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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

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er war vor etwa einem Jahre so unglücklich, von
einem Deutschen Cavalier im Duell erstochen zu
werden. Jch erfuhr bald, daß meine Frau seines
Todes wegen fast nicht zu trösten stunde, ließ dero-
wegen erstlich etliche Tage vorbey streichen, und
legte hernach meine auffrichtige Condolentz bey ihr
ab, welche sie mit weinenden Augen annahm, und
mir dagegenalles erwünschte Vergnügenerwünschte.
Am allerbesten hat mir von ihr gefallen, daß sie die-
sen ihren Amanten allein getreu und beständig ge-
liebt, und ausser ihm keine eintzige Manns-Person
besonders aestimirt, wie ich denn deßhalber genaue
Kundschafft eingezogen, es auch zum Theil selbst
aus allen Umständen vermerckt. Nächst diesen hat
mir auch gefallen, daß Sie diejenige Dame, von
welcher Sie weiß, daß ich dieselbe über alles in der
Welt liebe, vor allen andern Dames distinguiret,
und, dem Ansehen nach, mehr als ihre eigene Schwe-
ster liebt. Wenn ich von dieser abstehen könte, so
hätte sich vielleicht meine Frau gewinnen lassen,
nach dem Tode des Vicomte, mich allein getreu
zu lieben, allein, solches ist mir noch biß auf diese
Stunde ohnmöglich. Jn der tieffen Trauer, wel-
che meine Frau in Geheim, des Vicomte wegen,
über ein halbes Jahr lang geführet, habe ich sie nie
gestöhret, und sahe gern, daß sie hernach wieder an-
fing, ein und andere Gesellschafft zu suchen. End-
lich vor etlichen Wochen habt ihr, mein Herr! den
Schlüssel zu ihrem Hertzen gefunden, und euch in
den Platz des Vicomte gesetzt, denn ich habe so
gleich von Anfange eurer Liebe an, sichere Nachricht
davon gehabt, und weiß wohl, daß die heutige ge-

heime

er war vor etwa einem Jahre ſo ungluͤcklich, von
einem Deutſchen Cavalier im Duell erſtochen zu
werden. Jch erfuhr bald, daß meine Frau ſeines
Todes wegen faſt nicht zu troͤſten ſtunde, ließ dero-
wegen erſtlich etliche Tage vorbey ſtreichen, und
legte hernach meine auffrichtige Condolentz bey ihr
ab, welche ſie mit weinenden Augen annahm, und
mir dagegenalles erwuͤnſchte Vergnuͤgenerwuͤnſchte.
Am allerbeſten hat mir von ihr gefallen, daß ſie die-
ſen ihren Amanten allein getreu und beſtaͤndig ge-
liebt, und auſſer ihm keine eintzige Manns-Perſon
beſonders æſtimirt, wie ich denn deßhalber genaue
Kundſchafft eingezogen, es auch zum Theil ſelbſt
aus allen Umſtaͤnden vermerckt. Naͤchſt dieſen hat
mir auch gefallen, daß Sie diejenige Dame, von
welcher Sie weiß, daß ich dieſelbe uͤber alles in der
Welt liebe, vor allen andern Dames diſtinguiret,
und, dem Anſehen nach, mehr als ihre eigene Schwe-
ſter liebt. Wenn ich von dieſer abſtehen koͤnte, ſo
haͤtte ſich vielleicht meine Frau gewinnen laſſen,
nach dem Tode des Vicomte, mich allein getreu
zu lieben, allein, ſolches iſt mir noch biß auf dieſe
Stunde ohnmoͤglich. Jn der tieffen Trauer, wel-
che meine Frau in Geheim, des Vicomte wegen,
uͤber ein halbes Jahr lang gefuͤhret, habe ich ſie nie
geſtoͤhret, und ſahe gern, daß ſie hernach wieder an-
fing, ein und andere Geſellſchafft zu ſuchen. End-
lich vor etlichen Wochen habt ihr, mein Herr! den
Schluͤſſel zu ihrem Hertzen gefunden, und euch in
den Platz des Vicomte geſetzt, denn ich habe ſo
gleich von Anfange eurer Liebe an, ſichere Nachricht
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heime
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[399/0407] er war vor etwa einem Jahre ſo ungluͤcklich, von einem Deutſchen Cavalier im Duell erſtochen zu werden. Jch erfuhr bald, daß meine Frau ſeines Todes wegen faſt nicht zu troͤſten ſtunde, ließ dero- wegen erſtlich etliche Tage vorbey ſtreichen, und legte hernach meine auffrichtige Condolentz bey ihr ab, welche ſie mit weinenden Augen annahm, und mir dagegenalles erwuͤnſchte Vergnuͤgenerwuͤnſchte. Am allerbeſten hat mir von ihr gefallen, daß ſie die- ſen ihren Amanten allein getreu und beſtaͤndig ge- liebt, und auſſer ihm keine eintzige Manns-Perſon beſonders æſtimirt, wie ich denn deßhalber genaue Kundſchafft eingezogen, es auch zum Theil ſelbſt aus allen Umſtaͤnden vermerckt. Naͤchſt dieſen hat mir auch gefallen, daß Sie diejenige Dame, von welcher Sie weiß, daß ich dieſelbe uͤber alles in der Welt liebe, vor allen andern Dames diſtinguiret, und, dem Anſehen nach, mehr als ihre eigene Schwe- ſter liebt. Wenn ich von dieſer abſtehen koͤnte, ſo haͤtte ſich vielleicht meine Frau gewinnen laſſen, nach dem Tode des Vicomte, mich allein getreu zu lieben, allein, ſolches iſt mir noch biß auf dieſe Stunde ohnmoͤglich. Jn der tieffen Trauer, wel- che meine Frau in Geheim, des Vicomte wegen, uͤber ein halbes Jahr lang gefuͤhret, habe ich ſie nie geſtoͤhret, und ſahe gern, daß ſie hernach wieder an- fing, ein und andere Geſellſchafft zu ſuchen. End- lich vor etlichen Wochen habt ihr, mein Herr! den Schluͤſſel zu ihrem Hertzen gefunden, und euch in den Platz des Vicomte geſetzt, denn ich habe ſo gleich von Anfange eurer Liebe an, ſichere Nachricht davon gehabt, und weiß wohl, daß die heutige ge- heime

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/407>, abgerufen am 17.05.2024.