Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

Bild:
<< vorherige Seite

die aus redlichen Hertzen und Munde geflossen, zu
bezeugen.

Von allen meinen Sachen hatte ich nichts be-
halten, als ein Bündel schwartze Wäsche und eine
ziemliche grosse lederne Tasche, worinnen meine
Briefschafften befindlich, denn ich hatte selbige zum
Füssen meines Bettes gesteckt, und meine Räuber
mochten daselbst nicht gesucht haben. Von Gel-
de oder Geldes-Werth aber hatte nicht das gering-
ste mehr, vielweniger etwas an den Leib zu ziehen.
Der Wirth war Zeit währender meiner Kranck-
heit so wohlthätig, mich mit den besten Speisen
zu versorgen, verschaffte auch, daß mir, nachdem
ich wieder aufgestanden war, verschiedene gute Leu-
te einige Kleidungs-Stücke zuwarffen; er verlangte
keine Bezahlung von mir, biß ich wieder in dem
Standt käme, so viel missen zu können, ihn zu re-
compensiren.
Das war nun endlich Höflich-
keit genung, allein, es sind mir zum öfftern die Ge-
dancken aufgestiegen, ob nicht der Wirth mit mei-
nen Räubern und Mördern selbst unter einer De-
cke gesteckt haben möchte. Thue ich ihm zu viel
so vergebe es mir der Himmel. Er gab vor, die-
se Leute habe er Zeit-Lebens sonsten nicht gesehen,
sie hätten sich vor See- Officiers ausgegeben, und
auf einen Monat das Logis bey ihm gemiethet,
Abends vorhero aber, ehe sie mich so mörderisch
tractirt und beraubt, ihre Schuld bezablt, und
zu verstehen gegeben, wie noch diese Nacht etliche
Matrosen ankommen würden, ihre Sachen abzu-
holen, indem das Schiff, worauf sie gehörten, in
Bereitschafft stünde abzuseegeln. Er, der Wirth,

hätte
(P 2)

die aus redlichen Hertzen und Munde gefloſſen, zu
bezeugen.

Von allen meinen Sachen hatte ich nichts be-
halten, als ein Buͤndel ſchwartze Waͤſche und eine
ziemliche groſſe lederne Taſche, worinnen meine
Briefſchafften befindlich, denn ich hatte ſelbige zum
Fuͤſſen meines Bettes geſteckt, und meine Raͤuber
mochten daſelbſt nicht geſucht haben. Von Gel-
de oder Geldes-Werth aber hatte nicht das gering-
ſte mehr, vielweniger etwas an den Leib zu ziehen.
Der Wirth war Zeit waͤhrender meiner Kranck-
heit ſo wohlthaͤtig, mich mit den beſten Speiſen
zu verſorgen, verſchaffte auch, daß mir, nachdem
ich wieder aufgeſtanden war, verſchiedene gute Leu-
te einige Kleidungs-Stuͤcke zuwarffen; er verlangte
keine Bezahlung von mir, biß ich wieder in dem
Standt kaͤme, ſo viel miſſen zu koͤnnen, ihn zu re-
compenſiren.
Das war nun endlich Hoͤflich-
keit genung, allein, es ſind mir zum oͤfftern die Ge-
dancken aufgeſtiegen, ob nicht der Wirth mit mei-
nen Raͤubern und Moͤrdern ſelbſt unter einer De-
cke geſteckt haben moͤchte. Thue ich ihm zu viel
ſo vergebe es mir der Himmel. Er gab vor, die-
ſe Leute habe er Zeit-Lebens ſonſten nicht geſehen,
ſie haͤtten ſich vor See- Officiers ausgegeben, und
auf einen Monat das Logis bey ihm gemiethet,
Abends vorhero aber, ehe ſie mich ſo moͤrderiſch
tractirt und beraubt, ihre Schuld bezablt, und
zu verſtehen gegeben, wie noch dieſe Nacht etliche
Matroſen ankommen wuͤrden, ihre Sachen abzu-
holen, indem das Schiff, worauf ſie gehoͤrten, in
Bereitſchafft ſtuͤnde abzuſeegeln. Er, der Wirth,

