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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

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Jch befahrte mich keines Bösen, hatte meine be-
sondere Cammer, worinnen ich schlief, fuhr aber in
der zten Nacht jählings aus dem Bette, da mir
jemand meine Bein-Kleider unter dem Kopffe hin-
weg zohe. Jch vorfolgte den Dieb, war aber
kaum in die andere Cammer gekommen, als so gleich
ihrer 3. auf mich zuhieben und stachen, so, daß ich
der Gewalt weichen, zu Boden fallen und um mein
Leben bitten muste. Es sey dir Gnaden,
sagte der Eine, geschneckt, drehete mir aber in
der Geschindigkeit einen Knebel in den Mund,
die andern banden mir Hände und Füsse, und lies-
sen mich Elenden also auf dem blossen Boden lie-
gen, biß ich früh Morgens von des Wirths Ge-
sinde, fast im Blute schwimmend, angetroffen wur-
de. Selbiges machte ein Geschrey, so, daß der
Wirth auch herzu gelauffen kam, welcher mich rei-
nigen und durch einen Wund-Artzt verbinden ließ.
Jch hatte 2. Hiebe ins Gesichte, einen über den
Kopff, 3. über die Arme, einen Stich auf den Brust-
Knochen, und einen in die lincke Schulter bekom-
men, und meynete nicht anders, ich würde an diefen
8. Blessuren meinen Geist aufgeben müssen, allein,
der Chirurgus sparete keinen Fleiß, ein Meister-
Stück seiner Kunst an mir zu beweisen, curirte
mich auch binnen wenig Wochen recht völlig, und
war nachhero so genereux, nicht einen Deut vor
seine Mühe und angewandte Kosten zu verlangen,
weßwegen ich ihn mit Recht einen barmhertzigen Sa-
mariter nennen kan; der Himmel aber vergelte es
ihm tausendfach, weil ich nicht im Stande gewesen,
ihm meine Danckbarkeit anders, als mit Worten,

die

Jch befahrte mich keines Boͤſen, hatte meine be-
ſondere Cammer, worinnen ich ſchlief, fuhr aber in
der zten Nacht jaͤhlings aus dem Bette, da mir
jemand meine Bein-Kleider unter dem Kopffe hin-
weg zohe. Jch vorfolgte den Dieb, war aber
kaum in die andere Cammer gekommen, als ſo gleich
ihrer 3. auf mich zuhieben und ſtachen, ſo, daß ich
der Gewalt weichen, zu Boden fallen und um mein
Leben bitten muſte. Es ſey dir Gnaden,
ſagte der Eine, geſchneckt, drehete mir aber in
der Geſchindigkeit einen Knebel in den Mund,
die andern banden mir Haͤnde und Fuͤſſe, und lieſ-
ſen mich Elenden alſo auf dem bloſſen Boden lie-
gen, biß ich fruͤh Morgens von des Wirths Ge-
ſinde, faſt im Blute ſchwimmend, angetroffen wur-
de. Selbiges machte ein Geſchrey, ſo, daß der
Wirth auch herzu gelauffen kam, welcher mich rei-
nigen und durch einen Wund-Artzt verbinden ließ.
Jch hatte 2. Hiebe ins Geſichte, einen uͤber den
Kopff, 3. uͤber die Arme, einen Stich auf den Bruſt-
Knochen, und einen in die lincke Schulter bekom-
men, und meynete nicht anders, ich wuͤrde an diefen
8. Bleſſuren meinen Geiſt aufgeben muͤſſen, allein,
der Chirurgus ſparete keinen Fleiß, ein Meiſter-
Stuͤck ſeiner Kunſt an mir zu beweiſen, curirte
mich auch binnen wenig Wochen recht voͤllig, und
war nachhero ſo genereux, nicht einen Deut vor
ſeine Muͤhe und angewandte Koſten zu verlangen,
weßwegẽ ich ihn mit Recht einen barmhertzigen Sa-
mariter nennen kan; der Himmel aber vergelte es
ihm tauſendfach, weil ich nicht im Stande geweſen,
ihm meine Danckbarkeit anders, als mit Worten,

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[226/0234] Jch befahrte mich keines Boͤſen, hatte meine be- ſondere Cammer, worinnen ich ſchlief, fuhr aber in der zten Nacht jaͤhlings aus dem Bette, da mir jemand meine Bein-Kleider unter dem Kopffe hin- weg zohe. Jch vorfolgte den Dieb, war aber kaum in die andere Cammer gekommen, als ſo gleich ihrer 3. auf mich zuhieben und ſtachen, ſo, daß ich der Gewalt weichen, zu Boden fallen und um mein Leben bitten muſte. Es ſey dir Gnaden, ſagte der Eine, geſchneckt, drehete mir aber in der Geſchindigkeit einen Knebel in den Mund, die andern banden mir Haͤnde und Fuͤſſe, und lieſ- ſen mich Elenden alſo auf dem bloſſen Boden lie- gen, biß ich fruͤh Morgens von des Wirths Ge- ſinde, faſt im Blute ſchwimmend, angetroffen wur- de. Selbiges machte ein Geſchrey, ſo, daß der Wirth auch herzu gelauffen kam, welcher mich rei- nigen und durch einen Wund-Artzt verbinden ließ. Jch hatte 2. Hiebe ins Geſichte, einen uͤber den Kopff, 3. uͤber die Arme, einen Stich auf den Bruſt- Knochen, und einen in die lincke Schulter bekom- men, und meynete nicht anders, ich wuͤrde an diefen 8. Bleſſuren meinen Geiſt aufgeben muͤſſen, allein, der Chirurgus ſparete keinen Fleiß, ein Meiſter- Stuͤck ſeiner Kunſt an mir zu beweiſen, curirte mich auch binnen wenig Wochen recht voͤllig, und war nachhero ſo genereux, nicht einen Deut vor ſeine Muͤhe und angewandte Koſten zu verlangen, weßwegẽ ich ihn mit Recht einen barmhertzigen Sa- mariter nennen kan; der Himmel aber vergelte es ihm tauſendfach, weil ich nicht im Stande geweſen, ihm meine Danckbarkeit anders, als mit Worten, die

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/234>, abgerufen am 03.05.2024.