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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

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seinen Divertissements aber kan ich eben so viel
nicht melden, weil ich selten darbey gewesen, denn
er, mein Herr, welcher alle Mittags ausging oder
ausfuhr, war so gütig, mich bey einem Sprach-
Meister zu verdingen, welcher mich recht perfect
Französich reden und schreiben lehren solte, ich hat-
te auch in der That hierzu mehr Lust, als alle Aben-
de dem Lermen, Schwermen, Tantzen, Spielen und
dergleichen zuzusehen, gab auch meinem Sprach-
Meister noch etwas Geld aus meinem Beutel, daß
er die Lateinische Sprache und die Rechen-Kunst
mit mir repetiren muste. Solchergestalt verstrich
mir viel Gelegenheit, in böse Gesellschafft zu gera-
then, hergegen konte ich hoffen, daß mir mein fleis-
siges Lernen dermahleins guten Nutzen schaffen
könte; denn ich war dazumahl noch nicht einmahl
18. Jahr alt. Als wir nun etwa 3. Monath in Pa-
ris gewesen, kam mein Herr eines Abends, wi-
der unser Vermuthen, zeitiger als sonst gewöhnlich
nach Hause, da mir aber seit einigen Tagen nicht
gar zu wohl gewesen, hies er mich zu Bette gehen,
und der Cammer-Diener muste alleine bey ihm
bleiben, weil er noch nicht Lust hatte, schlaffen zu ge-
hen. Nach verschiedenen Gesprächen, die er mit
dem Cammer-Diener geführet, und die ich, well
nur eine Bret-Wand zwischen unserer und seiner
Schlaf-Cammer war, deutlich hören konte, fing
mein Herr nach einem langen Stillschweigen fol-
gender massen zu dem Cammer-Diener zu reden an:
Heute hat mein Leben an einer Haare gehangen,
und ihr hättet mich fast nicht wieder zu sehen be-
kommen. Ey! da sey der Himmel darvor, (sag-

te
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ſeinen Divertiſſements aber kan ich eben ſo viel
nicht melden, weil ich ſelten darbey geweſen, denn
er, mein Herr, welcher alle Mittags ausging oder
ausfuhr, war ſo guͤtig, mich bey einem Sprach-
Meiſter zu verdingen, welcher mich recht perfect
Franzoͤſich reden und ſchreiben lehren ſolte, ich hat-
te auch in der That hierzu mehr Luſt, als alle Aben-
de dem Lermen, Schwermen, Tantzen, Spielen und
dergleichen zuzuſehen, gab auch meinem Sprach-
Meiſter noch etwas Geld aus meinem Beutel, daß
er die Lateiniſche Sprache und die Rechen-Kunſt
mit mir repetiren muſte. Solchergeſtalt verſtrich
mir viel Gelegenheit, in boͤſe Geſellſchafft zu gera-
then, hergegen konte ich hoffen, daß mir mein fleiſ-
ſiges Lernen dermahleins guten Nutzen ſchaffen
koͤnte; denn ich war dazumahl noch nicht einmahl
18. Jahr alt. Als wir nun etwa 3. Monath in Pa-
ris geweſen, kam mein Herr eines Abends, wi-
der unſer Vermuthen, zeitiger als ſonſt gewoͤhnlich
nach Hauſe, da mir aber ſeit einigen Tagen nicht
gar zu wohl geweſen, hies er mich zu Bette gehen,
und der Cammer-Diener muſte alleine bey ihm
bleiben, weil er noch nicht Luſt hatte, ſchlaffen zu ge-
hen. Nach verſchiedenen Geſpraͤchen, die er mit
dem Cammer-Diener gefuͤhret, und die ich, well
nur eine Bret-Wand zwiſchen unſerer und ſeiner
Schlaf-Cammer war, deutlich hoͤren konte, fing
mein Herr nach einem langen Stillſchweigen fol-
gender maſſen zu dem Cammer-Diener zu reden an:
Heute hat mein Leben an einer Haare gehangen,
und ihr haͤttet mich faſt nicht wieder zu ſehen be-
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[391/0399] ſeinen Divertiſſements aber kan ich eben ſo viel nicht melden, weil ich ſelten darbey geweſen, denn er, mein Herr, welcher alle Mittags ausging oder ausfuhr, war ſo guͤtig, mich bey einem Sprach- Meiſter zu verdingen, welcher mich recht perfect Franzoͤſich reden und ſchreiben lehren ſolte, ich hat- te auch in der That hierzu mehr Luſt, als alle Aben- de dem Lermen, Schwermen, Tantzen, Spielen und dergleichen zuzuſehen, gab auch meinem Sprach- Meiſter noch etwas Geld aus meinem Beutel, daß er die Lateiniſche Sprache und die Rechen-Kunſt mit mir repetiren muſte. Solchergeſtalt verſtrich mir viel Gelegenheit, in boͤſe Geſellſchafft zu gera- then, hergegen konte ich hoffen, daß mir mein fleiſ- ſiges Lernen dermahleins guten Nutzen ſchaffen koͤnte; denn ich war dazumahl noch nicht einmahl 18. Jahr alt. Als wir nun etwa 3. Monath in Pa- ris geweſen, kam mein Herr eines Abends, wi- der unſer Vermuthen, zeitiger als ſonſt gewoͤhnlich nach Hauſe, da mir aber ſeit einigen Tagen nicht gar zu wohl geweſen, hies er mich zu Bette gehen, und der Cammer-Diener muſte alleine bey ihm bleiben, weil er noch nicht Luſt hatte, ſchlaffen zu ge- hen. Nach verſchiedenen Geſpraͤchen, die er mit dem Cammer-Diener gefuͤhret, und die ich, well nur eine Bret-Wand zwiſchen unſerer und ſeiner Schlaf-Cammer war, deutlich hoͤren konte, fing mein Herr nach einem langen Stillſchweigen fol- gender maſſen zu dem Cammer-Diener zu reden an: Heute hat mein Leben an einer Haare gehangen, und ihr haͤttet mich faſt nicht wieder zu ſehen be- kommen. Ey! da ſey der Himmel darvor, (ſag- te (B b 4)

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/399>, abgerufen am 23.11.2024.