haͤtte
(P 2)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0235" n="227"/>
die aus redlichen Hertzen und Munde geflo&#x017F;&#x017F;en, zu<lb/>
bezeugen.</p><lb/>
          <p>Von allen meinen Sachen hatte ich nichts be-<lb/>
halten, als ein Bu&#x0364;ndel &#x017F;chwartze Wa&#x0364;&#x017F;che und eine<lb/>
ziemliche gro&#x017F;&#x017F;e lederne Ta&#x017F;che, worinnen meine<lb/>
Brief&#x017F;chafften befindlich, denn ich hatte &#x017F;elbige zum<lb/>
Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en meines Bettes ge&#x017F;teckt, und meine Ra&#x0364;uber<lb/>
mochten da&#x017F;elb&#x017F;t nicht ge&#x017F;ucht haben. Von Gel-<lb/>
de oder Geldes-Werth aber hatte nicht das gering-<lb/>
&#x017F;te mehr, vielweniger etwas an den Leib zu ziehen.<lb/>
Der Wirth war Zeit wa&#x0364;hrender meiner Kranck-<lb/>
heit &#x017F;o wohltha&#x0364;tig, mich mit den be&#x017F;ten Spei&#x017F;en<lb/>
zu ver&#x017F;orgen, ver&#x017F;chaffte auch, daß mir, nachdem<lb/>
ich wieder aufge&#x017F;tanden war, ver&#x017F;chiedene gute Leu-<lb/>
te einige Kleidungs-Stu&#x0364;cke zuwarffen; er verlangte<lb/>
keine Bezahlung von mir, biß ich wieder in dem<lb/>
Standt ka&#x0364;me, &#x017F;o viel mi&#x017F;&#x017F;en zu ko&#x0364;nnen, ihn zu <hi rendition="#aq">re-<lb/>
compen&#x017F;iren.</hi> Das war nun endlich Ho&#x0364;flich-<lb/>
keit genung, allein, es &#x017F;ind mir zum o&#x0364;fftern die Ge-<lb/>
dancken aufge&#x017F;tiegen, ob nicht der Wirth mit mei-<lb/>
nen Ra&#x0364;ubern und Mo&#x0364;rdern &#x017F;elb&#x017F;t unter einer De-<lb/>
cke ge&#x017F;teckt haben mo&#x0364;chte. Thue ich ihm zu viel<lb/>
&#x017F;o vergebe es mir der Himmel. Er gab vor, die-<lb/>
&#x017F;e Leute habe er Zeit-Lebens &#x017F;on&#x017F;ten nicht ge&#x017F;ehen,<lb/>
&#x017F;ie ha&#x0364;tten &#x017F;ich vor See- <hi rendition="#aq">Officiers</hi> ausgegeben, und<lb/>
auf einen Monat das <hi rendition="#aq">Logis</hi> bey ihm gemiethet,<lb/>
Abends vorhero aber, ehe &#x017F;ie mich &#x017F;o mo&#x0364;rderi&#x017F;ch<lb/><hi rendition="#aq">tractirt</hi> und beraubt, ihre Schuld bezablt, und<lb/>
zu ver&#x017F;tehen gegeben, wie noch die&#x017F;e Nacht etliche<lb/><hi rendition="#aq">Matro&#x017F;en</hi> ankommen wu&#x0364;rden, ihre Sachen abzu-<lb/>
holen, indem das Schiff, worauf &#x017F;ie geho&#x0364;rten, in<lb/>
Bereit&#x017F;chafft &#x017F;tu&#x0364;nde abzu&#x017F;eegeln. Er, der Wirth,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">(P 2)</fw><fw place="bottom" type="catch">ha&#x0364;tte</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[227/0235] die aus redlichen Hertzen und Munde gefloſſen, zu bezeugen. Von allen meinen Sachen hatte ich nichts be- halten, als ein Buͤndel ſchwartze Waͤſche und eine ziemliche groſſe lederne Taſche, worinnen meine Briefſchafften befindlich, denn ich hatte ſelbige zum Fuͤſſen meines Bettes geſteckt, und meine Raͤuber mochten daſelbſt nicht geſucht haben. Von Gel- de oder Geldes-Werth aber hatte nicht das gering- ſte mehr, vielweniger etwas an den Leib zu ziehen. Der Wirth war Zeit waͤhrender meiner Kranck- heit ſo wohlthaͤtig, mich mit den beſten Speiſen zu verſorgen, verſchaffte auch, daß mir, nachdem ich wieder aufgeſtanden war, verſchiedene gute Leu- te einige Kleidungs-Stuͤcke zuwarffen; er verlangte keine Bezahlung von mir, biß ich wieder in dem Standt kaͤme, ſo viel miſſen zu koͤnnen, ihn zu re- compenſiren. Das war nun endlich Hoͤflich- keit genung, allein, es ſind mir zum oͤfftern die Ge- dancken aufgeſtiegen, ob nicht der Wirth mit mei- nen Raͤubern und Moͤrdern ſelbſt unter einer De- cke geſteckt haben moͤchte. Thue ich ihm zu viel ſo vergebe es mir der Himmel. Er gab vor, die- ſe Leute habe er Zeit-Lebens ſonſten nicht geſehen, ſie haͤtten ſich vor See- Officiers ausgegeben, und auf einen Monat das Logis bey ihm gemiethet, Abends vorhero aber, ehe ſie mich ſo moͤrderiſch tractirt und beraubt, ihre Schuld bezablt, und zu verſtehen gegeben, wie noch dieſe Nacht etliche Matroſen ankommen wuͤrden, ihre Sachen abzu- holen, indem das Schiff, worauf ſie gehoͤrten, in Bereitſchafft ſtuͤnde abzuſeegeln. Er, der Wirth, haͤtte (P 2)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/235
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/235>, abgerufen am 23.11.2024.