahre, Standes und groſſen Vermoͤgens, nicht leicht vor rathſam befinden wuͤrde, auf die- ſelbe zu warten, weilen er mittler Zeit, als dieſe
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meine liebe Tochter, heimzuſuchen, weilen wir alle
wohl wiſſen, daß ihr Zeit unſerer Abweſenheit euch
tauſend Kummer und Sorgen werdet gemacht
haben.
GOtt ſey ewig gelobt! (ſprach ich zu meiner
Mutter) daß er ihre Perſon bey dieſem gefaͤhrli-
chen Handel ſo vaͤterlich behuͤtet hat, dieſer iſt mein
lebendiger Zeuge, daß meine Augen Zeit ihrer Ab-
weſenheit gar nicht ſind trocken worden; und die-
ſer wolle fernerweit unſer Beyſtand ſeyn, denn
wir haben meines Erachtens noch viel ſchwere Ber-
ge zu uͤberſteigen vor uns.
Jndem nun meine Mutter und ich, ſo wohl bey
Tage als bey Nachts-Zeit, mit ſorgſamen Gedan-
cken beſchaͤfftiget waren, weiln wir keinen Schluß
faſſen konten, an wen wir uns wegen unſerer For-
derungen addreſſiren wolten, fuͤhrete endlich der
Himmel unverhofft eine Perſon in unſer Logis,
welche wir beyde recht als einen Engel bewillkom-
meten.
Es war dieſe Perſon Monſ. Barley, ein jun-
ger Lord, der ſchon in meinem 13ten Jahre, da
mein Vater noch Schloß-Hauptmann geweſen,
bey meinen beyden Eltern angehalten, mich als
dieſe ihre Tochter an keinen andern Menſchen zu
verheyrathen, als an ihn. Wie nun meine Eltern
ihm zur Antwort ertheilet, daß es noch viel zu
fruͤhzeitig mit ihrer Tochter ſey, dieſelbe zu verhey-
rathen, er aber wohl ſchwerlich, von wegen ſeiner
eigenen Jahre, Standes und groſſen Vermoͤgens,
nicht leicht vor rathſam befinden wuͤrde, auf die-
ſelbe zu warten, weilen er mittler Zeit, als dieſe
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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/234>, abgerufen am 25.11.2024.
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