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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

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Wasser aus unserer Felsenburgischen grossen See
hinunter in das wilde Meer, ehe wir das Ver-
gnügen hatten, unsern lieben Capitain Horn
mit seinen beyden Schiffen wieder zu sehen. Es
trugen sich auch binnen der Zeit viele seltsame
Begebenheiten und Wunder-Dinge zu, welche
ich weiter unten nach Möglichkeit in bester Ord-
nung erzählen werde.

Voritzo aber will vorerst nur so viel melden,
daß, als ich eines Abends, ohngefähr um 10. Uhr
auf meinem Ober-Stübgen an einem Fenster
gegen Norden zu stund, allwo ich den besondern
Stand des Gestirns zu damaliger Jahrs-Zeit
beobachten wolte, gewahr wurde, daß gerade in
der Nord-Gegend eine schwartze dicke Wolcke aus
der See, biß an den Himmel, erstlich in Ge-
stallt einer Pyramyde herauf stieg, binnen weni-
ger Zeit aber sich dergestallt ausbreitete, daß alle
Sterne biß an den Polar-Stern, mithin die
gantze Helffte des Horizonts, bedeckt und gantz
und gar verdunckelt wurde. Dieses währte biß
dreyviertel auf 12. Uhr, so, daß wie ich schon ge-
sagt, die jenseitige Himmels-Gegend so schwartz als
eine Kohle anzusehen war, die andere Helffte nach
Süden zu zeigte sich hergegen klar und helle, mit-
hin hatten wir gegen Norden zu den allerfürch-
terlichsten, gegen Süden aber, den allercharman-
testen Anblick, indem wir mit gröstem Vergnü-
gen die hellgläntzenden Sterne am blauen Him-
mel über unseren Häuptern stehen sahen. Wun-
derbar ließ es, daß der Polar-Stern gleichsam
als ein Gräntz-Stein, oder Scheide-Wand,

zwi-

Waſſer aus unſerer Felſenburgiſchen groſſen See
hinunter in das wilde Meer, ehe wir das Ver-
gnuͤgen hatten, unſern lieben Capitain Horn
mit ſeinen beyden Schiffen wieder zu ſehen. Es
trugen ſich auch binnen der Zeit viele ſeltſame
Begebenheiten und Wunder-Dinge zu, welche
ich weiter unten nach Moͤglichkeit in beſter Ord-
nung erzaͤhlen werde.

Voritzo aber will vorerſt nur ſo viel melden,
daß, als ich eines Abends, ohngefaͤhr um 10. Uhr
auf meinem Ober-Stuͤbgen an einem Fenſter
gegen Norden zu ſtund, allwo ich den beſondern
Stand des Geſtirns zu damaliger Jahrs-Zeit
beobachten wolte, gewahr wurde, daß gerade in
der Nord-Gegend eine ſchwartze dicke Wolcke aus
der See, biß an den Himmel, erſtlich in Ge-
ſtallt einer Pyramyde herauf ſtieg, binnen weni-
ger Zeit aber ſich dergeſtallt ausbreitete, daß alle
Sterne biß an den Polar-Stern, mithin die
gantze Helffte des Horizonts, bedeckt und gantz
und gar verdunckelt wurde. Dieſes waͤhrte biß
dreyviertel auf 12. Uhr, ſo, daß wie ich ſchon ge-
ſagt, die jenſeitige Him̃els-Gegend ſo ſchwartz als
eine Kohle anzuſehen war, die andere Helffte nach
Suͤden zu zeigte ſich hergegen klar und helle, mit-
hin hatten wir gegen Norden zu den allerfuͤrch-
terlichſten, gegen Suͤden aber, den allercharman-
teſten Anblick, indem wir mit groͤſtem Vergnuͤ-
gen die hellglaͤntzenden Sterne am blauen Him-
mel uͤber unſeren Haͤuptern ſtehen ſahen. Wun-
derbar ließ es, daß der Polar-Stern gleichſam
als ein Graͤntz-Stein, oder Scheide-Wand,

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[6/0016] Waſſer aus unſerer Felſenburgiſchen groſſen See hinunter in das wilde Meer, ehe wir das Ver- gnuͤgen hatten, unſern lieben Capitain Horn mit ſeinen beyden Schiffen wieder zu ſehen. Es trugen ſich auch binnen der Zeit viele ſeltſame Begebenheiten und Wunder-Dinge zu, welche ich weiter unten nach Moͤglichkeit in beſter Ord- nung erzaͤhlen werde. Voritzo aber will vorerſt nur ſo viel melden, daß, als ich eines Abends, ohngefaͤhr um 10. Uhr auf meinem Ober-Stuͤbgen an einem Fenſter gegen Norden zu ſtund, allwo ich den beſondern Stand des Geſtirns zu damaliger Jahrs-Zeit beobachten wolte, gewahr wurde, daß gerade in der Nord-Gegend eine ſchwartze dicke Wolcke aus der See, biß an den Himmel, erſtlich in Ge- ſtallt einer Pyramyde herauf ſtieg, binnen weni- ger Zeit aber ſich dergeſtallt ausbreitete, daß alle Sterne biß an den Polar-Stern, mithin die gantze Helffte des Horizonts, bedeckt und gantz und gar verdunckelt wurde. Dieſes waͤhrte biß dreyviertel auf 12. Uhr, ſo, daß wie ich ſchon ge- ſagt, die jenſeitige Him̃els-Gegend ſo ſchwartz als eine Kohle anzuſehen war, die andere Helffte nach Suͤden zu zeigte ſich hergegen klar und helle, mit- hin hatten wir gegen Norden zu den allerfuͤrch- terlichſten, gegen Suͤden aber, den allercharman- teſten Anblick, indem wir mit groͤſtem Vergnuͤ- gen die hellglaͤntzenden Sterne am blauen Him- mel uͤber unſeren Haͤuptern ſtehen ſahen. Wun- derbar ließ es, daß der Polar-Stern gleichſam als ein Graͤntz-Stein, oder Scheide-Wand, zwi-

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/16>, abgerufen am 21.11.2024.